Hilfe gegen "Kreuzzug" in Südhessen (Egelsbacher Kreuze)

Re: Hilfe gegen "Kreuzzug" in Südhessen

Beitragvon Piedro » Sa 25. Jun 2011, 21:28

Peter hat geschrieben:Zivildienst bei der Caritas, gut katholisch.

Da schau einer an. Du hast sogar vom Staat erzwungenen Frondienst bei einem Großkonzern sozialer Dienstleisungen erbringen müssen. Das würde mir viel mehr stinken als ein paar Ritual-Fetische die in freier Wildbahn aufgestellt werden.
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Re: Hilfe gegen "Kreuzzug" in Südhessen

Beitragvon Nanna » So 26. Jun 2011, 01:14

Arathas hat geschrieben:Zu deinen Kreuzen: Komisch, ich hab die noch nie als etwas Störendes empfunden. Hatte auch noch nie das Gefühl, dass Kreuze mich in meinem Atheismus beeinträchtigen oder so. Es ist doch einfach nur ein Kreuz - den toten Jesus, der da in deinem Kopf ständig mit dranhängt, den erfindest du dir beständig mit dazu.

Es irritiert mich schon ein wenig, dass der Tenor des Threads sich dahin entwickelt, die Aufstellung der Kreuze zu bagatellisieren. Falls ich mit meinem Aufruf zur Gelassenheit dazu beigetragen habe, möchte ich das korrigieren: Gelassenheit hat nichts, aber wirklich gar nichts, mit Gleichgültigkeit zu tun! Ich für meinen Teil sehe da schon ein grundsätzliches Problem.

So normal in einer pluralistischen Kultur die Konfrontation mit anderen Subkulturen und deren Symbolen ist, so wichtig ist gleichzeitig doch auch die Achtung des gemeinsam genutzten Raumes. Die Neutralität bzw. die in gegenseitigem Einverständnis geschehende Gestaltung dieses Bereichs ist die Voraussetzung für den Frieden verschiedener sozialer Gruppen. Der öffentliche Bereich ist, etwas martialisch ausgedrückt, eine "entmilitarisierte Zone", in der man zwar symbolisch und tatsächlich Präsenz zeigen darf, aber gewisse Spielregeln einhalten muss. So sollte das Aufstellen von gruppenbezogenen Symbolen auf Privatgrund bzw. speziell ausgewiesenen öffentlichen Grund (z.B. ein historisches Kirchengebäude in Staatsbesitz) stattfinden oder sich auf die eigene Kleidung beschränken (Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit). Der eigentliche öffentliche Raum sollte aber möglichst freigehalten werden (zu bestimmten Anlässen, z.B. Feiertagen, Prozessionen etc. kann man natürlich Ausnahmen machen) und ich kann Peter verstehen, dass er sich hier missachtet fühlt. Wenn eine bestimmte Gruppe so tun kann, als würde ihr der öffentliche Raum gehören, müssen sich alle Nichtmitglieder dieser Gruppe und am allermeisten diejenigen, die sich in direkter Opposition zu ihr befinden, nur als geduldete Gäste im öffentlichen Raum fühlen, obwohl er ihnen der Verfassung nach genauso gehört.

Es geht hier meines Erachtens nicht so sehr darum, was die Kirche konkret aufgestellt hat, ob jetzt Kreuz, Kruzifix, Leuchtreklame oder einen alten Autoreifen, es geht darum, dass nicht alle Bürger Mitglied der betreffenden Kirche sind und dass die nicht-evangelischen und/oder generell areligiösen Bürger eine einseitige Landnahme (Reviermarkierung) durch die Kirche hinnehmen müssen. Dieses Verhalten ist ein Akt der Dominanz, er beinhaltet durchaus auch eine aggressive und wegen der fehlenden Konsultation der Anwohner auch eine rücksichtslose Komponente und im Zusammenhang mit gewissen Strohmannargumenten seitens der Kirche ist sicherlich zu Recht auch das Wort "pervers" gefallen.

Ich möchte nochmal etwas genauer erklären, wie ich das mit dem öffentlichen Raum sehe:
Bestimmte kulturelle Bereiche sollten Teil des öffentlichen Raums sein und sie sollten Präsenz zeigen dürfen und gut erreichbar sein. Sie sollten sich aber auf bestimmte Bereiche konzentrieren: Die christlichen Präsenzen auf Kirchen und Kirchengrund (analog bei Juden, Moslems, Hindu, usw.), die kommerziellen Angebote auf Kaufhäuser und Einkaufsstraßen, staatliche Angebote auf entsprechende Gebäude (Rathaus, Polizeiwache, Kaserne, etc.), Denkmäler auf historisch relevante Plätze und so weiter und so fort. Dazwischen muss es Raum geben, der gemeinsam nutzbar ist, der allen gehört und nicht irgendjemandes Symbolik trägt, Parks, Straßenzüge, Wohnsiedlungen u.ä. Auf keinen Fall sollte sich alles derart vermischen, dass man sich nicht mehr von Symbolen fernhalten kann, die man nicht mag oder in bestimmten Situationen einfach nicht um sich haben möchte - das beinhaltet nicht nur religiöse Landmarken, sondern z.B. auch großformatige Werbeflächen in Wohnsiedlungen, die da meiner Meinung nach nichts verloren haben und die dort beheimatete soziale und familiäre Lebenswelt stören. Die Menschen, die diesen Raum bevölkern, dürfen sich bis zu einer recht weit gefassten Schmerzgrenze (z.B. Nacktheit) natürlich kleiden und gestalten wie sie wollen. Die Menschen sollen den Raum nutzen, nicht der Raum die Menschen, deshalb sehe ich den öffentlichen Raum als ein weitgehend leeres, neutrales Zimmer, das immer wieder neu bevölkert, verschiedenen unmittelbaren Bedürfnissen angepasst wird und im Idealfall allgemeine ästhetische Ideale erfüllt, an denen sich ein sehr großer Teil der Menschen erfreuen kann.

