Die Mem-Theorie

Re: Die Mem-Theorie

Beitragvon Arathas » Di 2. Nov 2010, 23:11

Zappa hat geschrieben:So gehe denn hin und publiziere in peer reviewed Journals oder halt die Klappe ....


Nicht sehr höflich, ein anderer Umgangston wäre wünschenswert. Auch wenn man nicht einer Meinung ist oder sogar glaubt, mit dem anderen nicht diskutieren zu können, ist es nicht nötig, abfällig zu werden.

Falls es mal nicht anders geht, setz zumindest nen Smiley dahinter, dann geht es als augenzwinkernde Bemerkung durch. :mg:
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Re: Die Mem-Theorie

Beitragvon Arathas » Di 2. Nov 2010, 23:20

donquijote hat geschrieben:Die Systemische Evolutionstheorie kommt für normale biologische Populationen zu exakt den gleichen Aussagen wie die Darwinsche Evolutionstheorie. Letztere lässt sich als Spezialfall aus der Theorie ableiten. In der Hinsicht ist sie also genauso bestätigt wie die Darwinsche.


Hier würde mich ein anderes Beispiel interessieren: Wende doch mal Darwins Evolutinstheorie auf ein Gebiet an, für das sie nur unzulängliche Aussagen machen kann, bei dem aber die Systemische Evolutionstheorie ziehen würde. Anschließend wende die Systemische Evolutionstheorie auf das gleiche Gebiet an, und dann erkläre uns, was genau passiert (also wie du zu welchem Schluss gelangst) und was der Unterschied zwischen den erzielten Ergebnissen ist.
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Re: Die Mem-Theorie

Beitragvon Nanna » Di 2. Nov 2010, 23:30

donquijote hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben: Könntest du Beispiele geben?


Z. B. prognostiziert sie, dass es in den Industrienationen zu einem Absinken des mittleren IQs der Bevölkerung kommen wird. Der ist längst zu beobachten, und zwar ausgerechnet bei der fluiden Intelligenz.

Allright, aber das ist das einzige Beispiel, das ich bisher gehört habe und das mittlerweile auch ein paar dutzend Mal. Du hast aber von "anderen Prognosen" geschrieben und genau diese würden mich interessieren. Bisher habe ich die Theorie immer nur im Zusammenhang mit besagtem Absinken des mittleren IQs gehört. Den Nachweis, dass die Systemische Evolutionstheorie schon auf mehr als dieses eine Phänomen angewendet wurde, sind ihre Befürworter bisher schuldig geblieben. Genau darauf warte ich aber.
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Re: Die Mem-Theorie

Beitragvon donquijote » Mi 3. Nov 2010, 00:17

Nanna hat geschrieben: Allright, aber das ist das einzige Beispiel, das ich bisher gehört habe und das mittlerweile auch ein paar dutzend Mal. Du hast aber von "anderen Prognosen" geschrieben und genau diese würden mich interessieren. Bisher habe ich die Theorie immer nur im Zusammenhang mit besagtem Absinken des mittleren IQs gehört. Den Nachweis, dass die Systemische Evolutionstheorie schon auf mehr als dieses eine Phänomen angewendet wurde, sind ihre Befürworter bisher schuldig geblieben. Genau darauf warte ich aber.


Na ja, du wolltest Vorhersagen haben. Die sind im evolutionären Zusammenhang sehr schwer zu machen und werden selbst dann oft nicht als Belege akzeptiert.

Nimm die Organisation von Bienensozialstaaten. Es gibt Bienensozialstaaten, die sich absolut nicht mehr mit der Verwandtenselektion erklären lassen. Die Systemische Evolutionstheorie hat mit denen jedoch überhaupt kein Problem. Ist das ein Beleg? Ich weiß es nicht.

Nimm die Evolutionsökonomik: http://de.wikipedia.org/wiki/Evolutions%C3%B6konomik
Unternehmen sind gemäß der Systemischen Evolutionstheorie Superorganismen und damit Evolutionsakteure. Eine weitere Aussage der SET ist: Bei der Evolution geht es in erster Linie um den Kompetenzerhalt und daraus folgernd (gemäß Red Queen) um die Anreicherung von Wissen über den Lebensraum.

Nimm die obige Wikipedia-Seite zur Evolutionsökonomik und ersetze in den "Grundbegriffen" "Wissen" durch "Kompetenzen" und "Aktor" durch "Evolutionsakteur" und schon hast du im Grunde die gleiche Theorie wie die SET für die Ökonomik. Darauf wies auch Club-of-Rome-Mitglied Radermacher explizit hin: http://knol.google.com/k/peter-mersch/p ... ygsjec7/31

Heißt das schon etwas? Nicht unbedingt. Aber es ist ein weiterer Indikator, dass an vielen Evolutionsbaustellen ganz ähnlich gedacht wird, und dass die SET diese Ansätze abdeckt, sie im Grunde das modellieren kann, was sich diese Disziplinen selbst ausdenken.
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Re: Die Mem-Theorie

Beitragvon donquijote » Mi 3. Nov 2010, 00:25

Arathas hat geschrieben: Hier würde mich ein anderes Beispiel interessieren: Wende doch mal Darwins Evolutinstheorie auf ein Gebiet an, für das sie nur unzulängliche Aussagen machen kann, bei dem aber die Systemische Evolutionstheorie ziehen würde. Anschließend wende die Systemische Evolutionstheorie auf das gleiche Gebiet an, und dann erkläre uns, was genau passiert (also wie du zu welchem Schluss gelangst) und was der Unterschied zwischen den erzielten Ergebnissen ist.


