Leidenschaftliches Motto

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Beitragvon Myron » Do 26. Jul 2007, 15:11

Es gibt im Schlusskapitel von Paul Holbachs "System der Natur" (1770), der klassischen "Bibel" des Materialismus und Naturalismus, eine wunderbare Äußerung, die als idealistisches Motto der Brights perfekt auf die Homepage passen würde:

"O Natur, Beherrscherin aller Dinge, und Ihr, deren angebetete Töchter: Tugend, Vernunft, Wahrheit! seid auf ewig unsere einzigen Gottheiten; Ihr seid es, denen der Weihrauch und die Huldigungen der Erde gebühren."

(d'Holbach, Paul Thiry. System der Natur. 1770. Übers. F.-G. Voigt. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1978. S. 611)

Was haltet Ihr davon?
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Beitragvon Sisyphos » Do 26. Jul 2007, 15:18

Eher ungünstig. In Diskussionen erwehren wir uns immer wieder der Unterstellung, wir würden unser Weltbild mit religiöser Inbrunst vertreten, bzw. die Rationalität gottgleich verehren. So ein Motto wäre nur Wasser auf die Mühlen. Außerdem ist der Begriff der Tugend (was ist das eigentlich?) nicht mehr sehr zeitgemäß.
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Beitragvon Falk » Do 26. Jul 2007, 15:28

Vor allem können auch die Supers "Tugend, Vernunft, Wahrheit" problemlos für sich reklamieren.

Sicher schön poetisch gesprochen, aber mE völlig unpassend. Ich kann mich damit nicht identifizieren.
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Beitragvon Klaus » Do 26. Jul 2007, 15:28

altes Zeug, verquaste Sprache, Weihrauch wird auch nicht mehr gebraucht, die Menschen duschen und die Kirchen stinken dann bei den Gottesdiensten nicht so.
Also serious, halte ich für nicht zeitgemäß. :^^:
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Beitragvon Myron » Do 26. Jul 2007, 15:29

Sisyphos hat geschrieben:Eher ungünstig. In Diskussionen erwehren wir uns immer wieder der Unterstellung, wir würden unser Weltbild mit religiöser Inbrunst vertreten, bzw. die Rationalität gottgleich verehren. So ein Motto wäre nur Wasser auf die Mühlen. Außerdem ist der Begriff der Tugend (was ist das eigentlich?) nicht mehr sehr zeitgemäß.


Zugegeben, die Äußerung ist pathetisch, aber irgendwie geht's doch auch ums Gefühl, um die Leidenschaft, ein Naturalist zu sein, oder nicht?
Komisch, im englischsprachigen Brights-Forum wirft man mir vor, ich hätte keinen Sinn für eine naturalistische "Religiosität" oder "Spiritualität".
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Beitragvon Kival » Do 26. Jul 2007, 15:34

Die deutschen sind halt schröckliche Rationalisten. =)
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Beitragvon Myron » Do 26. Jul 2007, 15:35

Klaus hat geschrieben:altes Zeug, verquaste Sprache, Weihrauch wird auch nicht mehr gebraucht, die Menschen duschen und die Kirchen stinken dann bei den Gottesdiensten nicht so.
Also serious, halte ich für nicht zeitgemäß. :^^:


Tut mir leid, dass im 18. Jahrhundert der SMS-Jargon noch nicht gang und gäbe war.
Und was soll daran inhaltlich nicht mehr zeitgemäß sein.
Der Naturalismus, den Holbach im 18. Jh. mit großer Eloquenz propagiert hat, ist kein anderer als der, den wir Brights im 21. Jh. vertreten.
Und wieso sollten wir keinen Sinn für die historische Tradition des Naturalismus entwickeln?
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Beitragvon Myron » Do 26. Jul 2007, 15:37

Kival hat geschrieben:Die deutschen sind halt schröckliche Rationalisten. =)


Die Äußerung Holbachs ist alles andere als unemotional.
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Beitragvon Myron » Do 26. Jul 2007, 15:41

Kival hat geschrieben:Die deutschen sind halt schröckliche Rationalisten. =)


Und obwohl Holbach ursprünglich aus Deutschland stammte, war sein Kopf ganz vom besonderen französischen Esprit erfüllt.
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Beitragvon Sisyphos » Do 26. Jul 2007, 15:43

Myron hat geschrieben:
Kival hat geschrieben:Die deutschen sind halt schröckliche Rationalisten. =)


Und obwohl Holbach ursprünglich aus Deutschland stammte, war sein Kopf ganz vom besonderen französischen Esprit erfüllt.


Vielleicht auch vom besonderen französischen Wein. :mg:
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Beitragvon Myron » Do 26. Jul 2007, 15:45

Falk hat geschrieben:Vor allem können auch die Supers "Tugend, Vernunft, Wahrheit" problemlos für sich reklamieren.

Sicher schön poetisch gesprochen, aber mE völlig unpassend. Ich kann mich damit nicht identifizieren.


Dass Holbachs Äußerung die richtige für die Homepage ist, mag man bezweifeln; aber ich verstehe nicht, wieso Du als Bright sagst, Du könnest Dich mit der Äußerung an sich nicht identifizieren.
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Beitragvon Sisyphos » Do 26. Jul 2007, 15:48

Wir beten die Vernunft nicht an. Wir gebrauchen sie.
Wir beten keine Tugenden an. Wir einigen uns auf Werte.
Wir beten keine vermeintlichen Wahrheiten an. Wir stehen zu dem, was wir vorläufig für wahr halten, zweifeln aber auch.

