Agnostizismus vs. Atheismus

Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon Zappa » Do 4. Nov 2010, 18:44

El Schwalmo hat geschrieben:nun, für uns ist eine Katze tot oder lebendig. Durch die Versuchsanordnung wird ein Zustand erreicht, der 'unbestimmt' ist. Die Frage, ob die Katze tot ist oder noch lebt ist dann nicht entscheidbar. Man kann zwar Wahrscheinlichkeiten aufstellen, aber nicht sicher sein.


Nur so am Rande: Meiner Meinung nach war das von Schrödinger aber zutiefst ironisch gemeint. Mit der Absurdität dieses Beispiels - denn die Katze ist natürlich immer entweder tot oder lebendig, bzw. sterbend - wollte er zeigen, dass das Beobachtungsdilemma ein Paradoxon ist. In dem von ihm beschriebenen Versuchsaufbau gibt es ja nur zwei Zustände:

1. Radioaktiver Zerfall -> Zyandikapsel geht auf -> Katze tod
2. Keine radioaktiver Zerfall -> Zyanidkapsel bleibt intakt -> Katze lebt.

Das dieses System solange unbestimmt ist, solange wir den Deckel zu lassen und erst mit dem öffnen bestimmt wird, ist absurd und damit unlogisch.
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon johannesweg » Di 21. Dez 2010, 20:50

Unter:

http://www.archive.org/details/WahrhaftigerGlaube

findet sich ein Plaedoyer fuer einen kritischen Agnostizismus, der von erkenntnistheoretischen Ueberlegungen (die auch die Quantentheorie beruecksichtigen) ausgeht.
Meiner Meinung nach ist ein dogmatischer Atheismus ebenfalls eine Haltung, die mehr behauptet als uns redlicherweise moeglich ist. Oftmals steht dahinter leider ein Weltbild, das eher der Physik des 19. Jahrhunderts entspricht.
Ich wuerde mich ueber konstruktive Kritik am oben angefuehrten Text freuen.

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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon Myron » Di 21. Dez 2010, 21:32

Ein Buchtipp:

* Herrmann, Horst. Agnostizismus: Freies Denken für Dummies. Weinheim: Wiley-VCH, 2008.

Wirf einen Blick hinein bei GoogleBooks!
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon Lumen » Mi 22. Dez 2010, 00:32

johannesweg hat geschrieben:Unter:http://www.archive.org/details/WahrhaftigerGlaube

findet sich ein Plaedoyer fuer einen kritischen Agnostizismus, der von erkenntnistheoretischen Ueberlegungen (die auch die Quantentheorie beruecksichtigen) ausgeht.
Meiner Meinung nach ist ein dogmatischer Atheismus ebenfalls eine Haltung, die mehr behauptet als uns redlicherweise moeglich ist. Oftmals steht dahinter leider ein Weltbild, das eher der Physik des 19. Jahrhunderts entspricht.
Ich wuerde mich ueber konstruktive Kritik am oben angefuehrten Text freuen.


Es sind augenscheinlich 80 Seiten, ich habe eben nur kurz quer gelesen. Daher beziehe ich mich hier auf vornehmlich auf das Zitat oben. Im wissenschaftlichen Weltbild werden Theorien entwickelt, verfeinert oder auch verworfen. Da wir niemals ins Lösungsheft des Universums spicken können, wissen wir nicht, ob die Antworten, die wir gefunden haben, wirklich der „ultimativen Wahrheit“ entsprechen. Das ist eingebaut und daher eigentlich nicht der Rede wert (außer für Gläubige und andere, die sich damit schwer tun und aus irgendwelchen Gründen eine „ultimative Wahrheit“, also letzte Wahrheit, brauchen).

Atheismus ist ohnehin ein schwieriges Wort, deshalb steht oben auf blauem Grund auch etwas anderes. Es ist sozusagen eine historische Bezeichnung, unter der die meisten allerdings etwas verstehen. Wenn ich gefragt werde, ob ich religiös bin, kann ich sagen: „ich bin Atheist“ und das Gegenüber hat eine grobe Idee was ich meine. Ein Vorteil in der Kommunikation.

