Die Mem-Theorie

Re: Die Mem-Theorie

Beitragvon El Schwalmo » Sa 30. Okt 2010, 22:19

donquijote hat geschrieben:
Boris hat geschrieben:Ich habe vor einiger Zeit das Buch von Susan Blackmore "Die Macht der Meme" gelesen und gebe zu, daß mir die Idee sehr schlüssig vorkommt. Diese Idee eliminiert so ziemlich alle Vorstellungen über uns selber, das Selbst, der Freie Wille, Bewußtsein, und bezeichnet es als Memplexe (vereinfacht gesagt).


Ich empfehle dazu den folgenden Artikel

Memetik contra Systemische Evolutionstheorie

Zeigt die Limitationen der Memetik sehr schön auf.

hmmm, Boris fragte am 21.10.2009.

Alle Deine bisherigen Artikel haben eins gemeinsam: uralte Kamellen, die Dir die Chance geben, den selben Link zu posten. Warum lässt Du nicht gleich die Katze aus dem Sack und fängst einen neuen Thread an?
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Re: Die Mem-Theorie

Beitragvon donquijote » Sa 30. Okt 2010, 22:29

El Schwalmo hat geschrieben:Alle Deine bisherigen Artikel haben eins gemeinsam: uralte Kamellen, die Dir die Chance geben, den selben Link zu posten.


Ist nicht derselbe Link, sondern ein anderer.
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Re: Die Mem-Theorie

Beitragvon El Schwalmo » Sa 30. Okt 2010, 22:38

donquijote hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Alle Deine bisherigen Artikel haben eins gemeinsam: uralte Kamellen, die Dir die Chance geben, den selben Link zu posten.


Ist nicht derselbe Link, sondern ein anderer.

stimmt. Ich hätte 'einen Link auf einen Artikel von oder über Mersch' schreiben müssen, mein Fehler, verzeih.

Aber, Hand auf's Herz, ändert das etwas an zentralen Punkt meiner Beobachtung?
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Re: Die Mem-Theorie

Beitragvon donquijote » Sa 30. Okt 2010, 22:42

El Schwalmo hat geschrieben: Aber, Hand auf's Herz, ändert das etwas an zentralen Punkt meiner Beobachtung?


Warum versuchst du es nicht ganz einfach mit demokratischen Grundregeln: Ich poste einen Beitrag, und wenn du inhaltlich etwas dazu zu sagen hast, dann schreibst du das, ansonsten scheigst du. So ist das ein Versuch, Meinungsäußerungen zu beschneiden.
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Re: Die Mem-Theorie

Beitragvon El Schwalmo » Sa 30. Okt 2010, 23:20

donquijote hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben: Aber, Hand auf's Herz, ändert das etwas an zentralen Punkt meiner Beobachtung?


Warum versuchst du es nicht ganz einfach mit demokratischen Grundregeln: Ich poste einen Beitrag, und wenn du inhaltlich etwas dazu zu sagen hast, dann schreibst du das, ansonsten scheigst du. So ist das ein Versuch, Meinungsäußerungen zu beschneiden.

ich scheige prinzipell nicht.

Ich habe inhaltlich etwas dazu zu sagen, wie Du hier einen auf Klinkenputzen machst. Jackle war schon hier, Du brauchst nicht noch einmal dasselbe Theater hier aufzuführen. Nur nebenbei, hier hat man schnell gemerkt, was Biologismus am Ansatz von Mersch ist. Wenn Du nun noch postest, was Mersch zu Sarrazin geschrieben hat, könnte es interessant werden.
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Re: Die Mem-Theorie

Beitragvon Lumen » Mo 1. Nov 2010, 01:58

Ein interessanter, doch etwas verwirrender Thread. Ich steig mal ein. Ich versuche an die Sache mit gesunden Menschenverstand heranzugehen.

Wir nehmen zwei Zeichenfolgen, sagen wir hallowelt und tlewollah. Wir sehen die gleiche Anzahl an Schriftzeichen, die gleiche Menge und auch dieselben Zeichen. Was sich unterscheidet, ist die Reihenfolge. Die Zeichen und auch die Konfiguration ist zweifellos materiell vorhanden. Die Konfiguration also auch die Reihenfolge hat offenkundig einen Effekt, sowohl bei Nukleinbasen als auch in der Kommunikation von Ideen und beides ist offenkundig materiell vorhanden. Bis hierher sehe ich das Problem nicht.

Durch genetische Veränderungen kann sich ein Lebewesen mehr oder weniger erfolgreich vermehren. Zwar können sich Ideen nicht selbst vermehren, aber es ist für die Betrachtung im Augenblick nicht wichtig, ob Ideen ihre Reproduktionsmöglichkeiten selbst tragen, Viren können es z.B. auch nicht. Wenn eine Idee auf einen anderen Menschen übertragen wird, muss sie sich dort auf eine Weise manifestieren. Ob die gebildeten Strukturen in den Hirnen verschiedener Menschen gleich ist, ist erstmal auch nicht wichtig, bzw. eher unwahrscheinlich. Denn durch den Transport der Idee, Kodierung und Dekodierung finden Veränderungen statt. Anscheinend ist das Wissen über die Beschaffenheit von Gedanken noch zu dünn um wirklich genaueres sagen zu können.

Wir können aber mit gesundem Menschenverstand sagen, dass ein Witz, dessen Pointe fehlt, wahrscheinlich nicht weitererzählt wird. Ein Witz, der zwar alle Elemente enthält (z.B. alle Motive, Figuren usw) aber in der falschen Reihenfolge wiedergegeben ebenso wahrscheinlich nicht weitergegeben wird. Folglich muss die Struktur, Konfiguration usw. der Elemente eines Witzes eine Bewandtnis haben. Die kann aber nicht im Witz selbst enthalten sein, sondern nur durch das Gegenüber, sozusagen seine Umwelt, bestimmt sein. Mit anderen Worten, es sind andere Menschen, die den Witz witzig finden müssen, damit er in ihren Köpfen überleben und an anderer Stelle weitererzählt wird. Es findet also sowohl eine Mutation als auch eine Selektion statt und diese ist an Bedingungen in der Umwelt geknüpft.