Ein Sonderfall ist übrigens staatlicher Raum, also Rathäuser, Gerichte, Schulen, Polizei- und Armeegebäude, wo strikte Neutralität angebracht ist (deshalb auch ein kompromissloses Nein zu Kreuzen in Klassenzimmern und Gerichtssälen!). Der Staatsapparat darf nicht auch nur den Anschein erwecken, dass es für ihn ein höheres Leitbild als Verfassung und Menschenrechte geben könnte.

musicman hat geschrieben:[an Peter] Wen meinst du damit, die Brights sind nicht explizit für Laizismus wenn ich das richtig in Erinnerung habe (Nanna wird dir das genauer erklären können), die kannst du also nicht meinen als Wir, der eine oder andere wird sicher deine Meinung teilen, aber ein klar deffiniertes Gruppenziel ist das glaube ich nicht.

Erst lassen sie einen über Wasser laufen und dann stellen sie einem knifflige Fragen. Zum Glück bin ich aus dem Verein mit dem Erlösungskomplex rechtzeitig ausgetreten. ;-)

Sind die Brights als Bewegung Laizisten? Ich gebe zu, die Frage erwischt mich kalt von der Seite. Ich versuche das mal zu beantworten:
Laizismus wird in den neun Prinzipien der Bewegung nicht genannt. Ziel ist die juristische und kulturell-gesellschaftliche Gleichstellung der Naturalisten mit Anhängern anderer Weltanschauungen. Da die Brights den Religionen an solchen explizit indifferent gegenüberstehen und der Laizismus eine durchaus antireligiöse Schlagseite hat, würde ich ihn eher nicht als Kernziel der Bewegung ansehen. Er könnte Mittel zum Zweck sein, das schon, aber das ist von Land zu Land unterschiedlich. Auch eine konfessionalistische Lösung mit Naturalisten als körperschaftlich organisierter Weltanschauungsgemeinschaft ist prinzipiell mit den Brights-Zielen vereinbar, sofern eine praktische Gleichstellung der Naturalisten in der Gesellschaft die Folge ist.

Laizismus sollte meiner Meinung nach nicht als Selbstzweck verfolgt werden. Ich erinnere nochmal an die Gefahr von Erlösungsutopien, die sollen bitte den Religiösen überlassen werden. Selbstverständlich dürfen Religionsgemeinschaften keinen institutionellen Einfluss auf politische Entscheidungen haben, das würde den demokratischen Prozess umgehen. Lobbyismus ist aber in einer Demokratie normal und dafür sollte es auch institutionelle Spielregeln geben, auch für weltanschauliche Gemeinschaften. Ob man die vollständige Trennung will, sollte man in diesem Fall nicht von Prinzipienreiterei abhängig machen, sondern vom erwartbaren Ergebnis. Wenn totaler Laizismus dazu führt, dass der Staat mäßigenden Einfluss auf Religionsgemeinschaften verliert ("Wer zahlt schafft an"), einen interreligiösen Wettbewerb fördert, der die langweiligen Traditionskirchen absägt und ähnlich den USA zu quasi neoliberalen Gebilden wie den Megachurches und ähnlichem unkontrollierbaren Zeugs führt, nein, dann bin ich nicht für die komplette Trennung. Das Beispiel der Türkei zeigt, dass selbst streng durchgesetzter Laizismus die gesellschaftliche Realität auch nach Jahrzehnten noch nicht nachhaltig umgeprägt haben kann. Laizismus ist theoretisch eine Position, die ich sehr gutheiße, aber die praktische Umsetzung sehe ich unter gewissen Vorbehalten. Allerdings, nochmal, Religionen dürfen kein Leitbild für staatliche Entscheidungen sein und die Verzahnung muss tatsächlich gelockert werden. Eine mehr vereinsmäßige Organisation (hier im Forum von "platon" immer wieder gefordert) wäre in der Tat wünschenswert.
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Re: Hilfe gegen "Kreuzzug" in Südhessen

Beitragvon 1von6,5Milliarden » So 26. Jun 2011, 09:13

stine hat geschrieben:wogegen die Kirchenvertreter sich lässig zurücklehnen konnten, weil sie ja den lieben Gott auf ihrer Seite hatten.
Ach was. Hätten die Religiösen ihren Gott sicher auf ihrer Seite, dann bräuchte es doch ihr ganzes Brimborium, ihre Kämpfe, Kriege, ihre Machtdemonstartionen etc. in Vergangenheit und Gegenwart doch gar nicht. Die Kirchnvertreter wurden nur gut geschult und gut ausgesucht und wissen die Macht der Kirche, der Kirchenlobbyisten und kirchlich-verbundenen Politiker hinter sich. Gott spielt da gar nciht mit, auch eher nicht in ihren Köpfen, zumindest nicht so, wie du es dir ausmalst.
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Re: Hilfe gegen "Kreuzzug" in Südhessen