Daraus ergeben sich mehrere Gedanken. Sollte ich mich Agnostiker nennen, weil in meinem Weltbild ausgeschlossen ist, dass Menschen jemals ins Lösungsheft schauen können? Das wäre aus meiner Sicht natürlich unsinnig. Begriffe haben neben ihrer Hauptbedeutung noch eine Konnotation, eine Nebenbedeutung. Und Agnostiker würde betonen, dass es folglich, rein theoretisch, einen Gott geben könnte.

Dies wäre aber vollkommener Unsinn um es ganz deutlich zu sagen. Es gibt überhaupt keinen einzigen Anhaltspunkt für eine Gottheit. Also garkeinen. Da sind Kobolde im Wald, die unsere Vorfahren für möglich gehalten haben sollen, noch wahrscheinlicher. Wir haben jedenfalls noch nicht alle Wälder komplett (und simultan) abgesucht, um ausschließen zu können, dass es nicht doch noch einen Kobold irgendwo gibt.

Indem ich mich Agnostiker nenne, würde ich die theoretische, aber vollkommen unsinnige Annahme, es könnte eine Gottheit geben, unnötig betonen und würde bei der anschließenden Erklärung was denn ein Agnosiker sein soll, diesem Unsinn auch noch Vorschub leisten, indem ich den Eindruck erwecke, ich wüsste es nicht genau, weil mein wissenschaftlich geprägtes Weltbild grundsätzlich ergebnisoffen ist.

Es gäbe nur eine Möglichkeit die Bezeichnung Agnostiker ernsthaft aufrecht zu erhalten: indem ich stattdessen erkläre, ich könnte nicht schlussendlich für alle Ewigkeit ausschließen, es gäbe keine Kobolde im Wald und es habe diese auch nie gegeben. Dann würde man mich aber für verrückt halten — zu Recht.

Ergo: Agnostizimus ist unsinnig. Das ist Glaube Light. Es betont das falsche und unmögliche. Ich glaube an keine Gottheit und ich drücke mich so aus, dass jeder versteht, dass ich Gottheiten für ausgeschlossen halte — auch wenn ich es letztlich nie wissen kann, da keiner ins Lösungsheft des Universums blicken kann.
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon AgentProvocateur » Mi 22. Dez 2010, 01:36

Naja, also manchmal springt einen schon das schwer niederkämpfbare Bedürfnis an, sich nicht mehr als Atheist zu bezeichnen, sondern als Agnostiker. Ganz einfach nur deswegen, weil man sich von all den Dawkins', Pinkers, Wuketits', Salomons und Harris' explizit distanzieren möchte, mit denen man nichts, aber auch gar nichts am Hut hat und auch nicht haben möchte. Zu wenig substantiiert, nicht intellektuell adäquat.

Soziobiologie, Naturwissenschaft, Neurologie und Utilitarismus seien das Einzige, was richtig sei und zähle.

Aber die Welt ist nicht binär, man kann Atheist sein, ohne zu meinen, die Wahrheit zu besitzen und ohne zu meinen, man habe den Autrag, diese Wahrheit zu verbreiten, also zu missionieren. Ist zwar anscheinend für viele ganz, ganz schwer verständlich, die verstehen das noch nicht mal im Ansatz, weil sie doch meinen, sehr wohl im Besitze der Wahrheit zu sein, ist aber dennoch so.

Meinungen sind pluralistisch, vielfältig, die gehen weit auseinander, es gibt nicht nur schwarz-weiß, nicht nur entweder-oder.

Die Mainstream-Meinung unter den 'neuen Atheisten' ist wohl heute die, dass man meinen müsse, Menschen seien nicht die Krone der Schöpfung, seinen im Gegenteil unwesentliche Pfürze im unendlichen Kosmos (und 'tertium non datur') und Menschenwürde müsse man ergo in den Ausguss der Geschichte kippen. Und dann sind sie sturzbeleidigt, wenn jemand anders das anders sieht. Weil sie doch die Wahrheit besitzen und jeder, der anderer Meinung ist, falsch liegen muss. Weil es keine Alternative geben kann zu einer binären Weltsicht - entweder Atheist oder Gläubiger - und wenn Atheist, dann muss man die atheistischen Propheten anhimmeln, ihnen gedankenlos zustimmen, es gibt ja keine Graustufen, nur die binäre, entgegengesetzte Option dazu, nämlich religiös zu sein.

