Was ist ein Baum?

Re: Was ist ein Baum?

Beitragvon Myron » Mo 27. Apr 2009, 20:35

ujmp hat geschrieben:Die Frage, ob der Mathematik eine Realität außerhalb des menschlichen Denkens zukommt, lässt sich auf die Frage reduzieren, ob der Zahl Zwei eine solche Realität zukommt. Zwei ist aber eine rein gedankliche Relation zwischen gedachten Gegenständen, z.B. "zwei Äpfel auf dem Tisch", "zwei Massen im Universum: Ich und der Mond". Zahlen sind ebenso rein gedanklich, wie logische Verknüpfungen, z.B. "Ein Apfel und ein Apfel, also zwei Äpfel". Es gibt nichts Reales, was Zwei oder Und ist. Zahlen sind nicht real und Relationen zwischen Zahlen natürlich auch nicht, wie 2<4, y=x² usw. Mathematik ist also nicht real, da sie nur gedachte Relationen behandelt. Oder?


Wie gesagt, die Mathematik als eine soziale Institution ist natürlich geistabhängig.

Zahlen wie die Zwei sind auf jeden Fall keine Beziehungen, sondern Gegenstände, die natürlich zueinander in Beziehungen stehen können. Laut Gottlob Frege ist die logische Grundbeziehung die des Fallens eines Gegenstandes unter einen Begriff.
Die Zahl Zwei kommt allen Begriffen zu, unter die genau zwei Gegenstände fallen. Wenn man den Begriff der 2-Zahligkeit bildet, dann fallen unter diesen Begriff zweiter Stufe alle Begriffe erster Stufe, unter die genau zwei Gegenstände fallen.
Das heißt, 2-zahlig zu sein, ist eine Eigenschaft all dieser Begriffe.
Aber man beachte, dass der Eigenname "2"/"Zwei" zwar Teil des Begriffsausdruckes "2-Zahligkeit"/"Zweizahligkeit" ist, aber die Zahl 2/Zwei selbst kein Begriff, sondern ein Gegenstand ist.

Ich empfehle als Lektüre wärmstens Gottlob Freges bahnbrechendes Werk zur Frage nach dem Wesen der Zahlen:

"Die Grundlagen der Arithmetik" (1884)

(Keine Bange, das ist trotz des Titels im Wesentlichen ein philosophisches Werk.)

§105: "Man könnte wohl mit Abänderung eines bekannten Satzes sagen: der eigentliche Gegestand der Vernunft ist die Vernunft. Wir beschäftigen uns in der Arithmetik mit Gegenständen, die uns nicht als etwas Fremdes von außen durch Vermittlung der Sinne bekannt werden, sondern die unmittelbar der Vernunft gegeben sind, welche sie als ihr Eigenstes völlig durchschauen kann. Und doch, oder vielmehr grade daher sind diese Gegenstände nicht subjektive Hirngespinste. Es gibt nichts Objektiveres als die arithmetischen Gesetze."

Die Philosophie der Mathematik ist überhaupt ein spannendes Gebiet, mit dem man sich durchaus auch dann befassen kann, wenn man, wie ich, kein studierter Mathematiker ist:
http://plato.stanford.edu/entries/philo ... athematics
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Re: Was ist ein Baum?

Beitragvon ujmp » Mo 27. Apr 2009, 22:31

Myron hat geschrieben:Zahlen wie die Zwei sind auf jeden Fall keine Beziehungen, sondern Gegenstände, die natürlich zueinander in Beziehungen stehen können. Laut Gottlob Frege ist die logische Grundbeziehung die des Fallens eines Gegenstandes unter einen Begriff.
Die Zahl Zwei kommt allen Begriffen zu, unter die genau zwei Gegenstände fallen. Wenn man den Begriff der 2-Zahligkeit bildet, dann fallen unter diesen Begriff zweiter Stufe alle Begriffe erster Stufe, unter die genau zwei Gegenstände fallen.
Das heißt, 2-zahlig zu sein, ist eine Eigenschaft all dieser Begriffe.
Aber man beachte, dass der Eigenname "2"/"Zwei" zwar Teil des Begriffsausdruckes "2-Zahligkeit"/"Zweizahligkeit" ist, aber die Zahl 2/Zwei selbst kein Begriff, sondern ein Gegenstand ist.