Beitragvon Piedro » So 26. Jun 2011, 11:11

Es ist eine Jahrhunderte alte Tradition dass Christen Marterl und Wegkreuze aufzustellen. Dass der öffentliche Raum eine "entmilitarisierte Zone" wäre ist nicht so selbstverständlich, wie es hier behauptet wird. Das zeigt sehr beeindruckend die von Stine eingebrachte Seite: http://www.pfarrei-kirchendemenreuth.de ... reuze.html
Christen gibt es in Mitteleuropa seit ca. 1600-1200 Jahren. Areligiöse, atheistische Menschen gibt es in diesem Dorf in bedeutender Zahl sehr wahrscheinlich erst seit 50-30 Jahren. Dass der Pfarrer sich an gewisse ungeschriebene, von uns Atheisisten heute erst herbeigewünschten Spielregeln hätte halten sollen, konnte ihm nicht klar sein. Er hat nach der bis dahin allgemein geltenden Norm gehandelt.
Warum hätte der Pfarrer die Anwohner fragen sollen, wenn wir doch in einer repräsentativen Demokratie leben und der erste Ansprechpartner für die Genehmigung des Aufstellens von Kreuzen und Marteln die Gemeineverwaltung ist? Die Gemeindemitglieder haben die Möglichkeit über die Wahlen die Politik zu beeinflussen. Ein Fehlverhalten seitens des Pfarrers kann ich hier nicht feststellen, denn er hat sich an die gesetzlich festgeschriebenen Spielregeln gehalten. Einen aggressiven Akt der Dominanz und Rücksichtlosigkeit zu sehen geht daher zu weit, genauso wie die durch nichts belegbare Behauptung der Pfarrer wolle durch das Aufstellen der Kreuze missionieren.
Bauern stellten früher Kreuze auf weil es ihnen ein Bedürfnis war auch auf dem Feld zu beten. Wenn heute eine tibetische Gruppe im Dorf das Aufstellen einer Gebetsmühle beantragen würde, würde das sicher nicht als ein aggressiver Akt der Dominanz und Missionierung verstanden werden.
Die Ablehnung der Religion teile ich wohl, aber die hier gezeigte Empörung ist zu sehr gekünstelt, genauso wie das Geseusel von den verletzten Kinderseelen. Ich weiss zwar nicht was eine Seele ist, gehe aber davon aus, dass damit die Psyche gemeint ist, die tatsächlich verletzt wird, wenn etwas zerstört wird was liebevoll gebastelt wurde. Dagegen kann ich mir schlecht vorstellen, dass jemandem das vor die Tür gehen durch ein paar Kreuze verleidet wird.

Wenn heute andere Spielregeln gelten sollen, dann wird das nicht dadurch erreicht, dass man sich in seinem Zimmerchen verkriecht, bissige Briefe schreibt und Drohkulissen aufbaut, sondern nur dadurch, dass man entspannt auf die Menschen zugeht und seine Anliegen erklärt und die Menschen auf symphatische Weise für sich gewinnt.

Was jucken mich ein paar Holzkreuze wenn es in meiner Gegend keinen religionsfreien Kindergarten gibt, das Altenheim in katholischer Hand ist und selbst die Berufsschule von Kolping ist, aber alles vom Staat finanziert wird? Dagegen ist das Aufstellen von Wegkreuzen nun wirklich eine Bagatelle.
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Re: Hilfe gegen "Kreuzzug" in Südhessen

Beitragvon musicman » So 26. Jun 2011, 18:26

Nanna hat geschrieben:die Aufstellung der Kreuze zu bagatellisieren.
Voraussetzung für den Frieden verschiedener sozialer Gruppen. .


Dazwischen liegt das Spannungsfeld, der unteschiedlichen Interessen und da gilt es mit Fingerspitzengefühl zu agieren. Es nützt nichts, sich auf rein formale Rechtspositionen zurück zu ziehen, zB der Gartenzwerg ohne Hose, steht auf meinem Grund und Boden, der Grenzabstand ist eingehalten, also geht es den Nachbarn nichts an, jetzt mal überspitzt formuliert. Vor Gericht bekommt man evtl sogar recht, doch wohin führt das, der Nachbar ist nicht so schnell ausgewechselt.
Im gegenseitigen Fall ist es nicht anders, der öffentliche Raum gehört allen, auch da gilt es abzuwiegen, will ich mein (vermeintliches) Recht auf biegen und brechen durchsetzen, oder will ich in Frieden mit dem Rest der Gemeinde leben.
Ein wichtiger Punkt ist, wie sieht das die Mehrheit in dieser Gemeinde, ärgert die das genauso so wie mich oder finden die das in Ordnung. Wenn ich feststelle für die ist das mehrheitlich stimmig, muss ich mich fragen, wie wichtig ist mir das Ganze, berührt es mich wirklich oder geht es mir nur um abstrakte Prinzipienreiterei.
Wenn es wirklich meine atheistischen Empfindungen so verletzt, dass ich früh morgens schon kotzen muss, wenn ich die Kreuze sehe, ist es was anderes wie wenn es mich ein bischen nervt, aber im Großen und Ganzen meine Lebensqualität nicht beeinträchtigt.