Möglicherweise fällt alles auf einer tieferen Ebene in sich zusammen, soweit scheint die Denkrichtung Evolution / Kommunikation jedoch zu funktionieren. In der Tat können Wissenschaftler der Frage nachgehen, warum bestimmte Ideen kommuniziert werden und andere nicht, nicht nur um zu klären, warum Witze witzig sind.
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Re: Die Mem-Theorie

Beitragvon donquijote » Mo 1. Nov 2010, 03:08

Lumen hat geschrieben: Wir können aber mit gesundem Menschenverstand sagen, dass ein Witz, dessen Pointe fehlt, wahrscheinlich nicht weitererzählt wird. Ein Witz, der zwar alle Elemente enthält (z.B. alle Motive, Figuren usw) aber in der falschen Reihenfolge wiedergegeben ebenso wahrscheinlich nicht weitergegeben wird. Folglich muss die Struktur, Konfiguration usw. der Elemente eines Witzes eine Bewandtnis haben. Die kann aber nicht im Witz selbst enthalten sein, sondern nur durch das Gegenüber, sozusagen seine Umwelt, bestimmt sein. Mit anderen Worten, es sind andere Menschen, die den Witz witzig finden müssen, damit er in ihren Köpfen überleben und an anderer Stelle weitererzählt wird. Es findet also sowohl eine Mutation als auch eine Selektion statt und diese ist an Bedingungen in der Umwelt geknüpft.


Normalerweise wird ein Witz durch die Luft übertragen und dann im Gehirn des Empfängers interpretiert. Dort löst er idealerweise Erheiterung aus. Die Gedanke der Memetik ist nun, dass der Witz sich selbstständig zu replizieren versucht. Der Witz selbst ist die treibende Kraft, die sich durchzusetzen versucht. Das wird von der Systemischen Evolutionstheorie bestritten. In deren Vorstellung sind es die menschlichen Reproduktionsinteressen (= Selbsterhaltungs- und Fortpflanzungsinteressen), die einen Menschen veranlassen, den Witz zu erzählen. Der Mensch möchte z. B. seinen Status in der Gruppe stärken oder einen guten Eindruck beim anderen Geschlecht hinterlassen. Hat der Witz eine erotische Komponente, kann er ggf. zum Flirten eingesetzt werden. Nicht der Witz verfolgt also Interessen (= ist egoistisch), sondern der Erzähler (Verbreiter) des Witzes. Deshalb werden Ideen gemäß der Systemischen Evolutionstheorie nicht von Ideen verbreitet (wie es die Vorstellung der Memetik ist), sondern von sog. Evolutionsakteuren (z. B. Menschen).

Unmittelbark klar wird das bei Dawkins Beispiel aus dem Tierreich, dem Gesang der Neuseeland-Lappenstare. Hier sind es offenkundig nicht die Melodien, die nach Vermehrung drängen, sondern die Lappenstar-Männchen. Es sind deren Reproduktionsinteressen, die sie zum Singen und Üben veranlassen.

Bei der Memetik ist darauf zu achten, dass sie im Sinne des Erfinders (Dawkins) dargestellt wird. Gemäß Dawkins sind Gene und Meme egoistische Replikatoren, die ihre eigene Vermehrung selbst betreiben. Gemäß der Systemischen Evolutionstheorie besitzen dagegen Evolutionsakteure (insbesondere Lebewesen) Reproduktionsinteressen. Sie sind bestrebt, ihre eigenen Lebensraumkompetenzen zu bewahren. Menschen erzählen Witze, um anderen zu gefallen (um den Status im sozialen Lebensraum zu halten oder zu verbessern).
Zuletzt geändert von donquijote am Mo 1. Nov 2010, 03:50, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Die Mem-Theorie

Beitragvon Lumen » Mo 1. Nov 2010, 03:20

donquijote hat geschrieben:
Lumen hat geschrieben: Wir können aber mit gesundem Menschenverstand sagen, dass ein Witz, dessen Pointe fehlt, wahrscheinlich nicht weitererzählt wird. Ein Witz, der zwar alle Elemente enthält (z.B. alle Motive, Figuren usw) aber in der falschen Reihenfolge wiedergegeben ebenso wahrscheinlich nicht weitergegeben wird. Folglich muss die Struktur, Konfiguration usw. der Elemente eines Witzes eine Bewandtnis haben. Die kann aber nicht im Witz selbst enthalten sein, sondern nur durch das Gegenüber, sozusagen seine Umwelt, bestimmt sein. Mit anderen Worten, es sind andere Menschen, die den Witz witzig finden müssen, damit er in ihren Köpfen überleben und an anderer Stelle weitererzählt wird. Es findet also sowohl eine Mutation als auch eine Selektion statt und diese ist an Bedingungen in der Umwelt geknüpft.


Normalerweise wird ein Witz durch die Luft übertragen und dann im Gehirn des Empfängers interpretiert. Dort löst er idealerweise Erheiterung aus. Die Gedanke der Memetik ist nun, dass der Witz sich selbstständig zu replizieren versucht.


