Zehn Gebote der Brights

Re: Zehn Gebote der Brights

Beitragvon PoppersFan » Mi 15. Aug 2007, 12:47

Hallo HFRudolph,

beide Links sind ausgesprochen nützlich, nochmals danke. Ich finde es allerdings schade, dass dein Ansatz in "Frei von mystischen Elementen?" sofort zu einer Diskussion über Metaphysik "verkam". Bemerkenswert an der Weltanschauung der Realisten im anderen Link erscheint mir, dass sie den "10 Angeboten" wieder stark ähnelt - wie überhaupt jedem Versuch, auf rationale Weise ein humanistisches Glaubensbekenntnis zu formulieren. Diese Ähnlichkeit sollte einem zu denken geben: Vielleicht gibt es wirklich einige Fundamentalgrundsätze, auf die sich alle denkenden Menschen guten Willens im Großen und Ganzen einigen könnten?

Dein Einwand oben hat bei mir übrigens einige Zweifel geweckt, ob ich hier richtig bin. Das Selbstbild im Untertitel des Forums: "Ein Bright ist eine Person mit einem naturalistischen Weltbild", erscheint mir bei näherem Hinsehen nämlich unbefriedigend. Der Naturalismus ist für mich persönlich zu selbstverständlich, auf moralisch-politischem Gebiet zu nichtssagend und ehrlich gesagt zu trocken: Er kann nicht allein die Probleme lösen, mit denen ich hier ins Forum gekommen bin. Vor allem scheinen viele Naturalisten mit Rücksicht auf den gleichnamigen Fehlschluss zu denken, dass ihre Weltanschauung gewissermaßen wertneutral ist, und übersehen dabei ihre grundlegende moralische Entscheidung bei der Annahme dieses Weltbilds. Was ich sagen will: Eine naturalistische Ethik mag unmöglich sein, aber es gibt eine Ethik des Naturalismus.

Auf die moralischen Aspekte der naturalistischen (oder vielleicht auch materialistischen) Weltanschauung hat übrigens Monot sehr eindringlich in Zufall und Notwendigkeit hingewiesen, siehe seine Bemerkungen zur "Ethik der Erkenntnis" im letzten(?) Kapitel.

Was ich nun befürchte ist, dass dies keine Bewegung von wahrheitsliebenden Menschenfreunden ist (wie ich dachte), sondern das ich mich hier auch mit materialistisch motivierten Wertnihilisten in einen Topf werfe, die den Menschen nur als komplexen Chemiebaukasten verstehen wollen und ethische Fragen naserümpfend in den Bereich der Mystik oder sonstigen Unsinns verweisen. Wäre so was auch bright? Naturalistisch wäre es schon...

Ich denke, ich werde diese Frage bei Gelegenheit einfach mal explizit ins Forum stellen...


PS: Um meinen Standpunkt etwas zu verdeutlichen dieses Zitat von Dir aus http://www.naturalismus.net/viewtopic.php?t=731&highlight=moral+weltanschauung, mit besonderem Hinweis auf den Nebensatz: ", die keine Realität ist.":

"Der Mensch kann im Sinne des Naturalismus erkennen, dass er ein Tier ist, ein Menschenaffe, aber er kann sich in einem Akt subjektiver Wertung und Verzerrung der Realität anders beurteilen und gefühlt anders verstehen. Er kann den freien Willen als solchen behandeln, weil er ihn so empfindet, unabhängig von naturalistischer Erkenntnis.
Insofern besteht eine Kluft zwischen der naturalistischen Realität und der gefühlten und subjektiv hochgehaltenen Realität, die keine Realität ist. Letztere wird von Religiösen gern als Glaubenswahrheit bezeichnet und dehnt sich bei diesen teilweise auch über die tatsächliche Erkenntnis der Realität hinaus aus."