Das ist eine persönliche Entscheidung jedes Einzelnen, wie er da denkt agieren zu müssen, man sollte jedoch auf der Rechnung haben, dass man auch selbst ganz schnell als der dastehen kann, der den sozialen Frieden stört, deshalb wie schon zu anfangs gesagt, erst einmal schauen, wie sehen das meine Mitbürger vor Ort, bevor ich Don Quichotte spiele.
Viele Atheisten leiden, wie ich festgestellt habe an Realitätsverlust in der sozialen Wahrnehmungen, ich führe das unter anderem auch auf gesteigerte Forenaktivitäten zurück, wo man unter sich bleibt, gerne dem Christenbashing frönt und dabei nicht mehr so ganz auf dem Laufenden ist, wie sieht es draussen wirklich aus. Den meisten Leuten die ich kenne, auch Ungläubige wie mich ist, das in der Regel nicht so wichtig, ob da ein paar Hansel irgendwo was aufstellen, man sollte also schon auch aufpassen, dass man nicht einem Mäuschen den Strohhalm in den Arsch steckt, um es auf Elefantengröße aufzublasen.

Am besten gefällt mir nach wie vor die Idee von Piedro, dem Ganzen mit Kreativität zu begegnen, damit könnte man auch die Gegenseite erreichen, dieses phantasielose weg damit ist mir zu statisch.

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Re: Hilfe gegen "Kreuzzug" in Südhessen

Beitragvon Piedro » So 26. Jun 2011, 19:18

Vielleicht sollte man doch Peters Idee weiterentwickeln: Elektrischen Stuhl 1:1 nachbauen, den gritze rosa anstreichen, mit grossen bunten Punkten bekleben und auf dem Marktplatz aufstellen. Dazu darf man es sich aber nicht vorher schon mit dem Bürgermeister verscherzen wenn man es legal machen will. Soetwas erreicht alle Menschen im Dorf und eröffnet viel mehr Diskussionen - vielleicht mit dem erhofften Ergebnis, dass alle damit einverstanden sind dass man religöse Symbole zukünftig aus dem öffentlichen Raum fernhält. Ein geharnischter Briefwechsel dagegen bekommt kaum einer mit, wird in der Ablage verstauben und was übrig bleibt ist, dass da jemand war, der rumgestänkert hat.

Was mich wirklich viel mehr stört als wenn Leute am Wegrand vor einem Holzkreuz beten ist zum Beispiel, dass meine kleine Nichte aus dem Kindergarten kommt und mir die Geschichte von der Arche Noah erzählt. Ich erkläre ihr dann was das für ein grosser Unsinn ist, dass sie das aber im Kindergarten nicht sagen darf weil sie sonst noch in die Ecke stehen muss.
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Re: Hilfe gegen "Kreuzzug" in Südhessen

Beitragvon Nanna » So 26. Jun 2011, 19:32

Piedro hat geschrieben:...dass sie das aber im Kindergarten nicht sagen darf weil sie sonst noch in die Ecke stehen muss.

Das war eine ironische Übertreibung, ja?
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Re: Hilfe gegen "Kreuzzug" in Südhessen

Beitragvon Piedro » So 26. Jun 2011, 19:40

Nein, diesbezüglich hat in dem katholischen Kindergarten sogar der Staatsanwalt bereits ermittelt. Allerdings ohne Ergebnis und Folgen. Eine Erzieherin ist gegangen. Dass ein zwei drei Kinder regelmäßig unbeaufsichtigt in der Besenkammer eingeschlossen wurden hatte nichts damit zu tun, dass sie unchristliches gesagt hätten, sie waren halt frech.
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Re: Hilfe gegen "Kreuzzug" in Südhessen

Beitragvon Peter » Di 5. Jul 2011, 12:58

Hallo zusammen,

zunächst möchte ich mal sagen, dass ich sehr froh bin, dieses Diskussionsforum gefunden zu haben. Sowas hat mir bisher gefehlt. Zum Glück sind wir nicht alle einer Meinung, sonst wäre es wohl ziemlich langweilig hier. :2thumbs:

Ich möchte, dass diese Kreuze weggkommen.

Sie stören mich in meinem (naturalistischen! ja, ich bin ganz sicher auch Atheist) Lebensgefühl. Dafür bin ich bereit, etwas zu tun. Das erste Problem ist, dass sich bisher keine "Öffentlichkeit" gefunden hat, die auch was dagegen machen will. Also muss diese Öffentlichkeit irgendwie hergestellt werden. Ich werde also beantragen, die Genehmigung für die Kreuze zurückzunehmen und sie irgendwo "kirchlich" aufzustellen. (Zielgruppe: Gemeindevorstand, dort vertretene Parteien). Was auch immer dann da rauskommt: Lokalpresse. Und dann schauen wir mal weiter.

Das schon mal durch ein kleineres Kreuz ersetzte Teil am See ist übrigens inzwischen wieder glatt abgesägt und "verschwunden".

Weil ihr hier so klug und weise seid, übers Wasser gehen könnt und auch kniffligen Fragen nicht ausweicht :applaus:, poste ich hier meinen Textentwurf an den Gemeindevorstand / die Parteien und bitte euch, den Text gegenzulesen, zu korrigieren und mir Tipps zu geben usw. Bitte aber nicht die ZIELGRUPPE vergessen: Gemeindevorstand, Parteimenschen. Wie gesagt, der Bürgermeister ist parteilos, ehemals SPD, die Grünen sind stärkste Partei, dann SPD, CDU... (Und alle kungeln wahrscheinlich irgendwie mit der Kirche...)

