Die (Gleich)Stellung der Frau im Naturalismus?

Re: Die (Gleich)Stellung der Frau im Naturalismus?

Beitragvon Nanna » Mi 15. Feb 2012, 18:31

stine hat geschrieben:Das Kind braucht eine "sichere Basis", um von dort aus die Welt erkunden zu können.

Da sind wir uns auch einig. Ich will an erster Stelle vor allem festgestellt haben, dass aus dieser, sagen wir mal empirisch halbwegs gesicherten, Erkenntnis, nicht zwingend ein moralischer Imperativ für alle Mütter folgt. Anders gesagt, mit dem Naturalismus allein ist nicht zu begründen, warum die Frau die Kinder aufziehen soll. Es lassen sich sicherlich gute biologische Gründe anführen, warum ein solcher Weg unterstützt werden sollte (die Mutter ist, jetzt mal sehr technisch-abstrakt gesprochen, im statistischen Mittel das beste biologische "Werkzeug" zur Kinderaufzucht). Allerdings gibt es andere ethische und moralische Forderungen, die auf diesen Weg einschränkend wirken, z.B. die Forderung nach Gleichberechtigung. Die Frage, wie man dann im Alltag und in der Politik pragmatisch damit umgeht, ist deshalb von der rein theorielastigen Betrachtung auch etwas getrennt zu betrachten.

stine hat geschrieben:Eine Einrichtung kann sich um das körperliche Wohl der Schutzbeauftragten kümmern, aber das seelische Wohl der Kinder bleibt oft auf der Strecke, da die Menge der Tätigkeiten nicht viel Zeit für das einzelne Kind übrig lässt.

Das ist ja nun mehr ein ökonomisches und organisatorisches als ein biologisches Problem.

stine hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben: Hätte eine Rechtsanwältin, die zwei, drei Jahre zur Kindeserziehung pausiert, ein schlechteres Ansehen als die dauerberufstätige? [...]
Und? Hat sie? Oder legte man ihr das als Beweis ihrer sozialen Kompetenz aus?
Viele Frauen die ihrer Familie wegen Teilzeitarbeiten haben häufig Probleme damit, mit dem was sie tun ernst genommen zu werden. Kein Wunder also, dass Frauen sich ihrer Weiblichkeit und ihrer biologischen Rolle mehr und mehr entziehen wollen.

Wenn ich dich richtig verstehe, wollen Frauen keine Weiblichkeit haben, weil sie keine Hausfrauen sein dürfen? Im Ernst?
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Re: Die (Gleich)Stellung der Frau im Naturalismus?

Beitragvon laie » Do 16. Feb 2012, 06:57

stine hat geschrieben:Eine Einrichtung kann sich um das körperliche Wohl der Schutzbeauftragten kümmern, aber das seelische Wohl der Kinder bleibt oft auf der Strecke, da die Menge der Tätigkeiten nicht viel Zeit für das einzelne Kind übrig lässt.


Nanna hat geschrieben:Das ist ja nun mehr ein ökonomisches und organisatorisches als ein biologisches Problem.


Stimmt. Ein Teil dieses Problems besteht im häufig wechselnden Personal mancher Einrichtungen. Das hat oft etwas mit Verdienstmöglichkeiten zu tun, bei geringerem Lohn ist halt die Fluktuation grösser. Warum verdienen KindererzieherInnen nicht mehr? Weil Kinder dieser Gesellschaften gleichgültig sind - in der Praxis wohlgemerkt! In der Theorie, da, wo Kinder nicht Zeit, Kraft, Geld, Nerven kosten, da natürlich nicht. Deshalb werden ja auch so wenig Kinder geboren, weil dann mit dem eigenen Leben, so wie man es bisher geführt hat, Schluß ist. Das wissen die Leute insgeheim. Es geht nämlich nicht beides, Beruf und Kinder, ausser vielleicht für Ursula von der Leyen. Einer (Vater oder Mutter) muss zuhause bleiben und sich für den Rest der Zeit mit der Haushaltsführung beschäftigen und der Kindererziehung. Mit "Selbstverwirklichung", wie es in unserer Gesellschaft verstanden wird: "Du kannst jederzeit alles tun, was du willst", ist dann nix mehr.