Meine Antwort: Die naturalistische Realitätsannahme ist eine (metaphysische) Prämisse, ein methodologischer Grundsatz - der Glaube an eine objektiv existierende Wirklichkeit außerhalb unserer subjektiven inneren Wahrnehmungswelt. Wo entsteht aber diese Prämisse, wo wird sie geprüft und für gut befunden? In der Innenwelt, daher der "hypothetische" Realismus. Diese unmittelbar erlebte Innenwelt ist, im Gegensatz zu deiner Aussage, die wahre Realität! Alles andere sind Konstruktionen zum Zweck der Welterklärung und -bewältigung.
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Re: Zehn Gebote der Brights

Beitragvon LinuxBug » Mi 15. Aug 2007, 21:58

PoppersFan hat geschrieben:Was ich nun befürchte ist, dass dies keine Bewegung von wahrheitsliebenden Menschenfreunden ist (wie ich dachte), sondern das ich mich hier auch mit materialistisch motivierten Wertnihilisten in einen Topf werfe, die den Menschen nur als komplexen Chemiebaukasten verstehen wollen und ethische Fragen naserümpfend in den Bereich der Mystik oder sonstigen Unsinns verweisen. Wäre so was auch bright? Naturalistisch wäre es schon...

Wahrheitsliebend? ja natürlich, aber auch Zweifel an (einer absoluten) Wahrheit hat bei uns Platz.
Menschenfreund? soweit es halt notwendig ist. (Also bevor ich Naturalist war, war ich schlimmer)
Wertnihilisten? Werte sind zwar nur von uns Menschen und auch nicht unabhängig vom Zeitgeist, trotzdem ist das kein Grund sich nicht an diese zu halten.
komplexer Chemiebaukasten? Wir sind zwar komplex, aber als Chemiebaukasten würd ich uns nicht bezeichnen, eher wie Dawkins: survival machines
wie gesagt sind wir keine Wertnihilisten. Ethische Fragen müssen beantwortet werden, wenn man mit anderen Menschen in einer Gesellschaft zusammenleben will.
naturalistisch? Wieso? Wissenschaft beschreibt nur was ist, nicht aber was sein soll. Sonst würden wir einen naturalistischen Fehlschluss machen (Bsp: Tiere töten sich gegenseitig, also sollten wir das auch)
eine Ethik des Naturalismus kann halt nicht letztbegründet werden, d.h. es reicht wenn sie sich bewährt, um gültig zu sein

Meine Antwort: Die naturalistische Realitätsannahme ist eine (metaphysische) Prämisse, ein methodologischer Grundsatz - der Glaube an eine objektiv existierende Wirklichkeit außerhalb unserer subjektiven inneren Wahrnehmungswelt. Wo entsteht aber diese Prämisse, wo wird sie geprüft und für gut befunden? In der Innenwelt, daher der "hypothetische" Realismus. Diese unmittelbar erlebte Innenwelt ist, im Gegensatz zu deiner Aussage, die wahre Realität! Alles andere sind Konstruktionen zum Zweck der Welterklärung und -bewältigung.

.... ich wollte dir eigentlich antworten, aber wenn du ein Solipsist bist, kann ich mir die Mühe gleich sparen, da DU ja das einzige bist, was real existiert :^^:

Wikipedia hat geschrieben:Als Realität (lat. realitas, von res „Ding“) oder Wirklichkeit wird im allgemeinen Sprachgebrauch die Gesamtheit des Realen bezeichnet. Real ist dabei das, was auch außerhalb des Denkens existiert, d.h. unabhängig vom nur Gedacht-Sein: Inhalte von Vorstellungen, Gefühlen, Wünschen, Wahrnehmungen u.ä. gelten im Alltagsverständnis zunächst einmal als nicht der Realität zugehörig.