Ich bin dann übrigens erstmal ein paar Tage weg und schau mir mal schwedische Kreuze an, vielleicht gefallen die mir besser... :motz:

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An den Gemeindevorstand


Antrag auf Entzug der Genehmigung zum Aufstellen von drei Kreuzen auf dem Gelände der Gemeinde


Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit beantrage ich, die der Evangelischen Kirchengemeinde erteilte Erlaubnis zum Aufstellen von Holzkreuzen am Bruchsee, auf dem Rodelplatz am Brühl und am Fernwanderweg in den Wingerten zurückzunehmen.

Die Kreuze können stattdessen besser und zweckgebundener auf kirchlichem Grund und Boden aufgestellt werden.

Begründung:

Bei den drei genannten Stellen handelt es sich um von den Menschen in der Gemeinde hoch-frequentierte, bisher in keiner Weise religiös oder anderweitig genutzte öffentliche Plätze.

Im Rahmen einer offenen, freizügigen und multikulturellen Nutzung dieser Plätze ist es kontraproduktiv, diese Orte einseitig religiös zu markieren und zu besetzen.

Was ist mit den Menschen, die mit dem Kreuz statt eines Zeichens des Heils und der Erlösung eher grausames Morden (Kreuzzüge, Religionskriege), Unterdrückung der Meinungsfreiheit, Folter (Inquisition, Hexenverbrennungen) oder gerade in der Neuzeit massenhaften Kindesmissbrauch verbinden? Müssen diese Menschen auf jedem Spaziergang oder auf jedem Gang in den Ort an diese Greultaten erinnert werden? Was ist mit denjenigen Mitbürgern und Mitbürgerinnen, die überhaupt nicht religiös oder einem anderen Bekenntnis verüpflichtet sind?

Eine Aufstellung in der Nähe der Evangelischen Kirche oder auf anderen kircheneigenen Grundstücken würde der Pluralität und der kulturellen und demokratischen Vielfalt der Gemeinde viel besser zu Gesicht stehen.


Mit freundlichen Grüssen
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Re: Hilfe gegen "Kreuzzug" in Südhessen

Beitragvon Peter » Di 5. Jul 2011, 13:09

Nanna hat geschrieben:Es irritiert mich schon ein wenig, dass der Tenor des Threads sich dahin entwickelt, die Aufstellung der Kreuze zu bagatellisieren. (...) Wenn eine bestimmte Gruppe so tun kann, als würde ihr der öffentliche Raum gehören, müssen sich alle Nichtmitglieder dieser Gruppe und am allermeisten diejenigen, die sich in direkter Opposition zu ihr befinden, nur als geduldete Gäste im öffentlichen Raum fühlen, obwohl er ihnen der Verfassung nach genauso gehört.

Es geht hier meines Erachtens nicht so sehr darum, was die Kirche konkret aufgestellt hat, ob jetzt Kreuz, Kruzifix, Leuchtreklame oder einen alten Autoreifen, es geht darum, dass nicht alle Bürger Mitglied der betreffenden Kirche sind und dass die nicht-evangelischen und/oder generell areligiösen Bürger eine einseitige Landnahme (Reviermarkierung) durch die Kirche hinnehmen müssen. Dieses Verhalten ist ein Akt der Dominanz, er beinhaltet durchaus auch eine aggressive und wegen der fehlenden Konsultation der Anwohner auch eine rücksichtslose Komponente und im Zusammenhang mit gewissen Strohmannargumenten seitens der Kirche ist sicherlich zu Recht auch das Wort "pervers" gefallen.


Nanna, danke. DU verstehst mich. Genau SO meine ich es. Sind wir uns schon mal begegnet, etwa in einem "anderen" Leben? :erschreckt:
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Re: Hilfe gegen "Kreuzzug" in Südhessen

Beitragvon KlausKa » Di 5. Jul 2011, 15:21

Peter hat geschrieben:Das schon mal durch ein kleineres Kreuz ersetzte Teil am See ist übrigens inzwischen wieder glatt abgesägt und "verschwunden".
...
Ich bin dann übrigens erstmal ein paar Tage weg und schau mir mal schwedische Kreuze an, vielleicht gefallen die mir besser...


Meinst Du schwedische Kreuze oder Gardinen? Hast die Kreuze also doch abgesägt oder?
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Re: Hilfe gegen "Kreuzzug" in Südhessen

Beitragvon Peter » Di 5. Jul 2011, 16:08

KlausKa hat geschrieben: Meinst Du schwedische Kreuze oder Gardinen? Hast die Kreuze also doch abgesägt oder?


