Über uns Brights

Über uns Brights

Beitragvon Myron » Do 4. Okt 2007, 01:34

Reinhard Heil über uns Brights:

http://www.sicetnon.org/modules.php?op= ... age_id=504

"In Amerika hat sich im Laufe der letzten Jahre eine Bewegung konstituiert, die versucht ein Gegengewicht zu der unter der Bush-Administration weiter erstarkten christlichen Rechten zu bilden: Die Brights. Der weltanschauliche Hintergrund weiter Teile der US-Bevölkerung – vor allem im so genannten Bible-Belt– lässt sich nur schwer mit der Situation in Europa, besonders Deutschlands, vergleichen. In Deutschland sind zwar noch knapp zwei Drittel der Bevölkerung in einem Kirchenregister eingetragen, aber im öffentlichen Leben hat die Religion weitaus weniger Relevanz als in den Vereinigten Staaten.

Papst Benedict XVI hat jedoch zu einer Remissionierung Europas aufgerufen und Umfragen zeigen immer häufiger, dass auch in der deutschen Bevölkerung die Sehnsucht nach einfachen Antworten auf die gewaltigen gesellschaftlichen Probleme des 21. Jahrhunderts durchaus vorhanden ist, ja sogar zunimmt. Konnte man über lange Zeit glauben, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis die institutionellen Großkirchen abgewickelt sind, haben sie sich als widerstandsfähiger erwiesen als erwartet.

In den USA ist die Säkularisierung der Gesellschaft niemals so weit fortgeschritten gewesen wie in Europa und die Ideale der Aufklärung geraten in einem zunehmend anti-szientifisch eingestellten gesellschaftlichen Umfeld unter Druck.

Die Gründer der Brights, Mynga Futrell und Paul Geisert, geben folgende Definition des Begriffs:

„Brights are individuals in an international Internet constituency who assert that they hold 'a naturalistic worldview – free of supernatural and mystical elements.' Slightly extending the portrayal of shared identity is this further declaration by Brights: The ethics and actions of a bright are based o­n a naturalistic worldview.“ (Who Are the Brights?)

Das Zentrum der Bewegung ist das Brights-Network [www.the-brights.net] welches drei Hauptaufgaben besitzt: Erstens, dafür zu sorgen, dass die naturalistische Weltsicht in der Bevölkerung wahrgenommen und verstanden wird, zweitens, öffentliche Aufmerksamkeit dafür zu erlangen, dass Menschen mit einer naturalistischen Weltsicht prinzipientreu (moralisch) im Hinblick auf gesellschaftlich relevante Sachverhalte handeln und drittens, die Gesellschaft dahingehend zu belehren, dass sie anerkennt, dass Brights genauso und im gleichen Umfang an der Zivilgesellschaft partizipieren wie alle anderen auch.

Bereits anhand dieser Kerndefinitionen wird klar, dass die Brights nicht gegründet wurden, um für mehr Forschungsgelder oder ähnliches zu werben, sondern in Reaktion auf die gesellschaftliche Entwicklung entstanden sind. In den christlich orientierten Kreisen der USA ist die Aussage „Er ist ein Atheist“ gleichbedeutend mit „Er ist ein prinzipien- und verantwortungsloser Schurke“. Sich als Atheist zu erkennen zu geben kann zu schweren sozialen Benachteiligungen führen.

Bei den Brights handelt es sich jedoch nicht einfach um eine weitere atheistische oder freidenkerische Bewegung, die sich in Absetzung von bestehenden religiösen Bewegungen definiert, sondern sie möchten eine Sammelbewegung sein, die sich einzig und allein über den Umstand definiert, dass die Mitglieder eine naturalistische Weltsicht vertreten. Der Bewegung geht es dabei nicht darum, dass alle Mitglieder die gleiche Vorstellung davon entwickeln, was ein naturalistisches Weltbild genau ausmacht, sondern, dass sie ein solches vertreten.

„As common endeavor, what Brights' enterprise proclaims is the legitimacy and worth of the naturalistic worldview and, especially, the right of persons to hold such a stance and be fully accepted and participating citizens of society.“ (Who are the Brights)

Die Vorstellung, dass Menschen ihres Nichtglaubens wegen gesellschaftlich benachteiligt werden, klingt wie eine Schauermär aus dem finstersten Mittelalter, entspricht aber wohl durchaus der gesellschaftlichen Realität in den USA. Mynga Futrell und Paul Geisert fordern die Anhänger einer naturalistischen Weltsicht auf aus den Schatten zu treten, mit eigener Stimme zu sprechen und ihre Sicht zu vertreten.

