Myron hat geschrieben:Wer den Darwinismus entkräften will, der muss mit knallharten Fakten argumentieren und nicht mit unwissenschaftlichen Mythen oder sonstigen wilden Spekulationen.
mhhhhmmmm, wenn Du mir sagst, was Du unter 'Darwinismus' verstehst, kann es sein, dass ich Dir diese 'knallharten Fakten' zeigen kann.
In der Wissenschaftsgeschichte versteht man unter 'Darwinismus' das, was Darwin lehrte. Das war ein Bündel aus, je nach Autor, bei dem Du das nachliest, 4 bis ein paar mehr Theorien, von Evolution als Tatsache über Deszendenz, Pangenesis, Selektionstheorie und so weiter bis hin zum Gradualismus.
Dann kam der 'Neo-Darwinismus', also im Prinzip die Selektionstheorie ohne lamarckistische Elemente, die Darwin noch vertrat.
Der wurde dann von der 'Synthetischen Theorie der Evolution' (Thomas Junker nennt das 'Synthetischer Darwinismus') abgelöst, die lange Zeit Standard war, und von der kaum jemand so recht weiß, was sie eigentlich vertrat und was nicht, denn immer, wenn jemand 'harte Fakten' präsentierte, fand man einen Weg, das irgendwie zu intergrieren, war das nun die Neutrale Theorie, PunkEek oder weiß der Herr was. Das hat dazu geführt, dass diese Theorie als 'moving target' oder auch als 'Schwamm, der alles aufsaugt, ohne zu platzen' charakterisiert wurde. Selbstverständlich von Menschen, die mit Kreationismus nichts am Hut haben und Naturalisten sind.
Die wenigsten Evolutionsbiologen wissen streng genommen, was sie eigentlich vertreten und was nicht. Daher kann ich nur raten, etwas vorsichtig zu sein, wenn man von 'entkräften' spricht.
Schau mal in Bücher wie
Kirschner, M.; Gerhart, J.C. (2005) 'The Plausibility of Life' New Haven, Yale University Press
Carroll, S.B. (2005) 'Endless Forms Most Beautiful. The New Science of Evo Devo and the Making of the Animal Kingdom' New York; London, W.W. Norton
oder andere EvoDevo-Bücher. In denen wird expressis verbis auf ID oder Kreationisten eingedroschen, aber auf der anderen Seite werden Vorstellungen von Evolutions
mechanismen vertreten, die mit dem, was üblicherweise heute von vielen Forschern unter 'Darwinismus' verstanden wird, nicht vereinbar sind (das könnten die von Dir eingeforderten 'knallharten Fakten' sein). Im zuerst genannten Buch wird das expressis verbis betont.
Das ist nebenbei ein starkes Argument, von 'Evolutionstheorie' und nicht von 'Darwinismus' zu reden, denn es ist durchaus möglich, kein Darwinist zu sein und dennoch von einer naturalistischen Evolution auszugehen, beispielsweise die 'Kritische Evolutionstheorie'
Gutmann, W.F.; Bonik, K. (1981) 'Kritische Evolutionstheorie. Ein Beitrag zur Überwindung altdarwinistischer Dogmen' Hildesheim, Gerstenberg
oder auch das, was man zu EvoDevo rechnen könnte. Auch 'phenotypic plasticity' wäre ein Beispiel. Viele dieser Auffassungen sind 'one-man-shows', aber allen ist gemeinsam: sie haben durchaus Argumente gegen Details des Standards (also das, was Du vermutlich 'Darwinismus' nennst). Ob das für eine Widerlegung hinreicht ist natürlich eine spannende Frage.
Das Problem ist, dass es schwer ist, 'knallharte Fakten' zu finden, weil es so gut wie keine systematische Darstellung (geschweige denn formalisierte Theorie) dessen gibt, was in der Evolutionsbiologie vertreten wird. Das ist leicht erklärbar: die Fachwissenschaftler forschen auf ihrem Spezialgebiet, und die Menschen, die eher theoretisch arbeiten, sind möglicherweise nicht immer auf dem neuesten Stand. Es gibt wenig wirklich fundierte Übersichtsartikel. Die Wissenschaftshistoriker hingegen warten meist 20 Jahre, bis sich die Spreu vom Weizen getrennt hat, bevor sie Entwicklungen nachzeichnen.