Ich sehe da bisher keinen Widerspruch zu dem, was ich ausgeführt habe. Manche Teile meines Textes beziehen sich auf frühere Beiträge (z.B. wo es um Information ging). Es ist natürlich Quatsch, dass ein Witz eigene Interessen verfolgt. Gene versuchen auch nicht, sich selbst zu replizieren, auch verfolgen Viren keine Interessen, es sind keine planenden Wesen. Das fällt für mich unter »sprachliche Vereinfachung«.

donquijote hat geschrieben:Unmittelbark klar wird das bei Dawkins Beispiel aus dem Tierreich, dem Gesang der Neuseeland-Lappenstare. Hier sind es offenkundig nicht die Melodien, die nach Vermehrung drängen, sondern die Lappenstar-Männchen. Es sind deren Reproduktionsinteressen, die sie zum singen veranlassen.


Sicher, aber es ist die falsche Ebene, jedenfalls wie ich die Memtheorie bisher betrachtet habe. Du zeigst eine richtige Verbindung auf, aber das ist anscheinend nicht der Kerngedanke oder nur ein Teilaspekt. Der Kerngedanke, wie ich ihn verstanden hatte, ist: »Was wäre, wenn Ideen wie Lebewesen wären, die eine Umwelt (Gehirne) bewohnten und sich durch Anpassung an diesen Lebensraum menschlicher Geist veränderten und optimierten?«. Ein Grund, warum eine Idee in der Umwelt Gehirn überleben könnte ist, weil sie dem Lebewesen Vorteile im Sinne der Evolution verschafft, z.B. wie im Fall der Lappenstar-Männchen, aber das ist nicht alles. Wie sieht die Überlebensstrategie von Witzen genau aus? Da kommen wir dem spannenden Bereich meiner Meinung näher.

Religionen zum Beispiel: Warum konnten sie sich verbreiten? Welche Veränderungen (»Mutation«) hat/musste stattfinden, damit z.B. das Christentum bis heute überleben konnte? usw. Ich glaube es ist zu kurz gedacht, alles auf verbesserte Reproduktionsfähigkeiten der biologischen Träger zu reduzieren. Vielleicht ist die Beschaffenheit unseres Gehirns, Denkstrukturen, Kognition usw. viel bedeutender; die Verbreitung von »optischen Täuschungen« zum Beispiel. Das Beispiel Witz ist nicht zufällig gewählt: eventuell gibt es irgendetwas in unserem Denken, dass Witze erzählenswert macht. Religionen wiederum scheinen gleichsam einen »Blinden Fleck« auszunutzen, wenn man sieht wie viele Leute sich mit der grundsätzlichen Nicht-Widerlegbarkeit irgendeiner religiösen Aussage tun usw.
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Re: Die Mem-Theorie

Beitragvon donquijote » Mo 1. Nov 2010, 04:04

Lumen hat geschrieben:Gene versuchen auch nicht, sich selbst zu replizieren, auch verfolgen Viren keine Interessen, es sind keine planenden Wesen. Das fällt für mich unter »sprachliche Vereinfachung«.

Interessen haben nichts mit Planung zu tun. In der Soziobiologie wird selbst Austern ein Reproduktionsinteresse zugesprochen. Ich glaube nicht, dass die planend tätig sind.

Lumen hat geschrieben:Wie sieht die Überlebensstrategie von Witzen genau aus? Da kommen wir dem spannenden Bereich meiner Meinung näher.

Witze haben keine Überlebensstrategie, da sie nicht leben. Nur Witzeerzähler haben eine Überlebensstrategie.

Lumen hat geschrieben:Religionen zum Beispiel: Warum konnten sie sich verbreiten? Welche Veränderungen (»Mutation«) hat/musste stattfinden, damit z.B. das Christentum bis heute überleben konnte? usw. Ich glaube es ist zu kurz gedacht, alles auf verbesserte Reproduktionsfähigkeiten der biologischen Träger zu reduzieren.

Nein, dort geht es um die Reproduktionsinteressen der Religionsgemeinschaften (der Kirchen). Das sind gemäß der Systemischen Evolutionstheorie sog. Superorganismen. Heute gab es im Fernsehen einige Filme über Martin Luther (31.10.1517 Thesen in Wittenberg). Da kam das in den Dialogen klar zum Ausdruck: Luther sei eine Gefahr für das Überleben der Kirche, hieß es. Mersch erklärt die Evolution der Religionen gemäß der Systemischen Evolutionstheorie in seinem Artikel Sarrazin und das "biologistische" Menschenbild, und zwar dort im Kapitel 5. "Die evolutionäre Bedeutung der Religionen".

Lumen hat geschrieben:Das Beispiel Witz ist nicht zufällig gewählt: eventuell gibt es irgendetwas in unserem Denken, dass Witze erzählenswert macht.

Ja klar, unsere Reproduktionsinteressen. Wir sind bestrebt, unsere Kompetenzen zu bewahren (zu reproduzieren). Wir möchten anderen gefallen.

Lumen hat geschrieben:Religionen wiederum scheinen gleichsam einen »Blinden Fleck« auszunutzen, wenn man sieht wie viele Leute sich mit der grundsätzlichen Nicht-Widerlegbarkeit irgendeiner religiösen Aussage tun usw.

Dann hätte die Memetik auch einen blinden Fleck, wenn man bedenkt wie viele Leute an die Memetik glauben und wie wenige an die viel sinnvollere und klarer strukturierte Systemische Evolutionstheorie.
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Re: Die Mem-Theorie

Beitragvon Zappa » Mo 1. Nov 2010, 10:54

donquijote hat geschrieben:Die Gedanke der Memetik ist nun, dass der Witz sich selbstständig zu replizieren versucht. Der Witz selbst ist die treibende Kraft, die sich durchzusetzen versucht.