Wie wichtig dies ist, lässt sich an der Intelligent Design Bewegung verdeutlichen. Der Anspruch der Evolutionsgegner ist es nämlich nicht, wie man vermuten könnte, ihren Glauben als Glauben zu verteidigen, sondern sie streiten für die Anerkennung des Intelligent Designs als Wissenschaft. Das ist ein Unterschied ums Ganze. Sie kämpfen also nicht dafür, dass es legitim ist, einer supernaturalistischen Weltsicht anzuhängen, sondern darum, dass diese Weltsicht eine wissenschaftliche ist, dass sie den Ansprüchen der Naturwissenschaft gerecht wird. Das ist der Grund dafür, dass die Vertreter des Intelligent Designs sich eben gerade nicht als Kreationisten(die sie nun mal sind) bezeichnen. Es geht ihnen darum, durchzusetzen – und sie machen dabei grosse Fortschritte – dass die „Theorie“ des Intelligent Designs als gleichberechtigte wissenschaftliche Theorie neben – oder gar anstatt – der Evolutionstheorieim Biologieunterricht gelehrt wird. Eine aktuelle Gallup-Umfragemacht den Minderheitenstatus der Brights deutlich: lediglich 12 Prozent der befragten Amerikaner gehen davon aus, dass die Evolution ohne Einwirkung eines höheren Wesen stattfindet, ganze 53 Prozent glauben, dass der Mensch in seiner heutigen Form von Gott geschaffen wurde, 31 Prozent gehen immerhin davon aus, dass der Mensch zwar einer Entwicklung unterworfen ist, diese aber von Gott gelenkt wird. Weiter verdüstert sich dieses Bild, wenn man berücksichtigt, dass selbst 25 Prozent der amerikanischen Hochschulabsolventen Kreationisten sind. Auch in Deutschland scheinen wir nicht mehr weit von amerikanischen Verhältnissen entfernt zu sein: 25 Prozent der Deutschen stimmen dem Intelligent Design zu. (Vgl. hierzu: Florian Rötzer, Ungeliebte Evolutionstheorie, in: Telepolis)

Die Brights verstehen sich nicht als eine anti-religiöse Bewegung, ihr Ziel ist vielmehr „civic fairness for all“. Auch betrachten sie religiöse Weltanschauungen – den neun Prinzipien der Brights zu Folge – nicht für minderwertig. „This movement unequivocally rebuffs not o­nly verbal comparisons that cast Brights as lesser cititzens then the religious, but also those that cast the religious as lesser citizens than the Brights.“ (The Brights' Principles)

Das – neugebildete – Substantiv „Bright“ (abgeleitet von bright: hell, leuchtend, strahlend, heiter, aber auch: intelligent, schlau) fasst laut Futrell und Geisert den positiven Charakter der Bewegung besser als Begriffe wie „unbelievers“, „nonbelievers“ oder ebenso stigmatisierte Adjektive wie „godless“ oder „faithless“. Die Anhänger der Bewegung sollten es vermeiden, das Substantiv „Bright“ zur Eigenattributierung wieder als Adjektiv zu verwenden. „We are the Brights“ nicht „I am bright“. Nicht Überlegenheit soll propagiert werden, sondern der Anspruch auf gleichberechtigte Vertretung und Wahrnehmung derjenigen Menschen, die einer naturalistischen Weltsicht anhängen. Durch den Einsatz von Richard Dawkin und Daniel Dennet gelang es der Bewegung mediale Aufmerksamkeit zu erreichen und zu einem beeindruckenden Sammelbecken zu werden.

„Besides those who self-identify as atheists, humanists, secular humanists, freethinkers, rationalists, naturalists, agnostics, skeptics, and such, the network includes Ethical Culturalists, Pantheists, Buddhists, Yogis, Unitarians, ex-Mormons and ex-Pentecostals (and other sorts of 'ex-es'), and a gamut of folks (Jews, Catholics, Quakers, Episcopalians) who maintain their religion's cultural aspects but not its supernaturalism, even clergy in and out of practice.“ (Who are the brights?)