Diejenigen Atheisten, die noch nicht von der Religion losgekommen sind, die sich immer noch mit Religion beschäftigen, die ernsthaft meinen, Religion sei die Wurzel allen Übels, müssen sich erst mal davon befreien. Dann erst werden sie erkennen können, dass die Welt nicht binär ist.
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon Myron » Mi 22. Dez 2010, 03:06

Lumen hat geschrieben:Atheismus ist ohnehin ein schwieriges Wort, …


Die Grundbedeutung ist klar: "das Fehlen des Glaubens an das Dasein göttlicher Wesen".

Lumen hat geschrieben:Und Agnostiker würde betonen, dass es folglich, rein theoretisch, einen Gott geben könnte.


Beim Agnostizismus geht es in erster Linie nicht darum, ob das Dasein Gottes oder von Göttern möglich ist, sondern darum, ob es uns möglich ist zu wissen, ob Gott oder Götter da sind/nicht da sind, beziehungsweise ob es uns möglich ist, den Glauben an das Dasein/Nichtdasein Gottes oder von Göttern zu rechtfertigen. Aber natürlich behaupten Agnostiker nicht, dass das Dasein Gottes oder von Göttern unmöglich ist, da unmögliches Dasein tatsächliches Nichtdasein einschließt; und wer das tatsächliche Nichtdasein Gottes oder von Göttern behauptet, ist kein agnostischer, sondern ein positiver Atheist. Allerdings kann auch ein positiver Atheist glauben, dass das Dasein Gottes oder von Göttern möglich ist, denn die Verneinung tatsächlichen Daseins geht nicht notwendigerweise mit der Bejahung unmöglichen Daseins/notwendigen Nichtdaseins einher. Das heißt, was den Agnostizismus ausmacht, ist nicht die Bejahung der Möglichkeit des Dasein Gottes oder von Göttern.

Lumen hat geschrieben:Ergo: Agnostizimus ist unsinnig.


Der Agnostizismus (in Bezug auf die Gottesfrage) mag gerechtfertigt und die vernünftigste Geisteshaltung sein oder nicht; aber unsinnig ist er auf jeden Fall nicht.
Agnostiker sind Neutralisten, d.i. Leute, die das Dasein Gottes oder von Göttern weder bejahen noch verneinen. Sie sind sozusagen entschieden unentschieden.
Der neutrale Standpunkt steht generell zwischen dem Pro-Standpunkt und dem Kontra-Standpunkt.
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon Myron » Mi 22. Dez 2010, 03:13

Myron hat geschrieben:Agnostiker sind Neutralisten, d.i. Leute, die das Dasein Gottes oder von Göttern weder bejahen noch verneinen.


Ein Agnostiker könnte noch einen Schritt weiter gehen und nicht nur das wirkliche, sondern auch das mögliche Dasein Gottes oder von Göttern weder bejahen noch verneinen.
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon Myron » Mi 22. Dez 2010, 03:26

AgentProvocateur hat geschrieben:Die Mainstream-Meinung unter den 'neuen Atheisten' ist wohl heute die, dass man meinen müsse, Menschen seien nicht die Krone der Schöpfung, seinen im Gegenteil unwesentliche Pfürze im unendlichen Kosmos (und 'tertium non datur') und Menschenwürde müsse man ergo in den Ausguss der Geschichte kippen.


Kannst du die letztere Behauptung anhand von Originalaussagen belegen?!