Der Selbstverwirklichungswahn hat Frauen und Männer gleichermaßen erfasst. Frauen erleben neue Freiheiten. Können Beruf und Kinder verbinden (meinen sie). Tatsächlich wurde über die letzten 100 Jahre einfach eine riesige Marxsche Reservearmee aufgebaut. Da wo früher ein Gehalt reichte, muss die Frau jetzt immer öfter mit dazu verdienen. Dadurch ist sie weniger im Haus (oder der Mann bei Rollenverteilung), das Kind muss während der Arbeitszeit betreut werden.

Es gibt private Einrichtungen, wo ErzieherInnen ein bisschen, aber nicht viel mehr bekommen. Diese Einrichtungen können sich aber nur die wenigsten leisten. Wir reden hier von bis zu 1500.- Euro Betreuungskosten für einen Ganztagsplatz in einer Kinderkrippe.

Jetzt frage ich mich schon, welche Freiheit hier gewonnen wurde.
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Re: Die (Gleich)Stellung der Frau im Naturalismus?

Beitragvon Vollbreit » Do 16. Feb 2012, 07:47

Gunnar Heinsohn hat geschrieben: „Was ist wirklich abgelaufen? Frauen, die ihre Jungfernschaft bewahren, haben über ein paar Jahrhunderte europäischer Geschichte eben dadurch Aussichten auf einen ehelichen Versorger. Dieser benötigt eine eindeutige Beziehung zum Erbsohn und deshalb die Garantie, dass der einzige Sexualpartner seiner Gattin er selbst ist. Das weibliche Geschlecht muss sich Sexualunterdrückung gefallen lassen, aber im Gegenzug gib es – ungeachtet der Vertragsunmündigkeit – einen Status als versorgte Frau. "Der Kontrakt "züchtige Hausfrau" gegen Versorgung unterminiert schon seit Anfang des 19. Jahrhunderts die Transformation des europäischen Arbeitslebens in eine mehrheitlich von Lohnabhängigen bestimmte Welt. Diese haben kein Eigentum bzw. keine eigene Wirtschaft, die ihnen im Erbkontrakt mit dem übernehmenden Sohn Alters- und Krankheitsversorgung einträgt. Rein "ökonomisch" verliert diese zur Mehrheit werdende Schicht das Motiv zur Fortpflanzung, die sich nun in eine bloß noch emotionale und biographische Option verwandelt. Entsprechend beginnt gegen 1875 in Europa der moderne Geburtenrückgang. Da auch bei „nur“ drei oder vier, statt bisher sechs oder acht Kindern pro Mutter eine Bevölkerung weiter kräftig zunimmt, bedarf es gegen 1900 eines regelrechten Entdeckers (Wolf, 1931, 61), um das Phänomen ins öffentliche Bewusstsein zu heben, indem es bis heute eine gänzlich ungebrochene Rolle spielt. Seit den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts zeigen Untersuchungen, dass zunächst die höheren Angestellten nach einer Partnerin suchen, die bereit ist, selbst zu verdienen und bei der Fortpflanzung in der Tendenz gegen Null zu gehen. Da diese Berufsgruppe um die attraktivsten Arbeitsplätze kämpft, versuchen ihre Mitglieder sich dadurch Konkurrenzvorteile zu verschaffen, dass sie Zeit, Energie und Geld nicht für Familien, sondern für Qualifikation einsetzen. In dem Maße in dem diese Gruppe wächst, nimmt die Zahl männlicher Versorgungsangebote an potenzielle Ehefrauen ab. Wollen diese Frauen gleichwohl überleben, müssen sie selbst erwerbstätig werden können, also Arbeits-, Miet- und Kaufverträge abschließen dürfen. Dafür ist die Gleichberechtigung zu erkämpfen. Sie besagt nichts anderes, als dass Frauen dieselbe Vertragsmündigkeit gewinnen wie Männer. Dieser Prozess wird in der Ersten Welt noch im 20. Jahrhundert weitgehend abgeschlossen. Seitdem entwickeln Frauen zunehmend dasselbe Verhaltensmuster wie Männer. Um Konkurrenten – jetzt beiderlei Geschlechts – für attraktivere Karrieren ausstechen zu können, suchen sie eher bestmögliche Qualifikationen als eheliche Versorger. Dieser Kampf um materielle Gleichberechtigung – begonnen von den sozial ranghöheren Frauen – ist ungebrochen im Gange. Von 1875 (Deutsches Reich) bis 1975 (Westdeutschland) sacken die Geburtenzahlen pro 1000 Einwohner von 40 auf 8 herunter. (...) Der überkommene weibliche Verzicht auf voreheliche Sexualität wird mit dem Entfallen männlicher Versorgungsangebote hinfällig. Für eine Jungfernhaut bietet kaum noch jemand etwas. Also rebellieren die Mädchen gegen die herkömmlich Sexualerziehung und die Jungen profitieren ebenfalls davon. Das gegenwärtige Paradox, von den reichsten Territorien der Erde, die nicht imstande sind, sich aus eigener Fortpflanzung zu reproduzieren, löst sich also darin auf, dass Erwerbsquoten von Männern und Frauen von über 80 Prozent zwar den Reichtum steigern, aber die Verausgabung gerade der konkurrenztüchtigsten Lebensjahre für Vermehrung und Erziehung so gut wie unmöglich machen.“
(Gunnar Heinsohn, Söhne und Weltmacht, 2003, Orell-Füssli, S.44ff)
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Re: Die (Gleich)Stellung der Frau im Naturalismus?