Ich würde das als die "starke Variante" der Memetik bezeichnen. Es soweit zu treiben dem Witz ein "Interesse" oder eine "treibende Kraft" zu unterstellen ist dann doch etwas zu weit gegriffen. Autoren wie Dennett vertreten - wenn ich das richtig verstanden habe - eine abgeschwächte Version: Es gibt Ideen, die sich besser replizieren, weil sie von uns und anderen besser memoriert werden. Unabhängig vom eigentlichen Informationsgehalt werden bestimmte Wortkombinationen, Pointen etc. besser memoriert als andere. Z.B. wird eine längere Geschichte an deren Ende eine Person durch die Tür geht schlechter erinnert, als wenn er durch die Wand geht, auch wenn der Informationsgehalt allenfalls minimal variiert. Für uns ist die Pointe einfach unerwartet, ungewöhnlich und wird deswegen besser erinnert. Aus diesem Grund, so mag man schlussfolgern, haben sich in vorschriftlichen Kulturen vor allem supranaturalistische Ideen (Wunder, Götter usw.) besonders gut durchsetzen können. Nicht oder nicht ausschließlich wegen ihres besseren Informationsgehaltes, bzw. ihrer Nützlichkeit für die Gesellschaft, sondern einfach wegen der besseren Replikationsfähigkeit.

Linguisten und Psychologen arbeiten daran dies empirisch nachzuweisen und es gibt Autoren die behaupten solche Nachweise gäbe es bereits.
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Re: Die Mem-Theorie

Beitragvon donquijote » Mo 1. Nov 2010, 11:59

Zappa hat geschrieben: Autoren wie Dennett vertreten - wenn ich das richtig verstanden habe - eine abgeschwächte Version: Es gibt Ideen, die sich besser replizieren, weil sie von uns und anderen besser memoriert werden. (...) Linguisten und Psychologen arbeiten daran dies empirisch nachzuweisen und es gibt Autoren die behaupten solche Nachweise gäbe es bereits.


Aber das alles nützt doch nichts. Warum repliziert sich ein Witz? Anders gefragt: Warum wird er weitererzählt? Weil er sich besser memoriert? Warum erzählt man in einer bestimmten Umgebung einen anzüglichen Witz, bei Kindern einen ganz anderen, in einer seriösen Geschäftssituation einen noch anderen?

Ideen, Witze, Melodien etc. replizieren sich, weil Lebewesen Eigeninteressen verfolgen. Stell dir vor, morgen erfindet jemand einen neuen Musikstil, der weltweit auf Begeisterung stößt. Die Songs replizieren sich u. a. weltweit über Radiostationen, MTV, Viva etc. Die tun das gleichfalls aus Eigeninteresse, damit man sie einschaltet ("coole Musik, die die den ganzen Tag spielen") und sie Werbepausen verkaufen können. Und die restliche Musikszene? Da werden Unmengen an Nachahmern auftauchen, die nun gleichfalls berühmt werden möchten, um viel Geld zu verdienen und jeden Abend 3 andere Mädchen im Bett zu haben.
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Re: Die Mem-Theorie

Beitragvon Zappa » Mo 1. Nov 2010, 13:05

donquijote hat geschrieben: Ideen, Witze, Melodien etc. replizieren sich, weil Lebewesen Eigeninteressen verfolgen.


Das ist die Basis, sicher. Die Frage ist aber, warum sich bestimmte Ideen, Wörter, Melodien besser replizieren als fast identische andere. Sicherlich kann man mit viel Aufwand einen Star in das Geschäft pushen (wurde auch schon gemacht), aber nichts verkauft sich leichter als eine schlichte, schöne Melodie (Ohrwurm). Ich sehe auch ehrlich gesagt keinen Widerspruch zwischen den Ansätzen, die ergänzen sich doch ganz gut.

Abgesehen davon halte ich die Idee, alle Gedächtnisinhalte seien bezüglich ihrer Replikationsfähigkeit gleichwertig für grotesk. Es kann doch evolutionär nur so sein, dass unser Gehirn so aufgebaut ist bestimmte Informationen besser wahzunehmen und zu memorieren als andere. Ansonsten würde wir ja in einem Meer von Sinneseindrücke und in Terrabytes von Gedächtnisinhalten ertrinken. Nein, da wird gefiltert, gewichtet, aussortiert und nachverarbeitet, dass es nur so kracht. Und das wird nicht nur vom Eigeninteresse gelenkt (sonst würde ja niemand mit organisch gesunden Hirn durch ein Prüfung fallen :mg: ). Ideen, Melodien, Wörter etc. pp. die aus irgendwelchen Gründen im Filter besser hängen bleiben als andere werden nicht gelöscht und haben deswegen einen "Selektionsvorteil".

Abgesehen ist das Schöne an der Memthese ja, dass sie empirisch überprüfbar ist.
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Re: Die Mem-Theorie

Beitragvon stine » Mo 1. Nov 2010, 13:08

Zappa hat geschrieben:Linguisten und Psychologen arbeiten daran dies empirisch nachzuweisen und es gibt Autoren die behaupten solche Nachweise gäbe es bereits.


Die Spinne in der Yucca Palme und andere Geschichten.
es soll Leute geben, die absichtlich solche Geschichten in die Welt setzen und warten, wie lange es dauert, bis sie diese wieder als wahre Begebenheit erzählt bekommen. Meisten beginnen diese Geschichten mit: Ein Freund hat erzählt, dass ein Bekannter von ihm...

LG stine
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Re: Die Mem-Theorie

Beitragvon donquijote » Mo 1. Nov 2010, 13:21

Zappa hat geschrieben: Abgesehen davon halte ich die Idee, alle Gedächtnisinhalte seien bezüglich ihrer Replikationsfähigkeit gleichwertig für grotesk. Es kann doch evolutionär nur so sein, dass unser Gehirn so aufgebaut ist bestimmte Informationen besser wahzunehmen und zu memorieren als andere.