AgentProvocateur hat geschrieben:Weil es keine Alternative geben kann zu einer binären Weltsicht - entweder Atheist oder Gläubiger - …


Welche dritte Möglichkeit siehst du zwischen dem Glauben und dem Nichtglauben an das Dasein von Göttern?
(Man beachte: Nichtglauben an das Dasein ist nicht gleich Glauben an das Nichtdasein!)
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon Lumen » Mi 22. Dez 2010, 03:40

Selbstverständlich würde man alle Menschen, die eine Mütze tragen, mit Recht Mützenträger nennen, wenn dies im Moment das wichtige Kriterium sein soll. Ob diese Menschen unterschiedliche Turnschuhe tragen ist, in diesem Augenblick offenbar nicht das relevante Kriterium. Wenn es also um die Frage nach „Gott oder nicht“ geht, dann sind natürlich alle Atheisten in diesem Augenblick einer Meinung (relativ, siehe Myrons Liste). Dennoch unterscheiden sich die Sichtweisen, Erfahrungen, Geschmäcker und Überzeugungen dann doch wesentlich in allen anderen Fragen. Ich habe Zweifel daran, dass Dawkins die gleiche Musik hört wie ich, oder den gleichen Wein bevorzugen würde. Wenn du in der Frage „Gott oder nicht“ nicht übereinstimmen möchtest — nun, niemand zwingt dich dazu. Dann glaube eben an einen Gott. Warum sollte ich „halb“ oder „dreiviertel“ an einen Gott glauben?

Deine Behauptung Atheisten würden die Menschenwürde in den „Ausguss der Geschichte kippen“ ist eine vollkommen pervertierte Sicht der Dinge. Im Gegenteil, es geht um Menschenrechte und manche der von dir Genannten sind dazu Humanisten und setzen sich mit ihrer Arbeit für humanistische Ziele ein.

Religionen sind „Wurzeln des Übels“ auch wenn Apologeten es gerne verdrehen wollen, siehe deine Behauptung Atheisten wollten Menschenrechte abschaffen, aber Christen hätten die Nächstenliebe auf ihrer Seite, was du implizierst. Religionen schaffen Gräben zwischen Menschen und jede offenbarte Religion hat die eine oder andere Passage, die zur Gewalt gegen Anders- oder Nicht-Gläubige ausruft. Auch mancher Theologe erkennt an, dass Religionen in der Geschichte nicht gerade gut wegkommen — und das nicht nur, weil sie vermeintlich von Herrschern missbraucht wurden. Ich lasse meine Ausführungen zur Geschichte dieses mal bleiben. Hätte nicht jemand den Christen und anderen Gläubigen die Stirn geboten würden wir heute in Angst und Elend leben.

Myron hat geschrieben:Agnostiker sind Neutralisten, d.i. Leute, die das Dasein Gottes oder von Göttern weder bejahen noch verneinen. Sie sind sozusagen entschieden unentschieden.


Agnostizismus bezieht sich in der Regel auf theologische Fragen und räumt Göttern eine Möglichkeit ein, die durch grundsätzliches Nichtwissen begründet wird — soviel ist klar. Wenn jemand einer Zahnfee (ernsthaft) eine Möglichkeit zu existieren einräumt, dann setzt dies voraus, dass Wesen wie die Zahnfee im Prinzip möglich sind, aber man diese Frage (und ähnliche Fragen) nicht beantworten könne. Da sich Agnostizismus in der Regel auf theologische Fragen bezieht und im Kontext von Kommunikation und Politik defakto Göttern und Übernatürliches eine Möglichkeit einräumt, ist es eine zweifelhafte Position — ob das in philosophischer Tiefe nun viel komplizierter ist oder nicht.

Wikipedia hat geschrieben:Die Möglichkeit der Existenz transzendenter Wesen oder Prinzipien wird nicht bestritten.


Das ist eine für einen bright Atheisten eher nicht haltbar, oder zumindest die denkbar schwächste Position. Es läuft kurzum darauf hinaus bei jeder Frage mit den Achseln zu zucken — welchen Sinn soll das haben. Wir lehnen uns dauernd aus dem Fenster und nehmen bestimmte Dinge an „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ wird sprachlich vereinfacht und so weiter. Ein gewisser Grad der Unwissenheit ist in Wissenschaften ohnehin eingebaut.