Beitragvon stine » Do 16. Feb 2012, 09:31

@laie: Deinen Beitrag kann ich voll unterschreiben!

Nanna hat geschrieben:Wenn ich dich richtig verstehe, wollen Frauen keine Weiblichkeit haben, weil sie keine Hausfrauen sein dürfen? Im Ernst?
Das ist ja noch nicht einmal die Umkehrung meiner Aussage. Frauen lehnen ab, weiblich zu wirken, weil sie im Beruf "ihren Mann" stehen müssen. Und das scheint offensichtlich in den meisten Fällen nur dann zu funktionieren, wenn Frau einen kompetenten Eindruck vermitteln kann. Das taffe Kurzrockmodell mit den hohen Haken in der Vorstandsetage ist ein Werbemodell und in der Wirklichkeit eher selten zu finden. Der Hosenanzug zum Vorstellungstermin ist inzwischen obligatorisch.

@vollbreit: Der Text von Gunnar Heinsohn trifft es schon ziemlich genau, die Aussicht auf Forwärtskommen beinhaltet nun mal das Heiraten im jeweiligen Stand. Die reine Versorgungsehe hat einen schlechten Ruf und findet grade nochmal zwischen Schönheit und Geld statt, nicht aber in gewöhnlich unterschiedlichen Einkommensverhältnissen. Ein Mädchen das nicht studiert hat, hat keine Chance auf einen Akademiker und umgekehrt, denn nur das Modell der materiellen Gleichstellung garantiert den zu erreichenden Wohlstand. Das Ansehen bekommt Rang 1 und die Familie wird zum Beiwerk, sofern es überhaupt noch dazu kommt.

Warum überhaupt dieser Thread?
Weil ich finde, dass die Gleichberechtigung der Frau, sofern sie nur dieselbe Vertragsmündigkeit und das Berufsrecht beinhalten, an der Tatsache vorbeigeht, dass Frauen und Männer eine biologische Rolle innehaben, derer sie nicht mehr gerecht werden können. Wesentlich wichtiger ist, dass die Aufgaben, die aus dieser biologischen Rolle folgen, gleichwert gestellt werden. Solange das Ansehen lediglich aus dem gemeinsam Erwirtschafteten folgt, wird dies nicht so sein.
Und ein weiteres Problem entsteht aus dieser Tatsache:

Markus Grabka, 41. Der Soziologe vom Wirtschaftsinstitut DIW arbeitet für die größte Studie über Einkommen und Vermögen in Deutschland (Soep). Er nennt sich Verteilungsforscher, aber das versteht ja keiner. Wer Grabka in seinem Büro in Berlin-Mitte besucht, hört mehr als zwei Stunden lang, warum Deutschland in Arm und Reich auseinanderfällt - und was das bei der Eheanbahnung bedeutet. http://www.sueddeutsche.de/geld/markus-grabka-aerzte-heiraten-keine-krankenschwestern-mehr-1.100105
Markus Grabka hat das richtig erkannt, die Ehe innerhalb der richtigen Kaste verhindert das Abrutschen in die Armut. Nur wenn beide Arbeiten sind der Wohlstand und das Ansehen des Paares nachhaltig gesichert. Und das je besser, desto höherwertiger die Berufe beider Ehepartner sind. Kinder werden dann so etwas wie Statussymbol und oft unabhängig ihrer eigenen Fähigkeiten in die akademische Laufbahn gezwungen. Überforderung und vergeigte Kindheit sind oftmals die Folge.
Lebenslange Psychosen sind kein Unterschichtenproblem.