Deine wahre Realität trifft also nicht wirklich den Kern der Sache (fragt sich auch, woher du weißt, dass sie wahr sein soll) =)
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Beitragvon Myron » Mi 15. Aug 2007, 22:59

1von6,5Milliarden hat geschrieben:Man muss Gott für alles danken,
selbst für die Franken. :^^:


Bild
:2thumbs:
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Beitragvon [C]Arrowman » Mi 15. Aug 2007, 23:04

gibt es eigentlich menschen in Bayer die wirklich Bayern sind, ich mein es gibt Oberfranken unterfranken tiroler usw usf...
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Re: Zehn Gebote der Brights

Beitragvon Myron » Mi 15. Aug 2007, 23:10

PoppersFan hat geschrieben:Meine Antwort: Die naturalistische Realitätsannahme ist eine (metaphysische) Prämisse, ein methodologischer Grundsatz - der Glaube an eine objektiv existierende Wirklichkeit außerhalb unserer subjektiven inneren Wahrnehmungswelt.


Der objektivistische Realismus, d.i. der Standpunkt, dass es ontisch objektive, sprich physische Entitäten (also eine "Außenwelt") gibt, hat nichts spezifisch Naturalistisches an sich. Auch die supernaturalistischen Theisten sind objektivistische Realisten, weil sie die objektive Realität des physischen Universums ja in keiner Weise leugnen. Dies zu tun, hieße ja, die Schöpfung Gottes und damit den Schöpfergott zu leugnen.
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Beitragvon Myron » Mi 15. Aug 2007, 23:13

[C]Arrowman hat geschrieben:gibt es eigentlich menschen in Bayer die wirklich Bayern sind, ich mein es gibt Oberfranken unterfranken tiroler usw usf...


Ja, siehe:
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Re: Zehn Gebote der Brights

Beitragvon PoppersFan » Do 16. Aug 2007, 10:00

LinuxBug hat geschrieben:
PoppersFan hat geschrieben:Was ich nun befürchte ist, dass dies keine Bewegung von wahrheitsliebenden Menschenfreunden ist (wie ich dachte), sondern das ich mich hier auch mit materialistisch motivierten Wertnihilisten in einen Topf werfe, die den Menschen nur als komplexen Chemiebaukasten verstehen wollen und ethische Fragen naserümpfend in den Bereich der Mystik oder sonstigen Unsinns verweisen. Wäre so was auch bright? Naturalistisch wäre es schon...

Wahrheitsliebend? ja natürlich, aber auch Zweifel an (einer absoluten) Wahrheit hat bei uns Platz.
Menschenfreund? soweit es halt notwendig ist. (Also bevor ich Naturalist war, war ich schlimmer)
Wertnihilisten? Werte sind zwar nur von uns Menschen und auch nicht unabhängig vom Zeitgeist, trotzdem ist das kein Grund sich nicht an diese zu halten.
komplexer Chemiebaukasten? Wir sind zwar komplex, aber als Chemiebaukasten würd ich uns nicht bezeichnen, eher wie Dawkins: survival machines
wie gesagt sind wir keine Wertnihilisten. Ethische Fragen müssen beantwortet werden, wenn man mit anderen Menschen in einer Gesellschaft zusammenleben will.
naturalistisch? Wieso? Wissenschaft beschreibt nur was ist, nicht aber was sein soll. Sonst würden wir einen naturalistischen Fehlschluss machen (Bsp: Tiere töten sich gegenseitig, also sollten wir das auch)
eine Ethik des Naturalismus kann halt nicht letztbegründet werden, d.h. es reicht wenn sie sich bewährt, um gültig zu sein

Hoppla LinuxBug, wo habe ich denn da reingepiekt? Ich weiß nicht, ob ich hinsichtlich meiner Befürchtungen jetzt beruhigt sein kann: Mir scheint, ich habe hier das komplette Spektrum naturalistischer Ansichten zu erwarten, zu denen ich auch Materialismus und Reduktionismus zähle und von denen mir einige nun mal quer im Magen liegen. Humanismus ist wohl kein ausdrücklich erklärter Programmpunkt der Brights? Schade. Jetzt muss ich nämlich darüber nachdenken, was sich so alles für moralische Positionen mit dem Naturalismus vereinigen lassen - ich fürchte es sind viele und darunter auch sehr üble, denn über Moral sagt der Naturalismus ja nicht viel...