Das erklärt nicht, was "Zwei" ist. Eine Erklärung dürfte das Wort "Zwei" nicht enthalten.

Wenn Gegenstände einander "nahe" sind, dann stehen sie in einer Relation zueinander, etwa nicht? Wenn Gegenstände "zwei" sind stehen sie auch in einer Relation zueinander, wieso nicht?
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Re: Was ist ein Baum?

Beitragvon Myron » Di 28. Apr 2009, 00:38

ujmp hat geschrieben:Das erklärt nicht, was "Zwei" ist. Eine Erklärung dürfte das Wort "Zwei" nicht enthalten.


Falls Du genau wissen willst, wie Frege das Problem löst: http://plato.stanford.edu/entries/frege-logic/#S3
Oder lies gleich den deutschen Originaltext: http://www.ac-nancy-metz.fr/enseign/phi ... /Frege.pdf
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Re: Was ist ein Baum?

Beitragvon ujmp » Di 28. Apr 2009, 16:37

Hallo Myron, besten Dank für die Tipps und den Frege-Link (Feinste Sahne! :^^: ).
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Re: Was ist ein Baum?

Beitragvon smalonius » Di 28. Apr 2009, 17:53

Jarl Gullkrølla hat geschrieben:Also sich einmal getrost über die Epistemologie, oder auch Erkenntnistheorie, informieren.


Der Schuß kann auch nach hinten losgehen. :^^:

Warum Descartes gar nichts weiß

"Ich denke, also bin ich". Komisch, daß dieser Unsinn seit Jahrunderten wiederholt wird.

Descartes frägt was er wissen kann und argumentiert, daß alle seine Erfahrungen von einem Gott geschaffen worden sein könnten, ja, daß er vielleicht nur im Geiste dieses Gottes existiert. Nur über sein Denken könne er sich sicher sein. Cogito, ergo sum. Tja, Descartes, der alte Dualist, denkt nur mit seinem halben Hirn. Von Gott eingegebene oder reale Welt, egal, seine Sinneseindrückte sind strukturiert. Diese Struktur kann man wahrnemen, erfahren und beschreiben. Erstaunlicherweise kann man sich mit anderen - manchmal - auf die Strukturen einigen. Die Realität "dahinter" ist belanglos. Genauso müßig wie platonische Ideen. In Abwandlung von Wittgenstein: Worüber man nichts aussagen kann, darüber kann man nur spekulieren.

Hätte Descartes seine Augen benützt, dann hätte er Strukturen gesehen. Er hätte sogar etwas über die Natur optischer Täuschungen gelernt.
Wäre er nicht so verkopft gewesen, hätte er vieleicht gesagt, ich atme, also bin ich.
Als Schalk hätte er gesagt, "coito, ergo sum".
Vielleicht sollte ich Descartes mit meinem Hammer (da ist er wieder :mg:) auf den Finger schlagen, dann würde er am Ende zugeben, das sein subjektiver Schmerz genauso real ist, wie sein Denken.

Ich denke, wir alle hier glauben Descartes wußte eine Menge. Die Frage ist, welcher Teufel ihn geritten hat, etwas anderes zu glauben.

In einem Satz: manche Philosophen haben einen Hang, dir den Stuhl, auf dem du sitzt unter dem Hintern wegzudiskutieren.

El Schwalmo hat geschrieben:
smalonius hat geschrieben:Was ist hier jenseits von Raum und Zeit?

platonische Ideen?
Außerweltliche Dinge zu behaupten, die sich nicht beobachten lassen - das liegt mir fern, außer man ist sich bewußt, daß man nur spekuliert, dann kann es Freude bereiten und am Ende vielleicht auch zu einer Aussage führen. Spekulationen, die zu keiner Aussage führen - solche liegen mir ebenfalls fern.

Ich will eine meiner im Eingangspost erwähnten Spekulationen mal etwas genauer erklären.