Es ist für einen Atheisten daher eine unsinnige Position. Daniel Dennett, ein eher moderater Atheist (verglichen mit Hitchens und Dawkins) hat die Verklärung einmal neben „super“ und „bright“ gestellt und „murky“ genannt.
Zuletzt geändert von Lumen am Mi 22. Dez 2010, 03:51, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon Myron » Mi 22. Dez 2010, 03:49

Lumen hat geschrieben:Da sich Agnostizismus in der Regel auf theologische Fragen bezieht und im Kontext von Kommunikation und Politik defakto Göttern und Übernatürliches eine Möglichkeit einräumt, ist es eine zweifelhafte Position — ob das in philosophischer Tiefe nun viel komplizierter ist oder nicht.


Dann wäre aber auch das, was ich faktischer Antitheismus nenne, eine "zweifelhafte Position", weil ein faktischer Antitheist im Gegensatz zum modalen Antitheisten nur das wirkliche, aber nicht das mögliche Dasein von Göttern bestreitet. (Möglichkeit ist nicht gleich Wahrscheinlichkeit!)
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon Myron » Mi 22. Dez 2010, 03:57

Lumen hat geschrieben:Es läuft kurzum darauf hinaus bei jeder Frage mit den Achseln zu zucken — welchen Sinn soll das haben.


Agnostisch-neutrale Atheisten sind keine ignoranten oder indifferenten "Achselzucker". Ihre Urteilsenthaltung ist das Ergebnis reiflicher Überlegung und Abwägung.
(Damit sage ich nicht, dass ihre Haltung die vernünftigste und empfehlenswerteste ist.)
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon Myron » Mi 22. Dez 2010, 04:08

Es ist im Übrigen zwischen agnostisch-neutralen und agnostisch-nichtneutralen Atheisten zu unterscheiden:
Ein agnostisch-nichtneutraler Atheist ist ein Antitheist, der glaubt, aber nicht glaubt zu wissen, dass es keine Götter gibt.
(Diese Unterscheidung geht auf den ungünstigen Umstand zurück, dass die Wörter "Agnostizismus" und "Agnostiker" zum einen auf die Wissensebene und zum anderen auf die Glaubensebene bezogen werden, was oft zu Missverständnissen führt. Was den Agnostizismus auf der Glaubensebene ausmacht, ist die Neutralität. Darum geht es bei der Abgrenzung sowohl vom Theismus als auch vom Antitheismus.)
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon Lumen » Mi 22. Dez 2010, 04:10

Wenn ich es richtig verstanden habe, ist es in der Tat eine zweifelhafte Position. Ich bezweifle aber, dass es Menschen gibt, die diese Unterscheidung auf diesem Detailgrad machen (und sollte dann glaube ich in deinem Thread geklärt werden).

Myron hat geschrieben:Agnostisch-neutrale Atheisten sind keine ignoranten oder indifferenten "Achselzucker". Ihre Urteilsenthaltung ist das Ergebnis reiflicher Überlegung und Abwägung. (Damit sage ich nicht, dass ihre Haltung die vernünftigste und empfehlenswerteste ist.)


Das war damit nicht gemeint. Nur das Überbetonen des Nichtwissenkönnens führt konsequent dazu, dass jemand auch zu anderen Fragen eine ähnlich indifferente (nichtwissende, nichtentschiedene usw) Haltung einnehmen müsste, je nachdem wie weit man das Spiel treibt. Es gibt zum Beispiel einen nicht unbeträchtlichen Teil des Wissens der sich in theoretischen Bereichen, Mathematik, Theorien usw. abspielt. Eine gewisse „ergebnisoffene“ Haltung ist ohnehin eingebaut, aber ein betonen dieser würde dazu führen, dass man entweder ständig ein Disclaimer runterbetet, oder den Zweck der Übung unterminiert.

Ich kann die Haltung im historischen Kontext schon verstehen, aber sie im Kontext dieses Forums eher unangebracht, meiner Meinung nach. Sie ist nicht „bright“, sondern „murky“.
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon Myron » Mi 22. Dez 2010, 04:31

Lumen hat geschrieben:Nur das Überbetonen des Nichtwissenkönnens führt konsequent dazu, dass jemand auch zu anderen Fragen eine ähnlich indifferente (nichtwissende, nichtentschiedene usw) Haltung einnehmen müsste, je nachdem wie weit man das Spiel treibt.