Die Brights bezeichnen ihre eigene Weltsicht zwar als solche (a supernatural-free worldview), möchten diese aber nicht als Ideologie verstanden haben:

„A supernatural-free worldview is not an ideology. There is no creed or dogma to which o­ne can point to reveal (or list out) the philosophical 'beliefs of Brights.' Nor is 'Brightdom' ruled by a hierarchy of shamans or clergy or organized in hierarchical fashion with those who would reveal 'Truth' to the disciples and communicate the essence of it to laity or others. Brights are not followers or disciples; nor are they students of a describable way of thinking or set of values.“ (FAQ)

Den Brights geht es um Anerkennung ihrer eigenen Position und nicht darum, andere Menschen zu ihrer Weltsicht zu bekehren. Es geht schlicht darum, dass Menschen, in deren Weltbild übernatürliche Phänomene keinen Platz haben, genauso verantwortungsbewusst und moralisch leben und handeln wie Gläubige.

Die Stärke der Bewegung sehen Futrell und Geisert in ihrer Einfachheit: Die Webseite der Bewegung ist quasi die Bewegung selbst, auf ihr finden sich einführende Texte, die Frequently asked Questions, die Prinzipien der Brights und das Forum.

Die Brights definieren sich also selbst als eine Bewegung, die niemandem etwas zu leide tun möchte, andere Geisteshaltungen nicht abwertet und um ihre gesellschaftliche Anerkennung in einem durch religiöse Vorstellungen geprägten Umfeld kämpft.

Natürlich hat der Begriff „Brights“ auch Kritik provoziert, da es sich direkt aufdrängt, ihn, im Gegensatz zu den Prinzipien der Brights, eben doch als Auszeichnung zu lesen. Jeder der nicht „bright“ (schlau, hell) ist, ist dann eben dumm und unaufgeklärt. Die semantische Nähe zur Aufklärung („Enlightment“) ist durchaus gewollt und ruft automatisch ihr Gegenbild, den stumpfsinnig in religiösen Phantastereien gefangenen Ewiggestrigen, auf. Daniell Dennet bezeichnete die Brights in der New York Times als das moralische Rückgrat der Nation, da sie nicht daran glauben, dass Gott den Menschen schon vor Dummheiten schützen wird. „We are, in fact, the moral backbone of the nation: brights take their civic duties seriously precisely because they don't trust God to save humanity from its follies.“ (The Bright Stuff)

Mag man auch eine genauere Bestimmung dessen, was ein „naturalistisches Weltbild“ sei, vermissen und sich die Frage stellen, ob eine Bewegung, die niemanden wehtun möchte, nicht schlicht zahn- und wirkungslos bleiben muss, so sind die Brights doch ein Lichtstrahl in der Finsternis, die die Dunkelmänner des Intelligent Designs, der christlichen Rechten und radikale Fernsehprediger um sich verbreiten. Leider sind die Brights aber trotz allem eine eher akademische Bewegung, der es – im Gegensatz zu ihren Gegner – schwer fallen dürfte, der breiten, von den geo- und biopolitischen Veränderungen des 20. und 21. Jahrhunderts berechtigt verunsicherten Masse (und nicht nur dieser) ein Orientierung vermittelndes Weltbild anzubieten. Zugegeben, die Brights sehen darin nicht unbedingt ihre Aufgabe, sondern es ist ihnen viel wichtiger, diejenigen zu erreichen und zu organisieren, in deren Weltbild für das Übernatürliche kein Platz ist und ihnen moralischen Rückhalt zugeben."


Der Autor:
Reinhard Heil, M.A., Mitglied des Graduiertenkollegs „Technisierung und Gesellschaft“ der TU Darmstadt. Forschungsschwerpunkte: zeitgenössische politische Theorie, französische Gegenwartsphilosophie, Laibacher Lacan Schule (vor allem Salvoj Zizek), Sozial- und Technikphilosophie, Transhumanismus und Cyber-/Cyborgfeminismus. Promotionsprojekt: Der Transhumanismus.
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Re: Über uns Brights

Beitragvon Myron » Do 4. Okt 2007, 01:55

"A supernatural-free worldview is not an ideology. There is no creed or dogma to which o­ne can point to reveal (or list out) the philosophical 'beliefs of Brights.' Nor is 'Brightdom' ruled by a hierarchy of shamans or clergy or organized in hierarchical fashion with those who would reveal 'Truth' to the disciples and communicate the essence of it to laity or others. Brights are not followers or disciples; nor are they students of a describable way of thinking or set of values." (FAQ)

Hier werden die Brights als "Nichtsglauber" ohne jegliches Bekenntnis zu irgendeiner "beschreibbaren Denkweise" ("describable way of thinking") dargestellt.
Aber das ist doch nicht wahr; denn wer an eine Welt glaubt, die frei von übernatürlichen Dingen oder Ereignissen ist, der hat einen philosophischen Glauben, ein "Credo".
Warum sollte ich als Naturalist leugnen, dass auch ich einen Glauben habe?!
Einen Glauben haben heißt ja nicht, dass es keine objektiv rechtfertigenden Gründe dafür gibt!