Nicht, dass hier wieder falsche Gerüchte aufkommen: Ich bin handwerklich völlig unbegabt, habe keinerlei Werkzeug zu Hause und "säge" höchstens am Stuhl meines Chefs. :explodieren: Lieber KlausKa, du solltest Nanna ein wenig ernster nehmen! Ich fahre in URLAUB nach Schweden und wenn die dort Gardinen haben, sind es eben SCHWEDISCHE... Du bringst mich zum... :(
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Re: Hilfe gegen "Kreuzzug" in Südhessen

Beitragvon Zappa » Di 5. Jul 2011, 16:12

Hallo Peter,

ich würde den vorletzten Absatz weglassen oder umformulieren. Direkte Kirchenkritik würde ich hier nicht formulieren, das schwächt dein Argument mit dem freien bürgerlichen Raum eher ab (weil man Dir unterstellen wird, dass Du eigentlich nur gegen die Kirche bist und das gute Argument mit dem freien Raum nur vorschiebst).

Ansonsten finde ich das Schreiben gut formuliert.

Ich kenne mich in Lokalpolitik überhaupt nicht aus, aber vielleicht hast Du das Recht die Beratung über deinen Antrag irgendwie einfordern zu können?
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Re: Hilfe gegen "Kreuzzug" in Südhessen

Beitragvon Peter » Do 14. Jul 2011, 10:20

Zappa hat geschrieben:(...) ich würde den vorletzten Absatz weglassen oder umformulieren. Direkte Kirchenkritik würde ich hier nicht formulieren, das schwächt dein Argument mit dem freien bürgerlichen Raum eher ab (weil man Dir unterstellen wird, dass Du eigentlich nur gegen die Kirche bist und das gute Argument mit dem freien Raum nur vorschiebst).


Vielen Dank, Zappa, für deine Anregung. Ich bin mir aber nicht ganz sicher, ob ich den Absatz wirklich rausnehmen soll. Wenn ja, wirds tatsächlich etwas schwach und allgemein und offen-multikulti. Der Absatz betont ja nur, dass man "Kirche" auch anders sehen kann...

Wie sehen das denn die anderen?

Im Übrigen würde ich gerne nach Nannas Punkt von der "einseitige Landnahme (Reviermarkierung)" reinbringen.
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Re: Hilfe gegen "Kreuzzug" in Südhessen

Beitragvon Peter » Do 14. Jul 2011, 10:26

Habe inzwischen Info von der giordano-bruno-stiftung bekommen, dass sich die Sache der Gerhard Czermak, Verwaltungsrichter a.D,, anschaut. Kennt ihn jemand oder hat von ihm gehört? Ich weiss nur, was auf der Website von der gbs steht:

"Gerhard Czermak wurde 1942 in Brünn geboren und wuchs nach der Vertreibung in Bayern auf. Beruflich war er bis vor kurzem als Verwaltungsrechtler, zumeist als Richter, tätig. Privat widmet er sich seit langem dem Religionsverfassungsrecht (traditionell: „Staatskirchenrecht“), um den dort seit je herrschenden Einseitigkeiten entgegenzuwirken. Sein Grundanliegen ist dabei die Herstellung der Rechtsgleichheit zwischen religiösen und nichtreligiösen Weltanschauungen. Gerhard Czermak arbeitet gelegentlich für humanistische Zeitschriften und für den Humanistischen Pressedienst.
Buchveröffentlichungen (Auswahl):

Religion und Weltanschauung in Gesellschaft und Recht, 2009
Religions- und Weltanschauungsrecht: Eine Einführung, 2008
Staat und Weltanschauung, Bd. 2, 1993-1997
Staat und Weltanschauung, Bd. I, 1993
Christen gegen Juden. Geschichte einer Verfolgung. Von der Antike bis zum Holocaust, von 1945 bis heute, 1989"

Bis ich da was höre, möchte ich gerne noch mit dem Abschicken warten.
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Re: Hilfe gegen "Kreuzzug" in Südhessen

Beitragvon Nanna » Do 14. Jul 2011, 23:55

Erstmal allgemein: Mir gefällt deine Betonung der gemeinschaftlichen gesellschaftlichen Nutzung der Plätze. Zentral sollte es sein, Zweifel an der anscheinend kritiklos tradierten Auffassung zu säen, dass die Kirche ein Sonderrecht bei der Gestaltung öffentlichen Raumes hat, das außerhalb und über den demokratischen Prinzipien steht.

Peter hat geschrieben:Vielen Dank, Zappa, für deine Anregung. Ich bin mir aber nicht ganz sicher, ob ich den Absatz wirklich rausnehmen soll. Wenn ja, wirds tatsächlich etwas schwach und allgemein und offen-multikulti. Der Absatz betont ja nur, dass man "Kirche" auch anders sehen kann...

Jeder kann dir hier nur seine Meinung sagen, die Entscheidung musst du am Ende selbst treffen. Meine ist diese:
Ich stimme Zappa weitestgehend zu, dass dieser Absatz riskant ist. Durch direkte Kirchenkritik gibst du dir eine sehr offene argumentatorische Flanke. Die leistet man sich nur, wenn man entweder genug Reserven in der zweiten Reihe hat, um diese Blöße zu decken (etwa politische Verbündete, die einen gegen Kritik in Schutz nehmen), oder wenn man eine Falle stellen will (etwa, indem man jemanden etwas verteidigen lässt, was durch später ins Spiel gebrachte Argumente völlig nicht mehr haltbar sein wird, was die Gegenseite aber nicht auf dem Schirm hat). Auch ist so eine Kritik schon tausendfach formuliert worden, die Gegenargumente sind hinreichend bekannt und erprobt.