Und genau hier setzen die Interessen an. Das Vogelmännchen ist bestrebt, sich möglichst oft fortzupflanzen. Das ist sein Interesse. Also versucht es eine Melodie zu finden, die möglichst viel Anklang bei den Weibchen findet (sodass sie ein wohliges Gefühl in deren Gehirnen auslöst). Das macht einen Großteil der Genialität von Musikern aus: Melodien und Stilrichtungen zu finden, die dem Geschmack ihrer Zeit entsprechen, ihn prägen oder vorwegnehmen.

Zappa hat geschrieben:Und das wird nicht nur vom Eigeninteresse gelenkt (sonst würde ja niemand mit organisch gesunden Hirn durch ein Prüfung fallen :mg: ). Ideen, Melodien, Wörter etc. pp. die aus irgendwelchen Gründen im Filter besser hängen bleiben als andere werden nicht gelöscht und haben deswegen einen "Selektionsvorteil".

Nicht der Pfauenschweif hat einen Selektionsvorteil, sondern nur der Pfau. Nicht die Melodie des Lappenstars hat einen Selektionsvorteil, sondern der singende Lappenstar. Dass der den Geschmack der Weibchen treffen muss, ist klar. Das ist aber bei dem Schweif des Pfaus nicht anders. Der Unterschied ist lediglich: Der Schweif ist fix, die Melodie nicht. Ansonsten sind beides Fitnessindikatoren, anhand derer das Männchen selektiert wird. Ohne Eigeninteresse würde es überhaupt keine Melodie geben. Bevor eine Melodie angeblich selektiert werden kann, muss jemand eine Melodie erfinden. Die Memetik leugnet diesen Umstand. Sie stellt das Erfinden als Replikationsfehler dar. Das ist nicht richtig. Hinter dem Erfinden steckt ein Eigeninteresse, nämlich selektiert zu werden. Es ist auch nicht richtig - wie die Memetik behauptet - dass sich Musik weiterentwickelt, weil bei der Replikation von "Freude schöner Götterfunke" Fehler gemacht werden. Es sind Musiker, die neue Melodien komponieren! Und deren Melodien verbreiten sich speziell in der heutigen Zeit (mit den modernen Medien) zentral und nicht von Mensch zu Mensch.

Zappa hat geschrieben:Abgesehen ist das Schöne an der Memthese ja, dass sie empirisch überprüfbar ist.

Eine These, die den Grundgesetzen der Physik widerspricht, soll empirisch überprüfbar sein? Wie geht denn das?
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Re: Die Mem-Theorie

Beitragvon Zappa » Mo 1. Nov 2010, 15:09

donquijote hat geschrieben: Und genau hier setzen die Interessen an. Das Vogelmännchen ist bestrebt, sich möglichst oft fortzupflanzen. Das ist sein Interesse. Also versucht es eine Melodie zu finden, die möglichst viel Anklang bei den Weibchen findet (sodass sie ein wohliges Gefühl in deren Gehirnen auslöst).


Ich denke ich verstehen diesen Begriff von Interesse nicht so richtig, soll das was bewusstes oder zumindest planhaftes sein? Wenn ja finde ich die These so nicht haltbar.

Es ist nicht das Interesse des Vogelmännchens sich fortzupflanzen, sondern der Instinkt des Fortpflanzen seiner Vorfahren, der ihm natürlich auch zu eigen ist, ist Grund seiner Existenz. Ebenso intoniert er nicht aus Interesse die Melodie (geschweige denn versucht er eine Melodie systematisch zu optimieren), sondern er trällert aus Instinkt. Passt seine instinktive Melodie gut zu den instinktiven Geschmäckern der Weibchen, hat die Melodie eine gute Chance auch in Jahrtausenden noch geträllert zu werden, ansonsten nicht.

donquijote hat geschrieben: Nicht der Pfauenschweif hat einen Selektionsvorteil, sondern nur der Pfau. Nicht die Melodie des Lappenstars hat einen Selektionsvorteil, sondern der singende Lappenstar. Dass der den Geschmack der Weibchen treffen muss, ist klar. Das ist aber bei dem Schweif des Pfaus nicht anders. Der Unterschied ist lediglich: Der Schweif ist fix, die Melodie nicht. Ansonsten sind beides Fitnessindikatoren, anhand derer das Männchen selektiert wird.


Ich denke man kann das Ganze überhaupt nicht auf der Ebene des Individuums diskutieren. Der Pfau hat nämlich auch keinen Selektionsvorteil, er kann nur möglichst viele Nachkommen zeugen und durchbringen. Ob diese dann in Zukunft sich weiter durchsetzen werden liegt weder in seinem Ermessen, noch hat er daran ein gesteigertes Interesse, nehme ich mal an. Auch hat der singende Lappenstar kein Selektionsvorteil, der er irgendwie wesentlich beeinflussen könnte (außer vielleicht zu üben möglichst laut und gut zu singen), das Zusammenspiel zwischen Lappenstarmännchen, Lappenstarweibchen und der Melodie ist für das Individuum allenfalls sehr, sehr begrenz beeinflussbar (sozusagen emergent). Und warum in diesem komplexen Zusammenspiel nun ausgerechnet der Informationsträger kein Eigenrolle spielen soll, verstehe ich auch nicht richtig. Ich könnte mir z.B. gut vorstellen, das in unserer Umwelt sich andere Melodien "rausmendeln", weil die armen Viecher ja gegen unserer akustische Umweltverschmutzung ansingen müssen. Die Melodie spielte in diesem Fall durchaus also eine eigenständige Rolle. Wie groß die ist, darüber kann man trefflich und ewiglich diskutieren oder man kann versuchen das Problem anhand von konkreten Fakten zu klären. Das wäre doch mal eine schöne ornithologische Doktorarbeit.

donquijote hat geschrieben: Ohne Eigeninteresse würde es überhaupt keine Melodie geben. ... Hinter dem Erfinden steckt ein Eigeninteresse, nämlich selektiert zu werden.