"Die Brights definieren sich also selbst als eine Bewegung, die niemandem etwas zu leide tun möchte, andere Geisteshaltungen nicht abwertet und um ihre gesellschaftliche Anerkennung in einem durch religiöse Vorstellungen geprägten Umfeld kämpft."

Ich muss gestehen, dass es mir um mehr geht, und dass ich kein supertoleranter Bright bin, der grundsätzlich nach dem Motto verfährt "Ich bin total o.k. und du bist auch total o.k."
Ich würde lügen, wenn ich sagte, dass ich meine naturalistische/atheistische Weltsicht und die supernaturalistische/theistische Weltsicht für gleichwertig erachte.
Selbstverständlich respektiere ich alle (friedfertigen) Religiösen als Menschen, aber ihren religiösen Glauben respektiere ich nicht; und ich denke auch nicht, dass ich dazu moralisch verpflichtet bin.
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Re: Über uns Brights

Beitragvon Sisyphos » Do 4. Okt 2007, 08:27

Myron hat geschrieben:Ich würde lügen, wenn ich sagte, dass ich meine naturalistische/atheistische Weltsicht und die supernaturalistische/theistische Weltsicht für gleichwertig erachte.
Selbstverständlich respektiere ich alle (friedfertigen) Religiösen als Menschen, aber ihren religiösen Glauben respektiere ich nicht; und ich denke auch nicht, dass ich dazu moralisch verpflichtet bin.



Genauso wie ich nicht als "gottlos" verspottet werden möchte, halte ich es für klug, andere wegen ihrer Gottgläubigkeit zu verspotten. Wir können den Gottesglauben und die Genese von Religionen wissenschaftlich erklären. Den religiösen Glauben anderer respektiere ich genauso wie deren Sprache, Herkunft oder sexuelle Ausrichtung. Das heißt aber nicht, dass ich die aus diesem Glauben abgeleiteten moralischen Vorstellungen respektiere, wenn ich sie für ethisch gefährlich oder bedenklich halte. Ich respektiere auch nicht das Sendungsbewusstsein und den Alleinvertretungsanspruch religiöser Gemeinschaften. Wo immer Religiösität über das Private hinaus ins Öffentliche getragen wird, ist sie der Kritik ausgesetzt. Die Weltsichten sind gleichwertig, um die Ethiken wird gestritten.
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Re: Über uns Brights

Beitragvon Myron » Do 4. Okt 2007, 15:14

Sisyphos hat geschrieben:Genauso wie ich nicht als "gottlos" verspottet werden möchte, halte ich es für klug, andere wegen ihrer Gottgläubigkeit zu verspotten.


Nichtachtung oder gar Verachtung eines religiösen Glaubens ist nicht gleich Verachtung oder Verspottung von Gläubigen als Menschen.
Wenn die sich wegen meiner Nichtachtung ihres Glaubens persönlich beleidigt fühlen, dann ist das ihr Problem. Sie achten meinen atheistischen Glauben ja genauso wenig, und damit muss ich auch leben.

Sisyphos hat geschrieben:Wir können den Gottesglauben und die Genese von Religionen wissenschaftlich erklären.


Mag sein, doch das beantwortet nicht die Wahrheitsfrage.

Sisyphos hat geschrieben:Den religiösen Glauben anderer respektiere ich genauso wie deren Sprache, Herkunft oder sexuelle Ausrichtung.


Dein Vergleich ist schief.
Ich kann doch nicht respektieren, was ich für falsch (und schädlich) halte.
Beachte: Respektlosigkeit ist nicht gleich Intoleranz!
Praktisch bin ich gegenüber den Religiösen weitgehend tolerant.
(Ich nehme das sonntägliche Glockengeläute hin, lauere keinen Gottesdienstbesuchern mit dem Baseballschläger auf, und will auch nicht die Religionsfreiheit abschaffen.)