Man kann zwischen einem relativen (lokalen) und einem absoluten (globalen) Agnostizismus unterscheiden. Schon die alten griechischen Skeptiker trieben das Spiel mit dem erkenntnistheoretischen Zweifel bis zum Äußersten und bestritten schließlich die Möglichkeit von Wissen oder von gerechtfertigtem Glauben überhaupt. Allerdings sollte man zwischen der Möglichkeit von Wissen und der Möglichkeit völlig sicheren, d.h. unfehlbaren Wissens unterscheiden. Denn man kann erstere Möglichkeit bejahen und letztere verneinen. Damit sind wir allerdings mitten in der allgemeinen erkenntnistheoretischen Diskussion, die sich nicht nur um die Gottesfrage dreht.

Lumen hat geschrieben:Es gibt zum Beispiel einen nicht unbeträchtlichen Teil des Wissens der sich in theoretischen Bereichen, Mathematik, Theorien usw. abspielt. Eine gewisse „ergebnisoffene“ Haltung ist ohnehin eingebaut, aber ein betonen dieser würde dazu führen, dass man entweder ständig ein Disclaimer runterbetet, oder den Zweck der Übung unterminiert.
Ich kann die Haltung im historischen Kontext schon verstehen, aber sie im Kontext dieses Forums eher unangebracht, meiner Meinung nach. Sie ist nicht „bright“, sondern „murky“.


In Bereichen, wo nichts mit objektiver Gewissheit entschieden werden kann, ist die Haltung bewusster Unentschiedenheit keineswegs "murky". Die Philosophie und die Religion sind wohl solche Bereiche. Und die glaubensethische Regel "Du sollst nicht glauben, was du nicht wissen kannst!" klingt an sich nicht unvernünftig, oder?
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon Lumen » Mi 22. Dez 2010, 06:37

Das hängt wiederum von der Warte ab, was genau unter Glauben und Wissen verstanden wird.

Aus meiner Sicht wäre Wissen zum einen „Gewissheit“ zum anderen „Kenntnis von anerkannten Fakten “, wobei die Fakten der wissenschaftlichen Methode unterliegen, also physikalische, überprüfbare Belege gemeint sind. Wohingegen Glaube entweder „unbewusstes“ Wissen sein könnte, also Intuition, oder Annahmen die für wahr gehalten werden, die noch nicht überprüft werden konnten oder nicht überprüfbar sind. Wissen hätte somit eine starke objektive Komponente, wohingegen Glaube strikt subjektiv wäre. Der Glaube an Wissen ist eine Art Tautologie, denn es wird impliziert, dass Wissen, da es bereits überprüft wurde automatisch auch geglaubt wird, also in subjektive Annahmen überführt wird (aber „zu wissen“ der stärkere Ausdruck ist als „zu glauben“), vergleiche „Ich weiß, dass noch Milch im Kühlschrank ist“ mit „Ich glaube, dass noch Milch im Kühlschrank ist“. Zu mehr Denkleistung bin ich um die Uhrzeit aber nicht mehr fähig und du wirst ohnehin mit der offiziellen Definition um die Ecke kommen. ;)
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon El Schwalmo » Mi 22. Dez 2010, 08:00

Lumen hat geschrieben:Das hängt wiederum von der Warte ab, was genau unter Glauben und Wissen verstanden wird.

Aus meiner Sicht wäre Wissen zum einen „Gewissheit“

das ist ein subjektives Gefühl.

Lumen hat geschrieben:zum anderen „Kenntnis von anerkannten Fakten “, wobei die Fakten der wissenschaftlichen Methode unterliegen, also physikalische, überprüfbare Belege gemeint sind.

Wobei man immer beachten muss, dass sich der Stand der Erkenntnis ändern kann. Mit dem, was während meiner Schulzeit als 'Wissen' in Genetik galt, wäre ich 10 Jahre später durch das Biologie-Examen gefallen, und das, was damals galt, würde heute im Abi als Fehler angestrichen werden.