Übrigens finde ich den Solipsismuseinwand weiter unten irgendwie lustig. Schließlich ist hier bei mir drinnen wenigstens jemand anwesend, mit dem Du Dich unterhalten kannst, auch wenn es mich hin und wieder mal ein, zwei Gedanken kosten mag, bis ich mich von DEINER Existenz überzeugt habe. Oben meinte ich aber die Art von Naturalisten, die mir einreden wollen, ich und sie selbst auch (und Du) wären so ja gar nicht da - und ich habe nun mal keine Lust, mich mit einem Haufen Neuronen zu unterhalten, Personen sind mir deutlich lieber. Es könnte sein, das die "survival machines" von Dawkins genau mein Problem sind. Ich fürchte nämlich, dass ein Humanismus ohne die Menschen darin nicht viel Spaß macht, und für das Tier in uns gibt es ja schon die Tierschutzbewegung.

Oh, ich sehe grade, ich bin jetzt "Bright" und weiß noch gar nicht ob das stimmt (vielleicht würde "NichtSoBright" besser passen).
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Re: Zehn Gebote der Brights

Beitragvon PoppersFan » Do 16. Aug 2007, 10:55

LinuxBug hat geschrieben:Deine wahre Realität trifft also nicht wirklich den Kern der Sache (fragt sich auch, woher du weißt, dass sie wahr sein soll) =)

Verzeih, dies noch: Ich gebe Dir Recht, was den Begriffsgebrauch angeht, und verwende fortan Anführungszeichen. Also: Mit prinzipiellen Zweifeln an der "Realität" meiner Innenwelt beschäftige ich mich lieber nicht mehr so stark, denn ab einem gewissen Punkt fürchte ich immer um meine geistige Gesundheit...
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Beitragvon emporda » Do 16. Aug 2007, 11:52

Myron hat geschrieben:gibt es eigentlich menschen in Bayer die wirklich Bayern sind, ich mein es gibt Oberfranken unterfranken tiroler usw usf...

Ich hab mir sagen lassen, als sie neulich einen Preussen auf dem Viktualienmarkt gesteinigt haben, soll ein Bayer dabei gewesen sein. Der hatte so eine Art Feder am Hut und sah nicht aus wie ein Indianer.
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Beitragvon Klaus » Do 16. Aug 2007, 12:00

Also Leute b2T, auch wenn ich gesteinigte Preussen in München lustig finde.
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Re: Zehn Gebote der Brights

Beitragvon LinuxBug » Do 16. Aug 2007, 12:22

PoppersFan hat geschrieben:Mir scheint, ich habe hier das komplette Spektrum naturalistischer Ansichten zu erwarten, zu denen ich auch Materialismus und Reduktionismus zähle und von denen mir einige nun mal quer im Magen liegen. Humanismus ist wohl kein ausdrücklich erklärter Programmpunkt der Brights? Schade. Jetzt muss ich nämlich darüber nachdenken, was sich so alles für moralische Positionen mit dem Naturalismus vereinigen lassen - ich fürchte es sind viele und darunter auch sehr üble, denn über Moral sagt der Naturalismus ja nicht viel...

Ganz recht. Bright zu sein hat nichts mit einer bestimmten Richtung zu tun. Laut dieser Präsentation (und auch unseren Prinzipien) ist "Bright" bloß ein Dachbegriff für: (säkulare) Humanisten, Naturalisten, Skeptiker, Existentialisten, Rationalisten, Objektivisten, Freidenker, Materialisten, Taoisten, Logische Positivisten, Unitarier, Agnostiker, Atheisten, Igtheisten, etc..

Oben meinte ich aber die Art von Naturalisten, die mir einreden wollen, ich und sie selbst auch (und Du) wären so ja gar nicht da - und ich habe nun mal keine Lust, mich mit einem Haufen Neuronen zu unterhalten, Personen sind mir deutlich lieber.