Ich sehe keinen Ausweg aus dem Dilemma. Es wird noch schlimmer werden, wenn die Einkommen weiter sinken und die Arbeitskraft der Frauen weiterhin den Wohlstand in der Familie mit absichern muss. Arm und reich werden weiter auseinander klaffen und das Ansehen der Familien wird weiter sinken.
Die Frau zuhause hat heute schon ein schlechtes Ansehen, umso mehr, als sie sich nur noch mit staatlicher Unterstützung um die Familie kümmern kann. Und das ist leider auch oft überhaupt keine Garantie für den Nachwuchs eine gute Kindheit haben zu dürfen. Gerade schlecht bis gar nicht ausgebildete Frauen können oft nicht die familiäre Unterstützung leisten, die ihre Kinder bräuchten und das je weniger desto schlechter die Untertützung durch einen Partner. Häufig fehlt der Partner ganz.

Es ist wie immer auch ein Mittelschichtenthema. Wir brauchen gut ausgebildete Frauen die den Mut haben, sich zu Hause um die Familie zu kümmern, weil sie damit das gleiche Ansehen genießen dürfen, wie es die berufstätige Kollegin erfährt. Wir brauchen Männer, die sich wieder Familie leisten wollen und auch mal ein kleineres Auto dafür fahren und weniger Urlaubsreisen haben wollen. Wir brauchen Menschen, die sich ihrer Verantwortung als Eltern stellen.

LG stine
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Re: Die (Gleich)Stellung der Frau im Naturalismus?

Beitragvon Vollbreit » Sa 18. Feb 2012, 11:29

stine hat geschrieben:Der Text von Gunnar Heinsohn trifft es schon ziemlich genau, die Aussicht auf Forwärtskommen beinhaltet nun mal das Heiraten im jeweiligen Stand. Die reine Versorgungsehe hat einen schlechten Ruf und findet grade nochmal zwischen Schönheit und Geld statt, nicht aber in gewöhnlich unterschiedlichen Einkommensverhältnissen.


Der Text sagt aber doch eher, dass die Versorgungsehe passé ist.

stine hat geschrieben:Warum überhaupt dieser Thread?
Weil ich finde, dass die Gleichberechtigung der Frau, sofern sie nur dieselbe Vertragsmündigkeit und das Berufsrecht beinhalten, an der Tatsache vorbeigeht, dass Frauen und Männer eine biologische Rolle innehaben, derer sie nicht mehr gerecht werden können.


Nein, Du argumentierst hier wirklich mit dem naturalistischen Fehlschluss.
Die Tatsache, dass es biologische Unterschiede zwischen Männern und Frauen gibt und daraus abgeleitet, dass bestimmte Rollen nur von dem einen oder anderen Geschlecht gelebt werden können, heißt doch nicht, dass diese Rollen auch gelebt werden müssen.
Vom Testosteron wird gesagt, es sei ein ungeheuer primitives Hormon, das, grob gesagt, die Funktion hat, töten oder poppen. Es ist doch gerade nicht erwünscht, dass Männer, die einen signifikant höheren Testosteronspiegel haben als Frauen, mordend oder vergewaltigend durch die Welt gehen, weil die Natur das eben als soziale Rolle biologisch so vorgegeben hat. Es wird gesellschaftlich erwartet, dass Männer ihre „Natur“ in diesem Punkt beherrschen, tun sie es nicht, sperren wir sie sogar ein.

stine hat geschrieben:Wesentlich wichtiger ist, dass die Aufgaben, die aus dieser biologischen Rolle folgen, gleichwert gestellt werden.


Du meinst das jetzt unter feministischen Aspekten?
Man hat ja mal ausgerechnet, dass die Arbeit einer Hausfrau (damals wohl auch noch Mutter) so in etwa 3000-4000 DM wert sei, kann man heute 1 zu 1 in Euro umrechnen.
Es ist bestimmt so, dass die Rolle der Hausfrau und Mutter bei uns nicht (oder unzureichend) gewertschätzt wird. M.E. eine Schuld des kirchlich-patriarchalen Weltbildes, das zwar immer mit einer Rührung vor der eigenen Mildtätigkeit die Frauen etwas kitschig verherrlicht, im Konkreten wird den Frauen aber doch eher weniger zugetraut. Für Ehrenamt und Pflege sind sie gut genug, alles was mit Intellektualität, Macht und Einfluss zu tun hat, nö, in 700 Jahren bitte noch mal fragen, schließlich war Jesus ein Mann und keine Frau.

