ganimed hat geschrieben:AgentProvocateur hat geschrieben:Handlungen kann man mE nicht mit einer Kosten-Nutzung erklären, es sei denn, man behauptete trivialerweise, (Prämisse:) alle Handlungen beruhten auf einer Kosten-Nutzen-Rechnung und deswegen (Konklusion:) beruhten alle Handlungen auf einer Kosten-Nutzen-Rechnung.
Na ja, so einen einfachen Zirkelschluss machen die Hirnforscher sicher nicht. Deine Gegenargumente scheinen hauptsächlich zu sein, dass das Modell trivial und tautologisch sei und dass es zu keinen interessanten Schlussfolgerungen tauge. Diese deine Gegenargumente finde ich nicht sehr überzeugend.
Bezüglich meiner Gegenargumente hast Du recht. Und ich finde Euer Modell nicht überzeugend. Nämlich aus den oben schon mehrfach genannten Gründen: Euer Modell ist rückbezüglich, d.h. es steckt das rein, was Ihr zeigen wollt, sprich: es ist rein tautologisch, mehr nicht.
ganimed hat geschrieben:AgentProvocateur hat geschrieben:Mir scheint schlicht diese Sichtweise, 'da gibt es einen (biologischen) Belohnungsmechanismus im Gehirn und der steuert alles', falsch, zu mechanistisch, nicht geignet dazu, unterschiedliche Handlungen zu erklären, nicht nutzbringend, zu vereinfachend.
- Warum zu mechanistisch? Was außer Neuronen und biochemischen Verschaltungen ist im Hirn denn sonst noch zu beachten?
- Welche unterschiedlichen Handlungen lassen sich denn mit diesem Modell nicht erklären?
- Wieso nicht nutzbringend? Ich kann mit dem Modell den Menschen besser verstehen als ohne. Ich kann aus Handlungen auf seine Faktorenmenge rückschließen.
Mal so gesagt: Erklärungen funktionieren auf mehreren Ebenen, wobei man niedrigere und höhere Ebenen unterscheiden kann.
Mal grob aufgegliedert:
- Elementarteilchen
- Atome
- Moleküle
- Zellen
- Lebewesen
- Soziale Gruppen
Nun, letztlich läuft das hier wohl darauf hinaus, dass ich kein strenger Reduktionist bin. Ich meine nicht, dass es
praktisch! möglich ist, eine höhere Ebene mit einer niedrigeren Ebene zu
erklären. Ob das
theoretisch möglich ist, interessiert mich dabei weniger, eigentlich sogar gar nicht, das halte ich für ein philosophisches Glasperlenspiel.
Nun geht es hier auch gar nicht um die Theorie, sondern es geht darum, dass Ihr behauptet, man könne das sehr wohl reduzieren, also zum Beispiel die Handlung eines Judenversteckers im Dritten Reich sei auf biologische Verschaltungen und Neuronen zurückführbar.
Tur mir ja leid, das sagen zu müssen: aber
Ihr seid in der Beweispflicht. Eine einfache Behauptung, die auch noch tautologisch ist, reicht nicht, mal abgesehen davon, (ich wiederhole mich): die kann niemals weiterführend sein. Also seid Ihr noch zusätzlich verpflichtet, zu zeigen, was man denn aus Eurer Tautologie schließen kann.
Und was Du Dir dabei vorstellst, ist übrigens völlig irrelevant. Aus dem Wollen folgt kein Sein.
Und überhaupt, was bitteschön würde es eigentlich bringen, wenn man auf einer bestimmten Handlung auf eine bestimmte biologische Faktorenmenge schließen könnte, (und dass das man das kann, musst Du beweisen, nicht einfach nur behaupten!). Ein umgekehrter Schluss wäre hier doch das eigentlich Interessante, (was aber ebenfalls zu zeigen wäre: dass das in
individuellen! Fällen möglich ist). Und wenn dem so ist: dann muss es mir doch notwendigerweise völlig egal sein, wie seine konkrete Konstellation der Neuronen ist, denn es gibt mE hypothetisch zig-trilliarden-mögliche Neuronenkonstellationen, die eine hinreichend gleiche, (oder gar dieselbe), Einstellung des Individuums darstellt. Da wäre es doch schlicht irrational, wenn ich die untere Ebene der Neuronenkonstellation betrachten würde, anstatt der Ebene der Einstellung.
ganimed hat geschrieben:AgentProvocateur hat geschrieben:Es gibt Leute, die immer nur rücksichtslos ihre Interessen durchsetzen / ihren Trieben folgen und es gibt Leute, die das nie tun
Die erste Gruppe der Egoisten gibt es in meiner Sichtweise auch. Ich verstehe noch nicht, was deine andere Gruppe antreibt. Wenn diese altruistischen Leute, wie du sagst, keine Interessen haben, oder sie zumindest nicht durchsetzen, ja wieso tun sie denn dann das was sie tun? Bzw. woher kommt die Kraft, die eigenen Triebe und Bedürfnisse überwinden zu können? Und nenne jetzt bitte nicht als Antwort "andere Interessen" oder "andere Bedürfnisse". Es müsste schon eine neue Kategorie sein. Nur nochmal zur Erinnerung, in meinem Modell kann ich erklären, wieso die Leute tun was sie tun. Das würde ich von deinem Modell auch erhoffen.
Was ist eine 'neue' Kategorie, was unterscheidet eine 'neue' Kategorie von 'im Prinzip derselben' Kategorie?
