Zappa hat geschrieben: Ich denke ich verstehen diesen Begriff von Interesse nicht so richtig, soll das was bewusstes oder zumindest planhaftes sein? Wenn ja finde ich die These so nicht haltbar.
Nein, damit hat das nichts zu tun. Es kann eine reine Homöostase-Funktion sein, die eine Handlung initiiert. Das Reproduktionsinteresse unterscheidet sich aber von der Reproduktionsfähigkeit. In der Soziobiologie ist "Reproduktionsinteresse" ein fester Begriff.
Zappa hat geschrieben:Es ist nicht das Interesse des Vogelmännchens sich fortzupflanzen, sondern der Instinkt des Fortpflanzen seiner Vorfahren, der ihm natürlich auch zu eigen ist, ist Grund seiner Existenz.
Nein, Instinkt ist bestenfalls der Mechanismus, mit dem das Interesse implementiert wurde. Reproduktionsinteresse meint ungefähr das Gleiche wie Dawkins mit "Gen-Egoismus", außer dass Dawkins von einem überall gleich großen Egoismus ausgeht, während das Interesse eine Variable ist und es sich auf Individuen und nicht Gene bezieht. Zwei Tiere der gleichen Population können also nicht nur unterschiedlich gut angepasst sein, sondern auch unterschiedliche Reproduktionsinteressen besitzen.
Zappa hat geschrieben:Ebenso intoniert er nicht aus Interesse die Melodie (geschweige denn versucht er eine Melodie systematisch zu optimieren), sondern er trällert aus Instinkt. Passt seine instinktive Melodie gut zu den instinktiven Geschmäckern der Weibchen, hat die Melodie eine gute Chance auch in Jahrtausenden noch geträllert zu werden, ansonsten nicht.
Das Reproduktionsinteresse ist der allgemeinere Begriff. Biologen gehen allgemein davon aus, dass es 2 Hauptlebensfunktionen gibt: Selbsterhalt und Fortpflanzung. Auf diese Begriffe bezieht sich "Reproduktionsinteresse". Man muss dabei nichts über Instinkte wissen. Besitzen Pflanzen einen Fortpflanzungsinstinkt? Ich möchte das bezweifeln. Besitzen sie ein Reproduktionsinteresse? Ja.
Zappa hat geschrieben:Ich denke man kann das Ganze überhaupt nicht auf der Ebene des Individuums diskutieren. Der Pfau hat nämlich auch keinen Selektionsvorteil, er kann nur möglichst viele Nachkommen zeugen und durchbringen. Ob diese dann in Zukunft sich weiter durchsetzen werden liegt weder in seinem Ermessen, noch hat er daran ein gesteigertes Interesse, nehme ich mal an. Auch hat der singende Lappenstar kein Selektionsvorteil, der er irgendwie wesentlich beeinflussen könnte (außer vielleicht zu üben möglichst laut und gut zu singen), das Zusammenspiel zwischen Lappenstarmännchen, Lappenstarweibchen und der Melodie ist für das Individuum allenfalls sehr, sehr begrenz beeinflussbar (sozusagen emergent). Und warum in diesem komplexen Zusammenspiel nun ausgerechnet der Informationsträger kein Eigenrolle spielen soll, verstehe ich auch nicht richtig. Ich könnte mir z.B. gut vorstellen, das in unserer Umwelt sich andere Melodien "rausmendeln", weil die armen Viecher ja gegen unserer akustische Umweltverschmutzung ansingen müssen. Die Melodie spielte in diesem Fall durchaus also eine eigenständige Rolle. Wie groß die ist, darüber kann man trefflich und ewiglich diskutieren oder man kann versuchen das Problem anhand von konkreten Fakten zu klären. Das wäre doch mal eine schöne ornithologische Doktorarbeit.
Ja aber das wäre doch völlig egal. Die Anpassungsleistung müsste dennoch das Individuen erbringen. Es geht nur darum, welches Individuum sich fortpflanzen kann. Wenn es dazu eine bislang unerhörte Melodie hervorbringen muss, dann ist das halt so. Im Übrigen wählen die Weibchen ganz stark auch nach Lautstärke und Ausdauer, d.h. energetischen Leistungsmerkmalen, die eine starke genetische Wurzel haben. Nur deshalb funktionert die Sache auch.
Zappa hat geschrieben:Eigeninteresse ist also gleich Selektionsvorteil? Zirkelschluss ick hör dir trapsen.
Nein, aber um selektiert zu werden benötigt man die Fähigkeit und das Interesse.
Zappa hat geschrieben:Ich wüsste nicht, dass wir auf Ebene der Physik diskutieren. Ich habe ja oben bereits einen Vorschlag zur empirischen Überprüfung gemacht. Entwicklungspsychologen könnten darüber hinaus z.B. untersuchen, welche Gesten, Melodien und Lautfolgen bzw. welche Variationen davon am besten memoriert und weitergegeben werden und welche Gesetzmäßigkeiten dahinter stecken. Ebenso könnten Anthropologen schauen welche Geschichten in schriftlichen und vorschrifltichen Kulturen die bessere Fitness haben. Genauso können Linguisten untersuchen welche Lautverschiebungen etc. am erfolgreichsten sind.
Nur leider erklärt das nichts, weil hier der Fitnessbegriff auf Konzepte angewendet wird, wo man es nicht tun sollte. Ist ein Nokia-Handy fitter als eins von Samsung? Meines Erachtens könnte man höchstens von der Fitness von Nokia oder Samsung sprechen, so wie es in der Evolutionsökonomik auch getan wird.