Klar bestehst du aus einem Haufen Neuronen, Elektronen und Protonen. Deswegen aber bist du noch immer ein schmerzempfindliches & empathiefähiges Wesen. (Es tut mir leid, wenn ich nicht so rüberkomme, aber übers Internet ist das halt ein bisschen schwerer :wink: )

Es könnte sein, das die "survival machines" von Dawkins genau mein Problem sind.

Ja, wahrscheinlich. Ich weiß zwar nicht was genau dein Problem ist, aber wir werden es schon finden =)

Ich fürchte nämlich, dass ein Humanismus ohne die Menschen darin nicht viel Spaß macht, und für das Tier in uns gibt es ja schon die Tierschutzbewegung.

Bist du ein Speziist? Glaubst du, dass der Mensch von Natur aus besser als Tiere ist? Es gibt neben der Tierschutz- auch eine Tierrechtsbewegung, und deren Argumente klingen sehr überzeugend (wäre ich persönlich nicht so ein Unmensch, wäre ich glatt ein Tierrechtler :^^: )

Darf ich dich fragen, was du dir von den Brights erwartet hast? Wenn der Naturalismus eine bestimmte moralische Position vorgeben würde, könnte man ihn von einer Religion nicht mehr unterscheiden. Aber ich kann dich beruhigen, die meisten hier sind Anhänger oder stehen den Ideen des evolutionären Humanismus nahe (falls dir das was sagt). (Als ich mich hier angemeldet habe, war das noch deutlicher)

Verliert der Mensch seine "unantastbare" Menschenwürde, wenn man Naturalist ist. Ich denke schon. Ersetzt wird diese meiner Meinung nach mit einem Gefühl des Respekts für das Leben überhaupt. Daraus kann man aber noch nicht schließen wie wir zu moralischen Fragen stehen. (Wobei ich hier mit "wir" jeden einzelnen von uns meine)

Mit prinzipiellen Zweifeln an der "Realität" meiner Innenwelt beschäftige ich mich lieber nicht mehr so stark, denn ab einem gewissen Punkt fürchte ich immer um meine geistige Gesundheit...

und ich beschäftige mich nicht mehr so stark mit prinzipiellen Zweifeln an meiner "hypothetischen Realität", da ich auch um meine Gesundheit aber auch um meine Glaubwürdigkeit fürchte. Das sage ich dir, weil ich Solipsisten nicht ernst nehmen kann.
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Re: Zehn Gebote der Brights

Beitragvon PoppersFan » Do 16. Aug 2007, 14:04

LinuxBug hat geschrieben:Darf ich dich fragen, was du dir von den Brights erwartet hast? Wenn der Naturalismus eine bestimmte moralische Position vorgeben würde, könnte man ihn von einer Religion nicht mehr unterscheiden. Aber ich kann dich beruhigen, die meisten hier sind Anhänger oder stehen den Ideen des evolutionären Humanismus nahe (falls dir das was sagt). (Als ich mich hier angemeldet habe, war das noch deutlicher)

Verliert der Mensch seine "unantastbare" Menschenwürde, wenn man Naturalist ist. Ich denke schon. Ersetzt wird diese meiner Meinung nach mit einem Gefühl des Respekts für das Leben überhaupt. Daraus kann man aber noch nicht schließen wie wir zu moralischen Fragen stehen. (Wobei ich hier mit "wir" jeden einzelnen von uns meine)

Also vorweg, wenn eine große oder die Mehrzahl der Brights sich zum evolutionären Humanismus oder zu ähnlichen Ansichten bekennt kann ich damit sehr gut leben. Es erscheint mir bloß nicht zwangsläufig und geht eben aus den Bright-Prinzipien nicht explizit hervor, daher besteht für mich erstmal (und wohl auch immer wieder) Klärungsbedarf.