Meine Vermutung wäre, (für bestimmte Fälle), die, dass es Leute gibt, die von sich selber abstrahieren können und somit auch die Bedürfnisse von anderen berücksichtigen können. Vielleicht haben sie bestimmte Vorstellungen darüber, was 'Gerechtigkeit', 'Konsistenz' und 'Gleicheit' bedeuten, die die die Leute im anderen Beispiel anscheinend nicht haben, bzw. das anders sehen.
Meine Güte, *ungeduldigguck*, es ist doch offensichtlich, dass es da Unterschiede gibt und man das also nicht einfach, so wie Du es machen willst, auf denselben Mechanismus zurückführen kann. Wenn jemand in einer vergleichbaren Handlung anders handelt, dann muss offensichtlich etwas anders gewesen sein. Bzw: man kann nun zwar dies oder das behaupten, zum Beispiel, alle Handlungen basierten letztlich auf Elementarteilchen oder keine Handlung / Entscheidung, ohne dass sich etwas in der Anordnung der Elementarteilchen ändert. Was ja irgendwie nicht falsch wäre, (so man Naturalist ist), was aber doch gar nichts
erklärt, jedenfalls nicht die individuelle Handlung / Entscheidung! Und das ist letztlich der Punkt hier.
Und Dein Modell kann somit
gar nichts erklären, für Dein Modell ist jede Handung ein und dasselbe. Wieso siehst Du das nicht?
Ist strukturell nichts anderes, als auf jede Frage zu sagen: 'Gott hat das verursacht / hervorgebracht', (oder auf jede Frage zu antworten: 'das basiert letztlich auf Elementarteilchen'). Mag ja nun sein, dass das eine oder das andere viele Leute als tolle Erklärung, (oder überhaupt als Erklärung), ansehen, ich aber tue das nicht, mir ist es zig-fantastrilliarden-mal lieber, zuzugeben, dass ich etwas nicht erklären kann / nicht verstehe. Weil mir dabei kein Zacken aus der Krone fällt und ich für zukünftige Erklärungen offen bleibe und nicht zumache, nicht fälschlich meine, eine Pseudo-Erklärung sei eine vollwertige Erklärung.
Mir scheint es nun jedoch hier evident, dass Leute dazu fähig sind, rationale Argumente zu berücksichtigen, zu entscheiden ob ihrer Überlegungen. Es erscheint mir falsch, zu kurz gedacht, sogar selbstwidersprüchlich und somit selbstaufhebend, gänzlich ohne Erklärungswert, zu behaupten, das gäbe es alles nicht, tatsächlich sei alles auf ein Belohnungszentrum im Gehirn zurückzuführen. Ich kann (viele, oder gar die meisten) Handlungen viel besser erklären mit den Einstellung, den Motiven, den Überlegungen, den Entscheidungen des Individuums als mit einer nebulösen Bewertungsinstanz im Gehirn, von der ich, (und Du offensichtlich auch nicht), noch nicht einmal im Ansatz weiß, wie sie funktioniert. Also: kenne ich die Einstellungen, Werte, Motive von jemandem, dann kann ich eine ganz gute Abschätzung machen, wie er zukünftig handeln wird; behaupte ich aber, dass alle Menschen eine Bewertungsinstanz im Gehirn haben, die angeblich letztlich alle Handlungen steuert, alles andere seien falsche / letztlich nichtige Erklärungen einer Handlung, (kann zu diesem Belohungszentrum aber keine weiteren Angaben machen), dann weiß ich
gar nichts, nothing, nada, rien über die zukünftigen Handlungen eines Individuums.
Ich schnalle immer noch nicht einmal im Ansatz, was Du Dir von Deiner Behauptung, die Du nicht belegen kannst, die Du Dir nur mal 'einfach so' mal schnell vorstellst, überhaupt für einen Nutzen versprichst. Nur nachträglich jeweils behaupten zu können: das ist auf ein Belohnungszentrum im Gehirn zurückführbar, aber niemals sagen zu können: in der hypothetischen Situation X wird Y wahrscheinlich so reagieren: was soll das? Welchen Nutzen hat das?
Und auch die Behauptung, alle Handlungen seien biologisch erklärbar, halte ich übrigens für falsch, zumindest nicht für argumentfrei evident.
Scheint jetzt in auf Streit zwischen eliminativen Materialisten (Du) und solchen Materialisten (ich), die den Eliminativismus für nicht evident und nicht belegt, vielleicht sogar noch nicht mal für belegbar halten, hinauszulaufen.
Zeige mir eine einzige komplexe Handlung eines bestimmten Menschen, (zum Beispiel des Judenversteckers im Beispiel oben), und leite sie aus biologischen Gegebenheiten her, (reine Vermutungen und Behauptungen reichen mir nicht). Wenn Dir das gelingt, werde ich auch zum eliminativen Materialisten. Vorher nicht, vorher werde ich weiterhin behaupten, dass Du kein Argument hast, das nicht tautologisch und somit irrelevant wäre. Und außerdem werde ich weiter behaupten, dass der eliminative Materialismus selbstwidersprüchlich und somit selbstaufhebend ist.
Langer Rede, kurzer Sinn: mal abgesehen davon, dass ich Deine Behauptung, (alle Handlungen seien auf ein Belohungszentrum im Gehirn zurückzuführen), für nicht belegbar, (wie könnte man die Behauptung übrigens falsifizieren?), halte, ist mein Haupteinwand der: das erklärt gar nichts. Und daraus folgt nichts. Hat keinen Nährwert. Eine prinzipiell unbelegbare, nicht falsifizierbare Behauptung also, die keine Auswirkungen hat: was soll das eigentlich? Da kann ich ja gleich an Gott glauben, da gibt es auch keinen Unterschied mehr. Aber zufällig glaube ich aus den gleichen Gründen nicht an Gott.