Eigeninteresse ist also gleich Selektionsvorteil? Zirkelschluss ick hör dir trapsen.

Das Henne und Ei Problem ist natürlich wie immer schwer zu lösen, wahrscheinlich wird man es nur über emergente Phänomene knacken können.

donquijote hat geschrieben: These, die den Grundgesetzen der Physik widerspricht, soll empirisch überprüfbar sein? Wie geht denn das?


Ich wüsste nicht, dass wir auf Ebene der Physik diskutieren. Ich habe ja oben bereits einen Vorschlag zur empirischen Überprüfung gemacht. Entwicklungspsychologen könnten darüber hinaus z.B. untersuchen, welche Gesten, Melodien und Lautfolgen bzw. welche Variationen davon am besten memoriert und weitergegeben werden und welche Gesetzmäßigkeiten dahinter stecken. Ebenso könnten Anthropologen schauen welche Geschichten in schriftlichen und vorschrifltichen Kulturen die bessere Fitness haben. Genauso können Linguisten untersuchen welche Lautverschiebungen etc. am erfolgreichsten sind.
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Re: Die Mem-Theorie

Beitragvon donquijote » Mo 1. Nov 2010, 18:14

Zappa hat geschrieben: Ich denke ich verstehen diesen Begriff von Interesse nicht so richtig, soll das was bewusstes oder zumindest planhaftes sein? Wenn ja finde ich die These so nicht haltbar.

Nein, damit hat das nichts zu tun. Es kann eine reine Homöostase-Funktion sein, die eine Handlung initiiert. Das Reproduktionsinteresse unterscheidet sich aber von der Reproduktionsfähigkeit. In der Soziobiologie ist "Reproduktionsinteresse" ein fester Begriff.

Zappa hat geschrieben:Es ist nicht das Interesse des Vogelmännchens sich fortzupflanzen, sondern der Instinkt des Fortpflanzen seiner Vorfahren, der ihm natürlich auch zu eigen ist, ist Grund seiner Existenz.

Nein, Instinkt ist bestenfalls der Mechanismus, mit dem das Interesse implementiert wurde. Reproduktionsinteresse meint ungefähr das Gleiche wie Dawkins mit "Gen-Egoismus", außer dass Dawkins von einem überall gleich großen Egoismus ausgeht, während das Interesse eine Variable ist und es sich auf Individuen und nicht Gene bezieht. Zwei Tiere der gleichen Population können also nicht nur unterschiedlich gut angepasst sein, sondern auch unterschiedliche Reproduktionsinteressen besitzen.

Zappa hat geschrieben:Ebenso intoniert er nicht aus Interesse die Melodie (geschweige denn versucht er eine Melodie systematisch zu optimieren), sondern er trällert aus Instinkt. Passt seine instinktive Melodie gut zu den instinktiven Geschmäckern der Weibchen, hat die Melodie eine gute Chance auch in Jahrtausenden noch geträllert zu werden, ansonsten nicht.

Das Reproduktionsinteresse ist der allgemeinere Begriff. Biologen gehen allgemein davon aus, dass es 2 Hauptlebensfunktionen gibt: Selbsterhalt und Fortpflanzung. Auf diese Begriffe bezieht sich "Reproduktionsinteresse". Man muss dabei nichts über Instinkte wissen. Besitzen Pflanzen einen Fortpflanzungsinstinkt? Ich möchte das bezweifeln. Besitzen sie ein Reproduktionsinteresse? Ja.

Zappa hat geschrieben:Ich denke man kann das Ganze überhaupt nicht auf der Ebene des Individuums diskutieren. Der Pfau hat nämlich auch keinen Selektionsvorteil, er kann nur möglichst viele Nachkommen zeugen und durchbringen. Ob diese dann in Zukunft sich weiter durchsetzen werden liegt weder in seinem Ermessen, noch hat er daran ein gesteigertes Interesse, nehme ich mal an. Auch hat der singende Lappenstar kein Selektionsvorteil, der er irgendwie wesentlich beeinflussen könnte (außer vielleicht zu üben möglichst laut und gut zu singen), das Zusammenspiel zwischen Lappenstarmännchen, Lappenstarweibchen und der Melodie ist für das Individuum allenfalls sehr, sehr begrenz beeinflussbar (sozusagen emergent). Und warum in diesem komplexen Zusammenspiel nun ausgerechnet der Informationsträger kein Eigenrolle spielen soll, verstehe ich auch nicht richtig. Ich könnte mir z.B. gut vorstellen, das in unserer Umwelt sich andere Melodien "rausmendeln", weil die armen Viecher ja gegen unserer akustische Umweltverschmutzung ansingen müssen. Die Melodie spielte in diesem Fall durchaus also eine eigenständige Rolle. Wie groß die ist, darüber kann man trefflich und ewiglich diskutieren oder man kann versuchen das Problem anhand von konkreten Fakten zu klären. Das wäre doch mal eine schöne ornithologische Doktorarbeit.


Ja aber das wäre doch völlig egal. Die Anpassungsleistung müsste dennoch das Individuen erbringen. Es geht nur darum, welches Individuum sich fortpflanzen kann. Wenn es dazu eine bislang unerhörte Melodie hervorbringen muss, dann ist das halt so. Im Übrigen wählen die Weibchen ganz stark auch nach Lautstärke und Ausdauer, d.h. energetischen Leistungsmerkmalen, die eine starke genetische Wurzel haben. Nur deshalb funktionert die Sache auch.