Was erwarte ich von den Brights? Gute Frage! Ich bin hier gelandet, weil mich gewisse Entwicklungen zutiefst beunruhigen: Der islamistische Terrorismus, die Auflösung der bürgerlichen Freiheiten angesichts dieser Bedrohung, fundamentalreligiöse Angriffe auf die Meinungsfreiheit und auf die Prinzipien säkulärer Staaten und auf das Bildungssystem, schließlich die inkompetenten Reaktionen der Kräfte, die sich all dem eigentlich entgegenstellen sollten... Also nix Neues, kennst Du sicher zur Genüge. Eigentlich möchte ich zunächst einfach mal meine Stimme abgeben zugunsten der offenen Gesellschaft (in Poppers Sinn, oder zumindest wie ich sie verstehe: Ja, mein Name ist tatsächlich Programm!). Die Anderen reißen ja auch lauthals und ungeniert das Maul auf, wenn sie nicht gleich Bomben legen.

Die Frage für mich ist aber, in welchen Kontext ich mich dabei stelle, um a) nicht im falschen Lager zu landen und b) etwas zu bewirken. Der Naturalismus allein erscheint mir tatsächlich zu dürftig. Ich glaube zwar, das er implizite moralische Voraussetzungen hat, vor allem den (kritischen) Rationalismus, die letztlich freiheitlich-humanistischen Werten sehr nahe stehen. Aber der Zusammenhang ist alles andere als offensichtlich - zumindest gibt es Naturalisten, die ihn nicht sehen oder sogar bestreiten. Wenn die Brights, als Bewegung, prinzipiell keine moralischen und politischen Positionen beziehen können, weil sie ausschließlich dem Naturalismus verpflichtet sind, dann laufe ich einerseits Gefahr, z.B. mit irgendwelchen Rassentheortikern in einem Topf zu landen (die "Rasse" ist vielleicht nur ein pseudonaturalistisches Konzept, aber das muss man ja auch erstmal wissen), und andererseits erreiche ich: was? Wenig? Ich fürchte schon.

Man kann vielleicht einwenden, der Naturalismus sei doch zumindest atheistisch. Jedenfalls habe ich den Eindruck, dass viele dies hier so sehen und darüber für sich persönlich sogar das Aktionsprogramm der Brights definieren. Ich glaube aber, dass der Naturalismus (bzw. die Naturwissenschaft) nicht einmal solche Aussagen machen kann, wenn er (sie) methodologisch korrekt bleiben will (sorry).

Noch ein Beispiel für das Problem aus Deinem Zitat oben: Der Naturalismus kann den Menschen weder seiner unantastbaren Menschenwürde berauben (die stammt nämlich woanders her), noch kann er diese durch ein Gefühl des Respekts für das Leben überhaupt ersetzten (die natürlichen Vorkommen von "Respekt" in der Erdkruste hat nämlich noch niemand geortet).

Verschärft wird die Sache dadurch, dass viele Naturalisten sich in "radikalmaterialistischen" oder "-reduktionistischen" Posen gefallen - ich will das mal so nennen. Da wird der menschliche Geist dann durch elektrochemische Reaktionen wegerklärt, menschliche Gefühle sind rein hormonelle Erscheinungen usw. Die großen Aufdecker des Aberglaubens! Für einen humanistischen Ansatz finde ich das wenig hilfreich, da braucht man Respekt und Mitgefühl auf nichtchemischer Basis, sonst wird einem das irgendwie nicht abgekauft. Ich glaube, grade viele von den Unentschlossenen kann man mit solchem Zeug gründlich verschrecken...

Soviel zu meinem Problem, aber immerhin: Ich finde es ungewöhnlich interessant hier! :up:

PS:

LinuxBug hat geschrieben:Bist du ein Speziist? Glaubst du, dass der Mensch von Natur aus besser als Tiere ist?