Und wir benötigen keine religiösen Floskeln, um ein nicht-religiöses Weltbild zu beschreiben.
Zuletzt geändert von Sisyphos am Do 26. Jul 2007, 15:50, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitragvon LinuxBug » Do 26. Jul 2007, 15:49

Wir sind halt Atheisten, einfach ein neues Objekt anzubeten ist halt nicht wirklich das was wir wollen :^^:

Wir beten die Vernunft nicht an. Wir gebrauchen sie.

schön gesagt, Sysiphos :up:
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Beitragvon Klaus » Do 26. Jul 2007, 16:02

Dieses Zitat personifiziert die Natur, das lehne ich ab. Natur ist nicht berechenbar, kennt keine Moral, keine Tugenden und keine Werte, sie kann schön sein, aber auch schön schrecklich, eben Natur.
Prof. Axel Meyer über ET und Natur hat geschrieben:...Genauso wenig wie man natürlichen Phänomenen wie einem Tsunami oder einem Vulkanausbruch Gerechtigkeit oder Grausamkeit zuschreibt, treffen solche Beispiele auf die natürliche Selektion zu....Daher ist die Natur weder moralisch noch unmoralisch. Sie strebt weder nach Schönheit noch nach Harmonie oder Stärke. Was "natürlich" ist, ist nicht notwendigerweise im philosophischen Sinne moralisch gut...


Die Zeit 30/19.07.07 Seite 30, Meyer ist professor für Zoologie und Evolutionsbiologie an der Universität Konstanz.
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Beitragvon Myron » Do 26. Jul 2007, 16:20

Falk hat geschrieben:Vor allem können auch die Supers "Tugend, Vernunft, Wahrheit" problemlos für sich reklamieren.


Die steigen aber schon bei "O Natur, Beherrscherin aller Dinge" aus!
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Beitragvon Myron » Do 26. Jul 2007, 16:22

Sisyphos hat geschrieben:Wir beten die Vernunft nicht an. Wir gebrauchen sie.
Wir beten keine Tugenden an. Wir einigen uns auf Werte.
Wir beten keine vermeintlichen Wahrheiten an. Wir stehen zu dem, was wir vorläufig für wahr halten, zweifeln aber auch.


Versuch doch mal, es eher poetisch aufzufassen.
(Denk Dir halt "wertschätzen" oder "hochachten" statt "anbeten" in wörtlichen religiösen Sinn.)
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Beitragvon Klaus » Do 26. Jul 2007, 16:29

@Myron, es ist doch gar nicht so wichtig was wir denken, entscheidend ist, wie andere das interpretieren, es gibt eh genug, die meinen wir seien eine Sekte. Solche Worte kommen dann auch noch entsprechend rüber, ich meine es gibt zeitgemäßere Zitate zum Naturalismus, moderner.
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Beitragvon Myron » Do 26. Jul 2007, 16:30

Klaus hat geschrieben:Dieses Zitat personifiziert die Natur, das lehne ich ab.


Wenn ich als Naturalist personifizierend von "Mutter Natur" spreche, dann ist das selbstverständlich nicht wortwörtlich aufzufassen, sondern es handelt sich dabei um einen poetischen, metaphorischen Ausdruck.
Die traditionellen Theisten halten ihren Gott tatsächlich im wörtlichen Sinn für eine Person (wenngleich natürlich nicht für eine menschliche), wohingegen die Naturalisten, die von "Mutter Natur" sprechen, nicht wirklich glauben , dass die Natur eine Person ist.
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Beitragvon Myron » Do 26. Jul 2007, 16:32

Klaus hat geschrieben:@Myron, es ist doch gar nicht so wichtig was wir denken, entscheidend ist, wie andere das interpretieren, es gibt eh genug, die meinen wir seien eine Sekte. Solche Worte kommen dann auch noch entsprechend rüber, ich meine es gibt zeitgemäßere Zitate zum Naturalismus, moderner.


Nur her damit!
Ein bisschen poetisch angehaucht dürfen sie aber ruhig sein, oder nicht?
Oder wollen wir bloß leidenschaftslose Sachwalter des Naturalismus sein?
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Beitragvon Sisyphos » Do 26. Jul 2007, 17:13

Myron hat geschrieben:Nur her damit!
Ein bisschen poetisch angehaucht dürfen sie aber ruhig sein, oder nicht?
Oder wollen wir bloß leidenschaftslose Sachwalter des Naturalismus sein?


Hier z.B.:

Daniel Dennett (The Bright Stuff) hat geschrieben:Die Zeit ist reif für uns Brights, uns zu bekennen. Was ist ein Bright? Ein Bright ist eine Person mit einem naturalistischen Weltbild, frei von Übernatürlichem. Wir Brights glauben nicht an Geister, Elfen oder den Osterhasen - oder an Gott. Wir sind uns nicht in allem einig und haben die verschiedensten Ansichten über Moral, Politik und den Sinn des Lebens, aber wir teilen den Zweifel an schwarzer Magie - und an ein Leben nach dem Tod.


Oder die 10 Angebote von Schmidt-Salomon...
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