Lumen hat geschrieben:Wohingegen Glaube entweder „unbewusstes“ Wissen sein könnte, also Intuition, oder Annahmen die für wahr gehalten werden, die noch nicht überprüft werden konnten oder nicht überprüfbar sind.

Das Problem beim Prüfen besteht darin, dass das nur im Rahmen eines Weltbilds erfolgen kann, in dem bestimmte Dinge anerkannt werden, andere nicht. Vielleicht hilft es zum Verständnis, dass 'Fakt' von 'facere' kommt, also etwas ist, das gemacht wird.

Lumen hat geschrieben:Wissen hätte somit eine starke objektive Komponente, wohingegen Glaube strikt subjektiv wäre.

Das kann man so sehen, obwohl ich etliche Atheisten kenne, die viel mehr glauben als der durchschnittliche Gläubige.

Lumen hat geschrieben:Der Glaube an Wissen ist eine Art Tautologie, denn es wird impliziert, dass Wissen, da es bereits überprüft wurde automatisch auch geglaubt wird, also in subjektive Annahmen überführt wird (aber „zu wissen“ der stärkere Ausdruck ist als „zu glauben“),

Myron meinte das anders. Nur was Du 'weißt', sollst Du glauben. Wobei hier unter 'Wissen' das verstanden wird, was geprüft und nicht widerlegt wurde ('zeitkernige Gültigkeit' in meiner Terminologie). Auch wenn es Dein Weltbild crasht, man kann auch vernünftig an Gott glauben.

Lumen hat geschrieben:vergleiche „Ich weiß, dass noch Milch im Kühlschrank ist“ mit „Ich glaube, dass noch Milch im Kühlschrank ist“. Zu mehr Denkleistung bin ich um die Uhrzeit aber nicht mehr fähig und du wirst ohnehin mit der offiziellen Definition um die Ecke kommen. ;)

Myron wird Dir nun vermutlich sagen, dass 'Wissen' irgendwas in Richtung JTB ist, und ich werde dann wieder dagegen halten, dass niemand zeigen kann, dass das 'T' einlösbar ist, und dass 'Agnostizismus' als Skeptizismus in anderen Bereichen vertreten werden kann, und Du musst Dich damit abfinden, dass Dawkins sich als 'Agnostiker' bezeichnet, weil er so viel Ahnung von Philosophie hat, dass er weiß, dass er einen Atheismus nicht beweisen kann.

Meine Haltung kennst Du ja: Agnostizismus ist eine epistemische Position, Atheismus eher eine pragmatische. Daher bin ich atheistischer Agnostiker. Nur nebenbei, es gibt auch agnostische Theisten.
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon stine » Mi 22. Dez 2010, 08:19

Ich behaupte: Alle Menschen dieser Erde sind vom Prinzip her Agnostiker!
Im Laufe ihres Lebens kommt es nur darauf an, welcher Denkweise sie bereit oder fähig sind, den Vorzug zu geben und diesen für ausschließlich zu erklären. Die Rationalisten lassen sich von Fakten vereinnahmen und die Romantiker von ihrem Bauchgefühl, aber wer ehrlich ist zu sich selbst, muss zugeben, dass niemand im Bestiz der "ganzen Wahrheit" ist.
Deshalb finde ich, dass Atheisimus nur eine Geschmackssache ist.

LG stine
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon Arathas » Mi 22. Dez 2010, 10:57

stine hat geschrieben:aber wer ehrlich ist zu sich selbst, muss zugeben, dass niemand im Bestiz der "ganzen Wahrheit" ist.


Das heißt also, du möchtest nicht ausschließen, dass es den Weihnachtsmann, der auf einem Rentierschlitten am Weihnachtsabend Milliarden von Geschenken verteilt, tatsächlich auch genau so gibt? Ehrlich??