Entscheidende konzeptionelle Unterschiede treten eigentlich erst bei Sozialstaaten auf, wo also verschiedene Individuen unterschiedliche soziale Rollen wahrnehmen, die mit einem unterschiedlichen Fortpflanzungserfolg verbunden sind.

Hier macht die SET die Prognose, dass diese sozialen Rollen nicht erblich sind, sondern erworben werden.

Arbeiterin und Königin sind also erworbene Rollen.
Nonne und Bundesbankvorstand auch.

Insbesondere kann man sagen: Altruismus kann evolutionär stabil sein, wenn er erworben wird. Die SET weist den Individuen unterschiedliche Reproduktionsinteressen zu. In biologischen, kulturfreien Populationen entspricht das Reproduktionsinteresse im Grunde dem Fortpflanzungsinteresse. In Sozialstaaten wären Individuen mit einem niedrigen Reproduktionsinteresse Altruisten und solche mit einem hohen Reproduktionsinteressen Egoisten (bzgl. der Reproduktion der eigenen Gene). Im Darwinismus erklärt man den Altruismus oftmals über die Verwandtschaft: Eine Schwester hilft der anderen, mehr Nachkommen durchzubekommen, wobei sie ggf. auf eigene Nachkommen verzichtet. Für die SET funktioniert aber Altruismus auch unter Nichtverwandten, und zwar dann, wenn er erworben wird, d.h. Teil einer sozialen Rolle ist, die angenommen wird.
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Re: Die Mem-Theorie

Beitragvon donquijote » Mi 3. Nov 2010, 00:43

Nanna hat geschrieben:Den Nachweis, dass die Systemische Evolutionstheorie schon auf mehr als dieses eine Phänomen angewendet wurde, sind ihre Befürworter bisher schuldig geblieben. Genau darauf warte ich aber.


Daneben hat die SET auch eine gravierende politische Konsequenz, die viele nicht gerne hören möchten. Ihre Aussage ist, dass es in Sozialstaaten im Grunde keine natürliche Selektion mehr gibt, in modernen menschlichen Sozialstaaten spielt sie definitiv kaum mehr eine Rolle. Der individuelle Reproduktionserfolg ist dort fast ausschließlich eine Folge des individuellen Fortpflanzungsinteresses (des Kinderwunsches), zumal in modernen menschlichen Gesellschaften die Sterblichkeit fast unbedeutend ist.
Die SET behauptet, dass es in Sozialstaaten folglich in erster Linie zu einer sozialen Selektion kommt. Das Fortpflanzungsinteresse ist nämlich maßgeblich eine Folge der angenommenen sozialen Rolle und der damit verbundenen Opportunitätskosten für Kinder. Eine arbeitslose, bildungsferne Frau bekommt in unserer Gesellschaft durchschnittlich mehr Kinder als eine Akademikerin, weil sie niedrigere Opportunitätskosten für Kinder hat. Die Darwinsche Evolutionstheorie geht dagegen davon aus, dass der unterschiedliche Fortpflanzungserfolg von den Genen abhängt. In der Schöpfungslüge definiert Dawkins beispielsweise die natürliche Selektion wie folgt (S. 78):
Ohne dass irgendjemand auswählt, pflanzen sich mit größter Wahrscheinlichkeit diejenigen Individuen fort, die 'ausgewählt' werden, weil sie zufällig überlegener ausgestattet sind; diese Überlegenheit geben sie in ihren Genen weiter. Deshalb reichern sich in jedem Genpool jeder Spezies diejenigen Gene an, die einen für das Überleben und die Fortpflanzung besser ausstatten.

(Dawkins, Richard. Die Schöpfungslüge: Warum Darwin recht hat. Übers. v. Sebastian Vogel. Berlin: Ullstein, 2010. S. 78)

Gemäß der SET ist das für Sozialstaaten völlig falsch. Die "politische" Schlussfolgerung: In Sozialstaaten kommt es primär zu einer sozialen Selektion. Damit Sozialstaaten über viele Generationen hinweg stabil bleiben können, müssen sie kompetenzbewahrend organisiert werden. Bei den Bienen ist das der Fall. Bei unserer Gesellschaft ist das aktuell nicht der Fall. Behauptet jedenfalls die SET.
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Re: Die Mem-Theorie

Beitragvon AngelM90 » Mi 3. Nov 2010, 01:41

Dawkins ist meiner Meinung nach auf einer völlig unkritischen Sicht der memetischen Evolution hängengeblieben. Bei Dawkins Endniveau steigt ein und entwickelt dann überzeugender weiter:
http://www.amazon.de/Wohlstand-Gesundheit-f%C3%BCr-alle-Heuschjrecken-Kapitalismus/dp/3897835126
Es hat noch nie eine natürliche Selektion gegeben, sondern es ist immer nur übrig geblieben, was übrig geblieben ist. Entscheidend ist, dass Erfindungen des Menschen derart parasitäre Meme ausstreuen können, dass plötzlich die Leistungsfähigeren keine Kinder mehr bekommen und die schwach Leistungsfähigen Millionen Kinder. Am Ende wird Deutschland halt ein afrikanischer Hungerleider-Staat.
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Re: Die Mem-Theorie

Beitragvon mat-in » Mi 3. Nov 2010, 10:37

Dazu gibt es bei TED.com eine hand voll sehr netter vorträge. leider keine Zeit euch die als Link rauszusuchen.

Finde die idee schlüssig.
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Re: Die Mem-Theorie

Beitragvon donquijote » Mi 3. Nov 2010, 16:04

mat-in hat geschrieben:Finde die idee schlüssig.

Ich halte mich lieber an Bunge+Mahner.
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