Sisyphos hat geschrieben: (...) Die Weltsichten sind gleichwertig, um die Ethiken wird gestritten.


Die atheistisch-naturalistische Weltsicht und die theistisch-supernaturalistische sind unvereinbar.
Wie könnte ich derjenigen Weltsicht, die ich für falsch erachte, den gleichen Wert beimessen, wie derjenigen, die ich für wahr erachte?!

Niemand ist verpflichtet, einen Glauben um des reinen Glaubens willen zu respektieren!
Dass ich ein Religionsverächter bin, macht mich noch lange nicht zum Menschenverächter!
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Re: Über uns Brights

Beitragvon Andreas Müller » Do 4. Okt 2007, 15:32

Mir fällt aber doch mal auf, dass du auf einmal weniger radikal bist, Sisyphos. Früher habe ich dich sogar mal zurückgepfiffen und auf einmal forderst du Respekt für irrationalen Glauben. Was ist denn los?
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Re: Über uns Brights

Beitragvon Myron » Do 4. Okt 2007, 15:53

Andreas Müller hat geschrieben:Mir fällt aber doch mal auf, dass du auf einmal weniger radikal bist, Sisyphos. Früher habe ich dich sogar mal zurückgepfiffen und auf einmal forderst du Respekt für irrationalen Glauben. Was ist denn los?


Altersmilde? ;-)
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Re: Über uns Brights

Beitragvon Sisyphos » Do 4. Okt 2007, 16:09

Myron hat geschrieben:Wie könnte ich derjenigen Weltsicht, die ich für falsch erachte, den gleichen Wert beimessen, wie derjenigen, die ich für wahr erachte?!


Weil es um Gleichwertigkeit geht, nicht um Wahrheit.

Myron hat geschrieben:Niemand ist verpflichtet, einen Glauben um des reinen Glaubens willen zu respektieren!


Nein, eine Verpflichtung gibt es natürlich nicht. Das muss wohl jeder selbst wissen. Ich halte die Glaubensinhalte eines Gläubigen auch für falsch, respektiere aber dennoch, dass das Gläubige glaubt. Im Gegenzug respektiert mein gläubiger Gesprächspartner auch meinen Naturalismus, obwohl er ihn für falsch hält. Auf dieser Grundlage kann ich mit Gläubigen gut diskutieren. Man wird weniger schnell persönlich oder emotional.

Myron hat geschrieben:Dass ich ein Religionsverächter bin, macht mich noch lange nicht zum Menschenverächter!


Das ist natürlich klar. =)
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Re: Über uns Brights

Beitragvon Sisyphos » Do 4. Okt 2007, 16:15

Andreas Müller hat geschrieben:Mir fällt aber doch mal auf, dass du auf einmal weniger radikal bist, Sisyphos. Früher habe ich dich sogar mal zurückgepfiffen und auf einmal forderst du Respekt für irrationalen Glauben. Was ist denn los?


Erfahrungen, Lernprozesse... :mg:

Respekt meine ich natürlich nicht in dem Sinne, dass ich mich vor dem Glauben verneige. :lachtot: Es geht um das respektvolle, freundliche Auftreten gegenüber Gläubigen - gerade weil sich Mensch und Weltbild so schwer getrennt betrachten lassen.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich so auch Respekt für den Naturalismus ernten kann. Und das ist schließlich mein Ziel.
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Re: Über uns Brights

Beitragvon Andreas Müller » Do 4. Okt 2007, 16:15

Weil es um Gleichwertigkeit geht, nicht um Wahrheit.


Eine falsche und eine richtige Behauptung sind doch aber nicht gleichwertig! Vor allem ist es nicht gleichwertig, wenn jemand unendlich viel Aufwand in die Erkundung der Natur steckt oder einfach etwas glaubt, was in einer jahrtausendealten Mythensammlung steht!

Man wird weniger schnell persönlich oder emotional.


Das werde ich auch nicht in meinen persönlichen Diskussionen mit Gläubigen. Aber nicht, weil ich ihren Glauben respektiere, sondern weil ich sie als menschliche Wesen respektiere. Das ist einfach zivilisiertes Verhalten.
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Re: Über uns Brights

Beitragvon Myron » Do 4. Okt 2007, 16:26

Sisyphos hat geschrieben:Weil es um Gleichwertigkeit geht, nicht um Wahrheit.