Zwar wird die Maria angebetet wie sonst niemand und die Kirche wesentlich von Frauen getragen, aber dass Du Dich als Hausfrau und Mutter mit einem Dich nicht befriedigenden „nur“ zu begnügen hast, hast Du auch dieser Tradition zu verdanken.

stine hat geschrieben:Solange das Ansehen lediglich aus dem gemeinsam Erwirtschafteten folgt, wird dies nicht so sein.


Doch, die Frauen könnten sagen, ich will mehr Geld.
Allerdings verhandeln sie weit weniger hart und lassen sich schnell abspeisen.
Das kann man auf biologische Muster zurückführen, also wäre doch alles vollkommen in Butter, oder?

stine hat geschrieben:Und ein weiteres Problem entsteht aus dieser Tatsache:

Markus Grabka, 41. Der Soziologe vom Wirtschaftsinstitut DIW arbeitet für die größte Studie über Einkommen und Vermögen in Deutschland (Soep). Er nennt sich Verteilungsforscher, aber das versteht ja keiner. Wer Grabka in seinem Büro in Berlin-Mitte besucht, hört mehr als zwei Stunden lang, warum Deutschland in Arm und Reich auseinanderfällt - und was das bei der Eheanbahnung bedeutet. http://www.sueddeutsche.de/geld/markus-grabka-aerzte-heiraten-keine-krankenschwestern-mehr-1.100105
Markus Grabka hat das richtig erkannt, die Ehe innerhalb der richtigen Kaste verhindert das Abrutschen in die Armut. Nur wenn beide Arbeiten sind der Wohlstand und das Ansehen des Paares nachhaltig gesichert. Und das je besser, desto höherwertiger die Berufe beider Ehepartner sind. Kinder werden dann so etwas wie Statussymbol und oft unabhängig ihrer eigenen Fähigkeiten in die akademische Laufbahn gezwungen. Überforderung und vergeigte Kindheit sind oftmals die Folge.
Lebenslange Psychosen sind kein Unterschichtenproblem.


Sicher gibt es hier einiges zu kritisieren, die Fokussierung auf Kohle und Karriere, als höchste Werte überhaupt, ganz sicher. Aber da würde ich zur Linderung keinen naturalistischen Fehlschluss reinhängen. Du musst die Leute in der Sprache ansprechen, die sie verstehen.
Du müsstest dem, der nur auf Kohle und Karriere peilt, zeigen, warum das ein Trip ist.
Den einzelnen kalten Narzissten wirst Du nicht erreichen, weil der Dich als Jammertrine, die es eben nicht geschafft hat, entwerten wird.
Aber dem Firmenchef und den Politikern kannst Du schon was sagen, solange Du irgendwie in einer Position bist, dort Gehör zu finden. Solche Strukturen fließender Hierarchien könnte man versuchen zu etablieren.
Dem Firmenchef müsstest Du zeigen, warum es unrentabel ist, ein kalter Abzocker zu sein.
Hier müsste man wieder differenzieren zwischen dem Sektor, der qualifizierte Angestellte einstellt und dem der Hilfskräfte ausbeutet, aber seit Schlecker mit der Nummer schwer gekentert ist (ist das in Ösiland ein Begriff?), werden auch hier die einen oder anderen umdenken.
Was die Politik angeht, geht denen der Arsch ganz kräftig auf Grundeis, da man, nachdem man das keineswegs neue Thema demographischer Wandel über Jahrzehnte kalt ignoriert hat, nun am Bahnsteig steht und erfährt, dass der Zug schon längst abgefahren ist, d.h. es gibt, wenn der liebe Gott kein Wunder fabriziert, überhaupt keinen Grund zur Hoffnung, dass die demographische Entwicklung morgen anders aussieht und selbst wenn das der Fall wäre, würden die ersten Linderungseffekte, frühestens in 20 Jahren eintreten.
Wir steuern also, kurz gesagt, auf eine demographische Katastrophe zu, deren Auswirkungen nicht irgendwann vielleicht mal kommen, oder auch nicht, sondern die wir bereits erleben und ie Daumenschrauben werden jedes Jahr ein wenig mehr angezogen.