Weiß nicht, zumindest esse ich sie (die Tiere). Ist das "von Natur aus" 'ne Fangfrage, so als Naturalistenprüfstein? Etwas von Natur aus Gutes oder Schlechtes gibt es meiner Meinung nach nicht wirklich, siehe oben. Ich sag's mal so: Menschen liegen mir irgendwie mehr am Herzen...
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Beitragvon Klaus » Do 16. Aug 2007, 14:46

@poppersfan, die brights-Bewegung ist primär nicht politisch definiert, das ist richtig. Der Naturalismus bietet ein breites Spektrum von ethischen und moralischen, politischen und kulturellen Interpretationsmöglichkeiten. Gefährlich wird es immer dann, wenn Einzelne Dogmen entwickeln, Kritik nicht oder nur in kleinen Dosen zugelassen wird. Meinungpluralismus de facto nicht existiert. Hinzu kommt eine Kultur des Streits. Vielleicht ist gerade die politische Vielfalt bei den Brights der Garant dafür, dass Mißbrauch ausgeschlossen werden kann.
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Re: Zehn Gebote der Brights

Beitragvon Myron » Do 16. Aug 2007, 14:53

PoppersFan hat geschrieben:Man kann vielleicht einwenden, der Naturalismus sei doch zumindest atheistisch. Jedenfalls habe ich den Eindruck, dass viele dies hier so sehen und darüber für sich persönlich sogar das Aktionsprogramm der Brights definieren. Ich glaube aber, dass der Naturalismus (bzw. die Naturwissenschaft) nicht einmal solche Aussagen machen kann, wenn er (sie) methodologisch korrekt bleiben will (sorry).


Es ist üblich, u.a. zwischen dem methodologischen (MN) und dem ontologischen Naturalismus (ON) zu unterscheiden.
Der MN besteht in meinen Augen im Wesentlichen in den zwei folgenden Grundsätzen:

1) Naturalistische Erklärungen sind (wie die Wissenschaftspraxis zeigt) den supernaturalistischen überlegen und sollen deshalb diesen grundsätzlich vorgezogen werden.
2) Es soll grundsätzlich nach naturalistischen Erklärungen aller Phänomene gesucht werden, einschließlich der scheinbar übernatürlichen.

Der MN schließt einen methodologischen Atheismus ein, da Erklärungen à la "Das und das ist geschehen, weil Gott es absichtlich verursacht hat" ja supernaturalistischer Art sind.
Der MN leugnet nicht die Existenz übernatürlicher Wesen, aber er legt sich darauf fest, dass die Berufung auf ein Wirken derartiger "unheimlicher" Wesen wissenschaftlich nutzlos ist.

Der ON als der Standpunkt, dass es nichts Übernatürliches gibt, ist selbstverständlich atheistisch, weil der Glaube an Götter ja einen Glauben an übernatürliche Wesen darstellt.
Der Theismus ist also mit dem (ontologischen) Naturalismus grundsätzlich unvereinbar.
Das gilt auch für den Deismus und den Panentheismus, während man den Pantheismus trotz seines Namens gerade noch als naturalistisch durchgehen lassen kann.
(Es gibt zwar außerdem eine moderne theologische Richtung, die sich "Prozesstheismus" nennt und gerne auch unter der Bezeichnung "naturalistischer Theismus" auftritt. Doch bei näherer Betrachtung erweist sich das prozesstheistische Weltbild bestenfalls als quasi-naturalistisch.)
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Beitragvon Myron » Do 16. Aug 2007, 15:03

Klaus hat geschrieben:@poppersfan, die brights-Bewegung ist primär nicht politisch definiert, das ist richtig. Der Naturalismus bietet ein breites Spektrum von ethischen und moralischen, politischen und kulturellen Interpretationsmöglichkeiten.


Der Naturalismus ist allgemein mit einer ganzen Reihe von moralphilosophischen Richtungen vereinbar.
Was er allerdings grundsätzlich ausschließt, ist die theistische Meta-Ethik.
Das heißt, bei einem naturalistischen Weltbild kommt ein Gott als Quelle aller Moral und als oberster Richter nicht infrage.
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Re: Zehn Gebote der Brights

Beitragvon LinuxBug » Do 16. Aug 2007, 15:04

PoppersFan hat geschrieben:Die Frage für mich ist aber, in welchen Kontext ich mich dabei stelle, um a) nicht im falschen Lager zu landen und b) etwas zu bewirken.