Wodurch wird denn die Wertigkeit einer Theorie vorrangig bestimmt?
Doch wohl durch deren Wahrheitsgehalt.

Myron hat geschrieben:Ich halte die Glaubensinhalte eines Gläubigen auch für falsch, respektiere aber dennoch, dass das Gläubige glaubt. Im Gegenzug respektiert mein gläubiger Gesprächspartner auch meinen Naturalismus, obwohl er ihn für falsch hält. Auf dieser Grundlage kann ich mit Gläubigen gut diskutieren. Man wird weniger schnell persönlich oder emotional.


Der menschliche Respekt, den ich meinen religiösen Diskussionspartnern natürlich entgegenbringe, bedeutet keinen Respekt dem religiösen Diskussionsgegenstand gegenüber.

Was ich für falsch oder verwerflich halte, kann ich doch nicht zugleich achten, d.h. hochschätzen/wertschätzen, oder?!
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Re: Über uns Brights

Beitragvon Sisyphos » Do 4. Okt 2007, 16:36

Gläubige identifizieren sich häufig sehr stark mit ihrem Weltbild, so dass sie die Kritik am Glauben schnell persönlich nehmen. Ihr wisst alle, wie schnell "religiöse Gefühle" verletzt werden. Ich habe diese Reaktion lange Zeit für eine Farce gehalten. Aber es ist eine echte emotionale Reaktion. Die Beleidigung geht ins Mark. Ich habe das auch bei Jugendlichen erlebt.

Wenn ich mit Gläubigen ein offenes Gespräch über Religion bzw. Naturalismus führen will, das nicht gleich in eine Konfrontation mündet, muss ich schon etwas mehr als nur den Menschen respektieren. Was sich für uns analytisch trennen lässt (Persönlichkeit und Glaube), gehört für Gläubige oft untrennbar zusammen. Der Glaube ist integraler Bestandteil ihrer Persönlichkeit.

Wenn ich den Glauben meines Gegenübers nicht ernst nehme, wie will ich dann erreichen, dass er mein Weltbild ernstnimmt?
Zuletzt geändert von Sisyphos am Do 4. Okt 2007, 16:46, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Über uns Brights

Beitragvon Sisyphos » Do 4. Okt 2007, 16:38

Myron hat geschrieben:Wodurch wird denn die Wertigkeit einer Theorie vorrangig bestimmt?
Doch wohl durch deren Wahrheitsgehalt.


Ich stimme dir natürlich zu. Glaube ist jedoch nicht nur Welterklärungstheorie, sondern auch Persönlichkeitsmerkmal.
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Re: Über uns Brights

Beitragvon Andreas Müller » Do 4. Okt 2007, 16:40

Ernstnehmen und für gut erachten und respektieren sind nicht identisch.

Meiner Erfahrung nach ist es einfach egal, wie man "religiöse Gefühle" behandelt, wie man die Religion kritisiert, Gläubige sind immer beleidigt. Das ist einfach kindisch.Wenn mir jemand sagt, dass meine politischen Ansichten lächerlich sind, dann bin ich auch nicht beleidigt, sondern möchte erst einmal wissen, warum.
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Re: Über uns Brights

Beitragvon Sisyphos » Do 4. Okt 2007, 16:44

Andreas, was ist dein Ziel? Willst du primär den Glauben kritisieren oder willst du Anerkennung und Gleichberechtigung für den Naturalismus erreichen?
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Re: Über uns Brights

Beitragvon Andreas Müller » Do 4. Okt 2007, 16:55

Ich will ein Ende des irrationalen Glaubens erreichen, egal ob religiös, politisch, esoterisch. An die Stelle setze ich kritisches Denken. Das ist mein WELTANSCHAULICHES Ziel.

Anerkennung und Gleichberechtigung des Naturalismus sind meine POLITISCHEN Forderungen.
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Re: Über uns Brights

Beitragvon Myron » Do 4. Okt 2007, 17:28

Sisyphos hat geschrieben: Es geht um das respektvolle, freundliche Auftreten gegenüber Gläubigen - gerade weil sich Mensch und Weltbild so schwer getrennt betrachten lassen.


Den Unterschied zwischen Glaube und Mensch zu wahren, ist aber enorm wichtig.
Denn sonst ist Glaubensverachtung per se Menschenverachtung, die immer wieder zu Massenmorden führt.