Ich will hier gar nicht darauf eingehen, ob man "Kirche" auch anders sehen kann oder ob die Assoziation des Kreuzes mit unmenschlichen Taten gerechtfertigt ist. Dem Kruzifix wurde bei der Entstehung der Welt ja keine verbindliche Gebrauchsanweisung beigelegt, es ist ein Symbol, das eine hohe Bandbreite an Interpretationen zulässt. Wie der gesellschaftliche Mainstream es bewertet, wird im öffentlichen Diskurs immer wieder neu ausgehandelt. Nun hat sich in gewissen Kreisen (kirchenkritische säkulare oder fundamentalreligiöse nicht-christliche Milieus) zwar eine eher negative Konnotation durchgesetzt, aber andere gesellschaftliche Gruppen sehen das möglicherweise fundamental anders. Das schadet erstmal nicht, außer, wenn bei den Herrschenden (hier: dem Gemeinderat) eine bestimmte Deutung vorherrscht und eine andere eine tabuähnliche Natur hat. Es kann dann leicht passieren, dass das Unverständnis darüber, dass jemand das Kruzifix derart "abwegig" interpretiert, alle anderen Impulse überlagert. Die Verantwortlichen werden wahrscheinlich auf offensive Begriffe wie "Hexenverbrennungen" anspringen und sich dann reflexhaft daran festbeißen. Vielleicht hast du Glück und es sitzen verständnisvolle Menschen im Gemeinderat, die in der Lage sind, über die implizite Anklage hinwegzusehen, aber meiner Erfahrung nach wird eher ein gruppendynamischer Prozess dafür sorgen, dass der Gemeinderat sich gegen dich als Angreifer in einem Verteidigungsreflex zusammenrottet. Ist es erstmal soweit, wird es für beide Seiten unheimlich schwer, von ihren prinzipiellen Positionen zurückzurudern, ohne einen Gesichtsverlust zu riskieren.

Aaaaber: Lies nicht, was sie über dich schreiben, miss es in Zentimetern! Ein Aufreger kann auch helfen, ein Gefühl für die Ernsthaftigkeit des Konflikts zu schaffen. Den Vorwurf eines Bürgers, der Gemeinderat würde einem menschenverachtenden Symbol bereitwillig viel Raum einräumen, kann man schlechter wegputzen als einen wachsweichen Toleranzaufruf. Mit einem Bürger in einen Zermürbungskrieg mit entsprechender Aufmerksamkeit der regionalen oder gar irgendwann nationalen Presse hineingezogen zu werden kann genau das sein, was ein provinzieller Gemeinderat fürchtet, womit er vielleicht, ganz simpel gedacht, auch keine Arbeit haben will. Es könnte also auch so ausgehen, dass eine Auseinandersetzung geführt wird, in deren Rahmen das ein oder andere Gemeinderatsmitglied sich näher mit dem Thema beschäftigt und eine neue Sichtweise gewinnt.

Eine Gefahr sehe ich allerdings, jetzt weniger vom strategischen als ethischen Standpunkt gesehen: Natürlich setzt du mit einer derartigen Rhetorik dem perversen Geschwafel von "verletzten Kinderseelen" auch etwas entgegen, was moralisch ähnlich rigoros ist. Man könnte auch sagen, es steht dann Totschlagargument gegen Totschlagargument. Man kennt den Effekt aus Nazidiskussionen, wo es extrem schnell rigoristische Phrasen ausgetauscht werden, bei denen es in 90% der Fälle nicht mehr um den Inhalt geht, sondern nur darum, sich gegenseitig wegen der Verletzung tiefsitzender Tabus anzuklagen ("Man wird ja wohl noch sagen dürfen... beleidigt die Opfer... Hitler hat ja auch die Autobahnen gebaut... Holocaustleugner... Nestbeschmutzer... usw.). Sowas führt schnell zu einer sehr dichotomischen Sichtweise. Es gibt dann keine Kompromisse oder Graustufen mehr, sondern nur das Bekenntnis zu Gut oder Böse, wobei beide Seiten das genau diametral vertauscht sehen. Wenn die Diskussion erstmal da ankommt, was tust du dann? Der Pfarrer beharrt auf seiner Empörung wegen "der armen Kinder" und du beharrst auf deiner bezüglich der "Gräueltaten"? Ok, aber wem nützt das? Und vor allem, wie kommt man da wieder weg?

Fazit: Riskante Äußerung. Kann dir Aufmerksamkeit sichern, aber auch ganz böse und möglicherweise unrettbar nach hinten losgehen.

Entscheidend ist meiner Meinung nach im Kern nach wie vor, dass eine bestimmte, nicht-staatliche oder mittlerweile auch nicht mehr durchgängig mehrheitsrepräsentierende Organisation mit einer bestimmten leidlich disputablen Weltsicht ohne nennenswerten Widerstand zu provozieren eine Landmarke ohne erkennbaren künstlerischen Wert und Anspruch errichten kann. Bunt angemalte Kreuze dienen keinerlei selbstkritischer Betrachtung der Kirchen und wären selbst dann nicht unbedingt dort aufzustellen, wo sie gerade stehen. In dieser Form kann ich kaum einen anderen Zweck in ihnen sehen, als Werbung für die Kirche zu betreiben. Es fragt sich, warum die Kirchen dafür nicht einfach bestehende Werbeflächen mieten sollten.