Zappa hat geschrieben:Eigeninteresse ist also gleich Selektionsvorteil? Zirkelschluss ick hör dir trapsen.

Nein, aber um selektiert zu werden benötigt man die Fähigkeit und das Interesse.

Zappa hat geschrieben:Ich wüsste nicht, dass wir auf Ebene der Physik diskutieren. Ich habe ja oben bereits einen Vorschlag zur empirischen Überprüfung gemacht. Entwicklungspsychologen könnten darüber hinaus z.B. untersuchen, welche Gesten, Melodien und Lautfolgen bzw. welche Variationen davon am besten memoriert und weitergegeben werden und welche Gesetzmäßigkeiten dahinter stecken. Ebenso könnten Anthropologen schauen welche Geschichten in schriftlichen und vorschrifltichen Kulturen die bessere Fitness haben. Genauso können Linguisten untersuchen welche Lautverschiebungen etc. am erfolgreichsten sind.

Nur leider erklärt das nichts, weil hier der Fitnessbegriff auf Konzepte angewendet wird, wo man es nicht tun sollte. Ist ein Nokia-Handy fitter als eins von Samsung? Meines Erachtens könnte man höchstens von der Fitness von Nokia oder Samsung sprechen, so wie es in der Evolutionsökonomik auch getan wird.
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Re: Die Mem-Theorie

Beitragvon Zappa » Mo 1. Nov 2010, 19:54

donquijote hat geschrieben: ... eine reine Homöostase-Funktion ... die eine Handlung initiiert.


Ist das nicht ein Widerspruch in sich?

donquijote hat geschrieben: In der Soziobiologie ist "Reproduktionsinteresse" ein fester Begriff.


Wäre mir neu, dass die Soziobiologie eine anerkannte Wissenschaft ist. Abgesehen davon, sind wir in unserer Diskussion schon so tief gesunken, das wir Begriff definieren müssen? Wenn ja, dann aber bitte korrekt mit Quellenangabe.

donquijote hat geschrieben: Reproduktionsinteresse meint ungefähr das Gleiche wie Dawkins mit "Gen-Egoismus", außer dass Dawkins von einem überall gleich großen Egoismus ausgeht, während das Interesse eine Variable ist und es sich auf Individuen und nicht Gene bezieht.


Das ist meiner Meinung nach der Kardinalfehler in der Argumentation: Im Weltgefüge im Allgemeinen und der Evolution im Speziellen ist das Individuum ein Staubkorn oder Haufen Dreck, im besten Fall.

donquijote hat geschrieben: Reproduktionsinteresse ist der allgemeinere Begriff. Biologen gehen allgemein davon aus, dass es 2 Hauptlebensfunktionen gibt: Selbsterhalt und Fortpflanzung. Auf diese Begriffe bezieht sich "Reproduktionsinteresse". Man muss dabei nichts über Instinkte wissen. Besitzen Pflanzen einen Fortpflanzungsinstinkt? Ich möchte das bezweifeln. Besitzen sie ein Reproduktionsinteresse? Ja.


Ich finde die Wortwahl nach wie vor mehr als befremdlich. Selbsterhalt und Fortpflanzung sind Konstanten meines Lebens, und die des Lebens der Pflanze. Der Begriff "Interesse" suggeriert da etwas von individueller Freiheit, die definitiv nicht da ist (zumindest nicht im Zusammenhang der Evolution). Ich denke Du verrennst dich da in was.


donquijote hat geschrieben:
Zappa hat geschrieben:Eigeninteresse ist also gleich Selektionsvorteil? Zirkelschluss ick hör dir trapsen.

Nein, aber um selektiert zu werden benötigt man die Fähigkeit und das Interesse.


Um selektiert zu werden braucht man einfach nur unendlich, unwahrscheinliches Glück oder Zufall oder ein Wimpernschlag des Schicksals oder was weiß ich ...

Denkt doch nicht immer all dies hätte einen Sinn (oder Schöpfer/Lenker :gott:)
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Re: Die Mem-Theorie

Beitragvon donquijote » Mo 1. Nov 2010, 21:32

Zappa hat geschrieben:Ist das nicht ein Widerspruch in sich?

Wieso denn das? Es ist doch längst erwiesen, dass z. B. vor einer motorischen Bewegung ein sog. Bereitschaftspotenzial in Gehirnarealen feststellbar ist (http://de.wikipedia.org/wiki/Bereitschaftspotential). Was braucht man, um seinen Freunden die Mondscheinsonate vorzuspielen? 1. Man muss es können. 2. Man muss sich vor das Klavier setzen und es tun.
Der 1. Punkt steht für die Fähigkeit, der 2. für das Interesse. Es gibt Menschen, die können sehr gut Klavierspielen, setzen sich aber nur 1x im Monat ans Klavier. Und es gibt andere, die können es weniger gut, spielen aber jeden Abend eine Stunde. Die ersteren haben die größeren Kompetenzen, aber das geringere Klavierspielinteresse.

Zappa hat geschrieben:Wäre mir neu, dass die Soziobiologie eine anerkannte Wissenschaft ist.

Natürlich ist sie das.

Zappa hat geschrieben: Abgesehen davon, sind wir in unserer Diskussion schon so tief gesunken, das wir Begriff definieren müssen? Wenn ja, dann aber bitte korrekt mit Quellenangabe.


Kapitel 4 in Systemische Evolutionstheorie
Dort wird auch aus der Literatur zitiert.

Zappa hat geschrieben: Das ist meiner Meinung nach der Kardinalfehler in der Argumentation: Im Weltgefüge im Allgemeinen und der Evolution im Speziellen ist das Individuum ein Staubkorn oder Haufen Dreck, im besten Fall.