Popper:

"Vom biologischen Standpunkt aus ist der Friede zwischen den Menschen keine Utopie. Im Prinzip können wir unsere Theorien töten und überleben, indem wir neue aufstellen. Biologisch gesprochen ist das die Konsequenz der Existenz von Sprache, die uns die Objektivierung erlaubt. Wir können die Theorien an unserer Stelle sterben lassen. Wir können sie eliminieren, ohne jemanden zu verletzten, es sei denn in seinen Stolz."
(http://www.astro.uni-bonn.de/~willerd/popper.html)

Genau, der falsche Glaube soll sterben, nicht die Menschen!
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Re: Über uns Brights

Beitragvon Myron » Do 4. Okt 2007, 17:30

Andreas Müller hat geschrieben:Anerkennung und Gleichberechtigung des Naturalismus sind meine POLITISCHEN Forderungen.


Meine primäre politische Forderung ist die Abschaffung des missionarischen Religionsunterrichts an den öffentlichen Schulen sowie die Aufkündigung aller Staat-Kirche-Verträge.
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Re: Über uns Brights

Beitragvon Sisyphos » Do 4. Okt 2007, 18:28

Andreas Müller hat geschrieben:Ich will ein Ende des irrationalen Glaubens erreichen, egal ob religiös, politisch, esoterisch. An die Stelle setze ich kritisches Denken. Das ist mein WELTANSCHAULICHES Ziel.

Anerkennung und Gleichberechtigung des Naturalismus sind meine POLITISCHEN Forderungen.



Gut. Deine politischen Forderungen teile ich. Das ist auch realistisch.

Dein weltanschauliches Ziel teile ich nicht. Ein Ende des Glaubens erreichen zu wollen, ist sinnlos. Solange es Menschen gibt, wird es Menschen geben, die glauben, weil die psychischen Dispositionen und äußeren Umstände, die zum Glauben führen, sich nicht ausradieren lassen. Solange ein Mensch der glaubt, mit seinem Glauben niemandem schadet, und für sich einen subjektiven Vorteil daraus zieht, ist das für mich kein Problem.

Wer an Horoskope glaubt und sein Leben danach ausrichtet, verhält sich zwar irrational, schadet aber zunächst niemandem. Wer an Götter glaubt und sein Leben danach ausrichtet, verhält sich zwar irrational, schadet aber zunächst niemandem. Die Gedanken und der Glauben sind frei. Für mich beginnt das Problem erst dort, wo Dritte betroffen sind: Betrug, Indoktrination, Exorzismus, verpflichtende Schulgottesdienste etc. Die Liste ist lang und wir hätten viele gemeinsame Ziele.

Aber die Anerkennung und Gleichberechtigung des Naturalismus ist das Ziel, das wir vorrangig anstreben sollten.
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Re: Über uns Brights

Beitragvon Andreas Müller » Do 4. Okt 2007, 20:16

Der religiöse Glaube, sofern man nicht von Pantheismus oder Deismus redet, ist immer mit moralischen Forderungen verbunden. Es ist eine Illusion zu sagen, Glaube sei Privatsache. Glaube ist per definitionem keine Privatsache, sondern Bevormundung.

Außerdem machst du Fehler, die hier schon gekontert wurden:

http://hpd-online.de/node/2871

Unter dem Strich kann Dawkins einfach nicht die Möglichkeit in Erwägung ziehen, dass der Faschismus ein tiefsitzendes Bedürfnis im Menschen befriedigt. Aber die Belege für diese These sind sehr stark. Andernfalls hätte der Faschismus niemals so populär sein können, wie er es so lange Zeit war.
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Re: Über uns Brights

Beitragvon ostfriese » Do 4. Okt 2007, 21:42

Freud hat ja nicht umsonst die drei Kränkungen der Menschheit durch Kopernikus, Darwin und seine Wenigkeit als solche beschrieben. Wahrheit kann kränkend sein, kollektiv ebenso wie individuell. Hier gilt es zu prüfen, ob das durch diese Kränkung ausgelöste Leid nicht durch einen großen Gewinn überwogen wird.

Und daran habe ich im Falle der naturalistischen und humanistischen Religionskritik keine Zweifel. Die anti-säkulare Rolle rückwärts in den USA geht einher mit zivilisatorischen Rückschritten (bis hin zum Neo-Kolonialismus), während der nord- und kerneuropäische Säkularismus uns in Richtung Verwirklichung humanistischer Werte eindeutig voran gebracht hat.
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