Mal ein modifizierter, etwas geschliffenerer Vorschlag:

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An den Gemeindevorstand


Antrag auf Entzug der Genehmigung zum Aufstellen von drei Kreuzen auf dem Gelände der Gemeinde


Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit beantrage ich, die der Evangelischen Kirchengemeinde erteilte Erlaubnis zum Aufstellen von Holzkreuzen am Bruchsee, auf dem Rodelplatz am Brühl und am Fernwanderweg in den Wingerten zurückzunehmen.

Die Kreuze können stattdessen besser und zweckgebundener auf kirchlichem Grund und Boden aufgestellt werden.

Begründung:

Bei den drei genannten Stellen handelt es sich um von den Menschen in der Gemeinde stark frequentierte, bisher in keiner Weise religiös oder anderweitig genutzte öffentliche Plätze. Jene Bürger, die einen neutralen öffentlichen Raum schätzen, sind nun gezwungen, eine auffällige Markierung dieser Plätze durch religiöse Symbole zu dulden. Die Präsenz der Kreuze kann nicht einfach ignoriert werden, sie definiert diese Plätze als religiöse Orte und schafft den Eindruck, die Kirche hätte ein vorrangiges Recht auf deren Gestaltung und Nutzung.

Im Rahmen einer offenen, freizügigen und multikulturellen Nutzung dieser Plätze ist es aber kontraproduktiv, diese Orte einseitig religiös zu markieren und zu besetzen.

Bedenken Sie bitte, dass nicht alle Bürger religiös sind oder aber einem nicht-christlichen Bekenntnis anhängen. Auch ist das Kreuz aufgrund zahlreicher Ereignisse der Kirchengeschichte sowie jüngerer Enthüllungen ein Symbol, das mittlerweile für viele Menschen negativ besetzt ist. Ist es wirklich nötig und gerechtfertigt, dass diese Menschen auf jedem Spaziergang oder auf jedem Gang in den Ort daran erinnert werden?

Der öffentliche Raum sollte ein angenehmer, gleichberechtigter Aufenthaltsort für alle Bürger sein. Eine Aufstellung der Kreuze in der Nähe der Evangelischen Kirche oder auf anderen kircheneigenen Grundstücken würde die Neutralität des öffentlichen Raumes nachdrücklich achten und damit der Pluralität und der kulturellen und demokratischen Vielfalt der Gemeinde viel besser zu Gesicht stehen.


Mit freundlichen Grüßen
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Falls du dicker auftragen möchtest, argumentiere besser nicht allgemein mit kirchlichen Verfehlungen herum. Je allgemeiner, wolkiger und historischer der Vorwurf, desto leichter ist er zurückzuweisen. Argumentiere stattdessen in die Richtung, dass die Kreuze deine alltägliche Lebensqualität einschränken und dass du deinen bürgerlichen Anspruch auf einen auch für dich nutzbaren öffentlichen Raum bedroht siehst, wenn gleich mehrere wichtige Plätze im Ort mit religiösen Symbolen "besetzt" werden.
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Nanna
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Re: Hilfe gegen "Kreuzzug" in Südhessen

Beitragvon stine » Fr 15. Jul 2011, 06:36

Nanna hat geschrieben:Sehr geehrte Damen und Herren,
[ ...]
:2thumbs: Sehr gut, ein echter Nanna!

Hoffentlich stellt sich nicht heraus, dass es sich dort tatsächlch um (ererbten) Kirchengrund handelt. :mg:

LG stine
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Re: Hilfe gegen "Kreuzzug" in Südhessen

Beitragvon musicman » Fr 15. Jul 2011, 08:14

Das sollte man unbedingt vorher abklären, sonst geht der Schuss nach hinten los.
Erst läßt man ihn strampeln und zetern, um dann ganz souverän zu sagen, was willst du denn, wir stellen unseren privaten Grund und Boden sogar Atheisten kostenlos zur Verfügung.
Das wäre ein geschickter Zug, taktisch gesehen eine Meisterleistung und hätte (unabhängig von der persönlichen Einstellung) :applaus: verdient.

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Re: Hilfe gegen "Kreuzzug" in Südhessen

Beitragvon mat-in » Fr 15. Jul 2011, 08:55

Das "nicht religiös oder anderswie genutzt" ist seltsam. Handelt es sich tatsächlich um Öffentlichen Raum der gar nicht genutzt wurde? Weder von Spaziergängern zum rumlaufen, noch von Volksfesten, gar nichts??? Sonst sehr gut.
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Re: Hilfe gegen "Kreuzzug" in Südhessen

Beitragvon Peter » Mi 20. Jul 2011, 16:44

Nannas Überarbeitung beinhaltet alles, was mir wichtig ist und ist auch sehr gut auf die "Zielgruppe" zugeschnitten.

Vielen Dank dafür!

Ich habe Nannas Vorschlag 1:1 (mit zwei klitzekleinen Änderungen) übernommen und eben per Fax und Brief an den Gemeindevorstand weggeschickt. Dann habe ich den Antrag noch mit einer Bitte um Unterstützung an die Grünen und die SPD Vorsitzenden im Ort geschickt.

Mhm. Dann schaun wir jetzt mal.

Auf jeden Fall danke ich euch für die Unterstützung! Sobald es Neues gibt, werdet ihr es erfahren. Und falls sich in einer bestimmten Zeit gar nichts tun sollte, melde ich mich ntürlich auch.
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