Falls du aber doch sagen solltest: Nee, also an den Quatsch glaube ich dann doch nicht - dann bist du in der Beziehung Atheist bzw. A-Weihnachtsmann. Und nicht Agnostiker.
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon Lumen » Mi 22. Dez 2010, 11:58

Selbstverständlich kann man eine atheistische Position nicht "beweisen". Es ist aber schon der verkehrte Ansatz. Das basiert aber auf der besonderen Konstruktion des Atheismus-Begriffs (der deswegen von allen, die auf diesem Niveau diskutieren, abgelehnt wird). Atheismus ist daher eher eine Art Abkürzung.

Dann gibt es erstmal überhaupt keinen Anlaß, aus dem Stand heraus einen Gott als Hypothese anzunehmen. Von hier kann ich bestenfalls schließen: es gibt alte Schriften, also Folklore, die eine Entität benennen, die es geben soll. Es gibt keinen vernünftigen Grund diese Entität, oder eine andere oder gar mehrere für wahr zu halten. Der normale Weg bei allen Geschichten dieser Art wäre dann konkret Belege zu bringen.

Seltsamerweise haben es Murkies und Supers geschafft, den Fall umzudrehen obwohl ALLES gegen die Annahme spricht. Warum sollte sie auch nicht gnadenlos von Occams Rasiermesser abgesägt werden?

Nun soll also die Begrenztheit der menschlichen Kognition, den in Bedrängnis geratenen Gott aus der Patsche helfen. Warum nicht gleich dreizehn Götter? Warum nur einen? Warum nicht noch Spaghettimonster und Kobolde und unsichtbare Strahlen aus Edelsteinen dazu nehmen? Wie wärs mit Astrologie? Diese Dinge sind offenbar mit ein wenig Fantasie genau gleich wahrscheinlich. Und genügend wunschdenken, kriminelle Energie, oder pseudowissrnschaftlicher Neusprech (aka Gott ist <hier Lieblingswort einfügen>) oder alles gleichzeitig lässt sich schon auftreiben.

Nein, Gott oder Nicht-Gott sind, wie schonmal bemerkt, keine gleichwertigen Alternativen. Dawkins et al sind keine Agnostiker, sonder mutmaßlich positive Atheisten und nur insofern agnostisch, als das sie auch die Existenz der Zahnfee nicht mit absoluter Gewißheit ausschließen können.

Leider steht deine Argumentationslinie in der anrüchen Tradition, Atheisten oder Quasi-Atheisten doch noch irgendwie einen Gott unterzujubeln. Und so sehe ich sie auch.
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon El Schwalmo » Mi 22. Dez 2010, 12:10

Lumen hat geschrieben:Leider steht deine Argumentationslinie in der anrüchen Tradition, Atheisten oder Quasi-Atheisten doch noch irgendwie einen Gott unterzujubeln. Und so sehe ich sie auch.

und ich sehe lediglich, dass Du keine Argumente hast und auf die Tränendrüse drücken möchtest.

Stelle eine beliebige Ursprungsfrage, und irgendwann bist Du beim Punkt 'wo kommt das her?'. Keine Ahnung, wie Du einen Gott ausschließen willst.

Du kannst mir auch gerne Nachhilfe in Evolution geben. Ich nenne Dir ein paar Systeme, deren Evolution schlechter geklärt ist als alles, was Du Gläubigen unterstellst und Du zeigst mir, wie das abgelaufen ist. Dann kannst Du mit gutem Recht diese Frage ohne Gott beantworten. Sonst musst Du die Frage offen lassen.

Versteh mich nicht falsch. Selbst Theisten zitieren einen Satz, den ich mal irgendwo geschrieben habe: An der Grenze des Wissens beginnt Nichtwissen, nicht Schöpfung. Aber das ist ein anderer Thread als zu sagen, es kann keinen Schöpfer geben. Exakt der Grund, warum ich Agnostiker bin. Die meisten (aber nicht alle) Atheisten, die ich kenne, sind 'in Wahrheit' Agnostiker, eben weil sie nicht zeigen können, dass es keinen Gott gibt. Deren Atheismus ist, wie meiner, pragmatisch und wohlüberlegt. Epistemisch sind sie, wie ich agnostisch. Denk an Dawkins.
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