Wie bitte? Evolution entsteht aus dem Bestreben einer Vielzahl von Individuen, ihre Kompetenzen zu erhalten. Der Unterschied zwischen Leben und Nichtleben ist das Eigeninteresse. Trittst du nach einem Stein, fliegt er durch die Gegend. Trittst du nach einem Kaninchen, springt es vorher weg. Es ist bestrebt, die eigenen Kompetenzen zu bewahren.

Zappa hat geschrieben: Ich finde die Wortwahl nach wie vor mehr als befremdlich. Selbsterhalt und Fortpflanzung sind Konstanten meines Lebens, und die des Lebens der Pflanze. Der Begriff "Interesse" suggeriert da etwas von individueller Freiheit, die definitiv nicht da ist (zumindest nicht im Zusammenhang der Evolution). Ich denke Du verrennst dich da in was.


Was sollen denn Selbsterhalt und Fortpflanzung sein ohne Interesse? Wodurch bitte soll denn Konkurrenz entstehen? Warum versucht ein Tier einem anderen die Beute abzujagen? Weil es ein Selbsterhaltungsinteresse (Reproduktionsinteresse) besitzt!

Zappa hat geschrieben: Um selektiert zu werden braucht man einfach nur unendlich, unwahrscheinliches Glück oder Zufall oder ein Wimpernschlag des Schicksals oder was weiß ich ...


Ach was. Ein See-Elefanten-Männchen muss Weibchen zu einem Harems zusammenfüge, den Harem gegen andere Männchen verteidigen und die Weibchen regelmäßig besteigen. Mit Glück und Zufall ist da nichts. Man muss sich anstregen, um selektiert zu werden.

Zappa hat geschrieben:Denkt doch nicht immer all dies hätte einen Sinn (oder Schöpfer/Lenker :gott:)

Bei der Systemischen Evolutionstheorie gibt es überhaupt keinen Sinn mehr.
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Re: Die Mem-Theorie

Beitragvon donquijote » Mo 1. Nov 2010, 21:45

Zappa hat geschrieben:Denkt doch nicht immer all dies hätte einen Sinn (oder Schöpfer/Lenker :gott:)


In der Einleitung zum Knol-Artikel Systemische Evolutionstheorie steht geschrieben:

Die Theorie ist interdisziplinär angelegt und weder der Biologie, der Soziobiologie noch der Soziologie zurechenbar. Ihr Grundgedanke ist in etwa: Der lebende Teil der Welt besteht aus lauter Evolutionsakteuren, die alle mehr oder weniger stark bestrebt sind, ihre Kompetenzen gegenüber ihrem Lebensraum zu bewahren, und zwar während ihres eigenen Lebens und ggf. über ihr Leben hinaus. Dazu benötigen sie fortwährend Ressourcen aus ihrer Umgebung, die mittels unterschiedlicher Wettbewerbskommunikationen unter den Evolutionsakteuren verteilt werden. Aufgrund des Wettbewerbs um die Ressourcen werden die Akteure zu Feinden, Konkurrenten oder Partnern. Eventuell weiten sie ihre aktuelle Nische aus oder besetzen neue Nischen. Ist die Kooperation einiger Akteure besonders intensiv, kann sich eine neue Systemebene an Evolutionsakteuren - per Selbstorganisation - bilden, für die nun wieder das Gleiche gilt. Der unterschiedliche Erfolg der Evolutionsakteure bei der Reproduktion ihrer Kompetenzen bewirkt schließlich Evolution.
(http://knol.google.com/k/systemische-evolutionstheorie)


Mit anderen Worten: Normalerweise nimmt die Entropie in einem System ständig zu. Beim Leben handelt es sich jedoch um Systeme, die fortwährend bestrebt sind, ihre Lebensraumkompetenzen zu bewahren, d.h. ihre Entropie nicht höher werden zu lassen. Dafür gehen sie z. B. auf Nahrungssuche. Durch die Fortpflanzung erhalten sie ihre Kompetenzen sogar über ihr Leben hinaus.

Der Physiker Ebeling (Verfasser von Büchern wie "Physik der Selbstorganisation und Evolution") hat Mersch geschrieben, dass die Systemische Evolutionstheorie kompatibel ist mit seinen eigenen Evolutionsvorstellungen ist.

Man braucht dann allerdings keinen Hokus Pokus mehr wie die Memetik. Die Memetik setzt gleichfalls Konkurrenz unter den Memen voraus. Doch auf welcher Basis?
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Re: Die Mem-Theorie

Beitragvon Lumen » Mo 1. Nov 2010, 23:12

Ist die Kooperation einiger Akteure besonders intensiv, kann sich eine neue Systemebene an Evolutionsakteuren - per Selbstorganisation - bilden, für die nun wieder das Gleiche gilt. Der unterschiedliche Erfolg der Evolutionsakteure bei der Reproduktion ihrer Kompetenzen bewirkt schließlich Evolution.
(http://knol.google.com/k/systemische-evolutionstheorie)


Ich kannte die Systemische Evolutionstheorie bisher nicht, jedoch scheint diese Stelle genau das zu beschreiben, was auch die Mem-Theorie beschreibt — sofern »Reproduktion der Kompetenzen« meint, dass sie (die Ideen) aufgrund ihrer 'besseren' Beschaffenheit leichter weiterverbreitet werden als andere Ideen. Gerade die 'bessere' Beschaffenheit ist aber meiner Ansicht nach der interessante Teil. Ich hoffe die Antwort ist nicht, weil der Verbreiter bestimmter Ideen die Reproduktion seiner Gene befördert. Das kann einmal der Fall gewesen sein, es muss sich beim Menschen aber entkoppelt haben (neue Systemebene?)
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