Also im falschen Lager bist du hier als Atheist und Anhänger des kritischen Rationalismus sicher nicht :^^:
Die Frage ob wir hier auch etwas bewirken ist da schon diffiziler... wir werden sicher nicht die Welt von heute auf morgen vom Würgegriff der Religionen befreien können. Wir können aber im Popperschen Sinne, einen naturalistischen Standpunkt vertreten und uns gegen Behauptungen von Kirche & Co stellen.

Man kann vielleicht einwenden, der Naturalismus sei doch zumindest atheistisch. Jedenfalls habe ich den Eindruck, dass viele dies hier so sehen und darüber für sich persönlich sogar das Aktionsprogramm der Brights definieren. Ich glaube aber, dass der Naturalismus (bzw. die Naturwissenschaft) nicht einmal solche Aussagen machen kann, wenn er (sie) methodologisch korrekt bleiben will (sorry)

nun ja, streng genommen hast du recht (irgendwie), allerdings werden wir methodologisch nie einen Gott postulieren können. Soll heißen, auch ein methodologischer Naturalismus wird immer ohne Gott auskommen müssen.

Verschärft wird die Sache dadurch, dass viele Naturalisten sich in "radikalmaterialistischen" oder "-reduktionistischen" Posen gefallen - ich will das mal so nennen. Da wird der menschliche Geist dann durch elektrochemische Reaktionen wegerklärt, menschliche Gefühle sind rein hormonelle Erscheinungen usw. Die großen Aufdecker des Aberglaubens! Für einen humanistischen Ansatz finde ich das wenig hilfreich, da braucht man Respekt und Mitgefühl auf nichtchemischer Basis, sonst wird einem das irgendwie nicht abgekauft. Ich glaube, grade viele von den Unentschlossenen kann man mit solchem Zeug gründlich verschrecken...

Irgendwie geht es da doch um die Entzauberung der Natur. Frage: Ist ein Regenbogen nicht mehr schön, wenn ich weiß wie er zustande kommt?

Weiß nicht, zumindest esse ich sie (die Tiere).

Ich auch. :up:

Ist das "von Natur aus" 'ne Fangfrage, so als Naturalistenprüfstein?

Wahrscheinlich, meine Frage war auch nicht so ernst gemeint, wurde hier aber schon ausführlich diskutiert (meine Position hat sich schon ein bisschen geändert. bin jetzt (viel) sensibler, was so moralische Fragen angeht =))

P.S:
100% einverstanden, mit dem was Klaus gesagt hat. :up:
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Beitragvon Klaus » Do 16. Aug 2007, 15:11

@Myron, kannst du bitte mal dein schulmeistern lassen. Ich habe bewußt den methodologischen und ontologischen Naturalismus ausgeklammert. Auch brauche ich keine Hinweise über die potentielle Existenz von Gottheiten, oder wie sich Naturalismus im allgemeinen hierbei definiert. Du musst mich nicht überzeugen. :^^:
btw. zu dem Thema wäre ein ausführlicher Post auf dem Blog fällig, da könntest du deine ganze Brillianz zeigen. :gott:
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Re: Zehn Gebote der Brights

Beitragvon Schoham » Do 16. Aug 2007, 15:27

enbey hat geschrieben:mal ehrlich, findet ihr sowas auch nicht zu kitschig und lächerlich. ich meine wer braucht denn sowas? ich weiß die zehn gebote zwar nicht auswendig, finde aber sowas völlig albern.


Es gäbe vielleicht kreativere Möglichkeiten. :^^:

Wie wäre es mit:

Ein Ratschlag zur Veränderung meiner Umwelt.
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Beitragvon Kival » Do 16. Aug 2007, 16:18

@Poppersfan

Die Menschenwürde ist ein Konstrukt, dass wir Menschen zuweisen können. Es gibt keine Menschenwürde für einen Naturalisten. Für einen kritischen Rationalisten übrigens auch nicht. Ein solches Dogma wäre mit dem KR nicht vereinbar.
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Beitragvon Klaus » Do 16. Aug 2007, 16:34

gut gesagt Kival :up:
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