Das wird Deinem Anliegen leider völlig den Zahn ziehen, denn Du kannst sicher sein, dass in Zukunft alles an Arbeitskraft rekrutiert wird, was nicht schnell genug auf die Bäume kommt, Rentner, Frauen, irgendwann vielleicht auch bei uns wieder Jugendliche, oder wir bekommen eine fundamental andere Gesellschaft. Ich glaube, das wird der Fall sein, in welche Richtung das geht, weiß niemand, ich glaube, die Zersplitterung der Gesellschaft, die längst der Fall ist, wird sich beschleunigen.
Finde ich gar nicht schlecht, die unterschätzte Gefahr ist die einer rapiden Entdemokratisierung.
Manche sagen, super, na endlich, ich glaube, die wissen nicht, was sie da verlieren und sehe das als große Gefahr.
Kann man aber was dran machen, indem man z.B. den – verglichen damit, eher nachrangigen Streit um den lieben Gott – mal ad acta legt und sich lagerübergreifend einigt, ob man wirklich das, was die Aufklärung erreicht hat, in den nächsten zwei Dekaden endgültig und irreversibel zum Fenster rausschmeißen will.

Was dabei viele unterschätzen: Soziale Praktiken können nicht einfach aufgeschrieben werden und dann, wenn der Rauch sich verzieht, buddelt man alles wieder aus, sagt, war wohl nix, machen wir wieder Demokratie. Mit den Menschen sterben auch die Praktiken aus und ist das Band mal gerissen, kann man es nicht wieder zusammenbinden, der vielbesungene Werteverlust mag uns mahnendes Beispiel sein.

stine hat geschrieben:Ich sehe keinen Ausweg aus dem Dilemma.


Zeigt, dass Du eine intelligente Frau bist.

stine hat geschrieben:Es wird noch schlimmer werden, wenn die Einkommen weiter sinken und die Arbeitskraft der Frauen weiterhin den Wohlstand in der Familie mit absichern muss. Arm und reich werden weiter auseinander klaffen und das Ansehen der Familien wird weiter sinken.


Könnte gut sein.
Politisch intelligent wäre eine Zuchtprämie, momentan wird über Strafabgaben für Kinderlose nachgedacht, ein Akt massiver Dummheit, also nicht auszuschließen, dass er umgesetzt wird.
Da kann man dann wieder über Sonderregelungen für welche, die wollten, aber nicht konnten nachdenken und damit ein Heer von Beamten, die all das verwalten und kontrollieren einstellen, das schafft wieder etwas mehr von der Überbürokratisierung, die schon heute niemand braucht.

stine hat geschrieben:Die Frau zuhause hat heute schon ein schlechtes Ansehen, umso mehr, als sie sich nur noch mit staatlicher Unterstützung um die Familie kümmern kann. Und das ist leider auch oft überhaupt keine Garantie für den Nachwuchs eine gute Kindheit haben zu dürfen. Gerade schlecht bis gar nicht ausgebildete Frauen können oft nicht die familiäre Unterstützung leisten, die ihre Kinder bräuchten und das je weniger desto schlechter die Untertützung durch einen Partner. Häufig fehlt der Partner ganz.


Ich kenne das Elend, es ist selbst gebastelt, aber nun sitzen wir drin um müssen schauen wie wir rauskommen.

stine hat geschrieben:Es ist wie immer auch ein Mittelschichtenthema. Wir brauchen gut ausgebildete Frauen die den Mut haben, sich zu Hause um die Familie zu kümmern, weil sie damit das gleiche Ansehen genießen dürfen, wie es die berufstätige Kollegin erfährt. Wir brauchen Männer, die sich wieder Familie leisten wollen und auch mal ein kleineres Auto dafür fahren und weniger Urlaubsreisen haben wollen. Wir brauchen Menschen, die sich ihrer Verantwortung als Eltern stellen.


Klar, gleichzeitig wird Flexibilität gepredigt. Es gibt Leute, die jeden Morgen mehr als 200 km zur Arbeit fahren, oder gleich die ganze Woche in irgendwelchen Barracken pennen, damit sie irgendeine Arbeit haben. Gleichzeitig soll man treusorgender Vater sein und die Familie hochhalten, das ist die Quadratur des Kreises. Der arme Schrauber aus Thüringen (Ostdeutschland), der jeden Morgen ins Ruhrgebiet fährt (tiefer Westen) weil es nur da Arbeit für ihn gibt, muss ausbaden, was Politiker versemmelt haben. Ist nicht so ganz dolle.
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