Kepler und wie er zu seinen Bahnen kam

Lange Zeit hat man vermutet, die Planeten säßen tatsächlich auf "kristallenen" Sphären. Zu Zeiten Tycho Brahes, genau 1577, kam ein Komet. Brahe konnte zeigen, daß ein Komet keine atmosphärische Erscheinung ist, wie man sein Aristoteles angenommen hatte. Damit war die Idee von materiellen Planetensphären passé.

Kepler wußte von der Sache und stütze sich bei seinen Berechnungen auf Tycho Brahes Beobachtungen. Kepler ging nun her und probierte verschiedene Modelle durch. Er begann bei allen möglich Kombinationen von umschriebenen und einbeschriebenen platonischen Körpern. Es dauerte eine Weile, bis er zu seinen Gesetzen kam, die eher wenig nach platonischen Körpern aussehen.

Ähnliches kommt ofter vor, in der Geschichte der Physik. Murray Gell-Mann will ich noch erwähnen, der aus Symmetrieüberlegungen die Existenz bestimmter Elementarteilchen postulierte.


Unreasonable effectiveness of maths

Tja, wenn Mathematik so nützlich ist, liegt es da nicht nahe zu postulieren, die Natur der Welt sei tatsächlich systematisch und mathematisch strukturiert?

Ist das noch eine platonische Idee? Ich glaube nicht.

Was könnte man damit anfangen? Zum einen ergibt sich daraus, daß die Welt regelmäßig ist, und es nichts Übernatürliches gibt, das keiner Regel folgt.

Zum anderen, und das ist viel wichtiger, erklärt man so die Existenz der Welt.

1. Unsere Welt ist offensichtlich möglich.
2. In der Unendlichkeit passiert alles mögliche mit Wahrscheinlichkeit 1, also mit Sicherheit.
==> unsere Welt musste "früher oder später" entstehen.


El Schwalmo hat geschrieben:
smalonius hat geschrieben:Mit welchen Worten würdest du das zugrundeliegende Prinzip beschreiben?

Constraints auf der einen, parzielle strukturelle Isomorphie auf der anderen.
""parzielle strukturelle Isomorphie" gibt es in vielen Graden. Folgendes weist auch eine auf. Aber der Zusammenhang ist nicht so stark, wie bei den Bäumen.

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Völlig absurd wirds dann hier. Man könnte vielleicht noch mit einem einzigen Algorithmus beide Oberflächenformen erzeugen, aber das war's dann schon mit der Gemeinsamkeit.

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Re: Was ist ein Baum?

Beitragvon smalonius » Di 28. Apr 2009, 20:09

Myron hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:Die Frage, ob der Mathematik eine Realität außerhalb des menschlichen Denkens zukommt, lässt sich auf die Frage reduzieren, ob der Zahl Zwei eine solche Realität zukommt. ...

Wie gesagt, die Mathematik als eine soziale Institution ist natürlich geistabhängig.

Myron war vorsichtiger, aber auch nur ein bißchen. :mg:

Ich weiß nicht mehr genau, von wem folgende Anektode stammt, aber die Geschichte geht so:

Ein Bauer will eine Krähe von seinem Feld vertreiben, die dort frisst. Aber natürlich fliegt sie weg, bevor er Nahe genug kommt, um zu schießen. Also verbirgt er sich in einem Gebäude am Rande des Feldes. Die Krähe kommt aber nicht zurück. Am nächsten Tag nimmt er einen Freund mit. Beide gehen in das Gebäude. Nach einer Weile geht der Freund und der Bauer bleibt mit dem Gewehr wartend zurück. Die Krähe kommt auch diesmal nicht zurück. Erst als der Bauer noch mehr Freunde brachte, die nacheinander das Gebäude verliesen, kam die Krähe zurück und der Bauer konnte sie schießen.

Egal, ob man das so glaubt, Zahlverständnis ist inzwischen sehr gut im Tierreich belegt. Bis auf drei zählen können manche.
Myron hat geschrieben:Die Zahl Zwei kommt allen Begriffen zu, unter die genau zwei Gegenstände fallen. Wenn man den Begriff der 2-Zahligkeit bildet, dann fallen unter diesen Begriff zweiter Stufe alle Begriffe erster Stufe, unter die genau zwei Gegenstände fallen. ...
Das würde ich nach erstem Mal lesen unterschreiben, auch wenn ich es nicht so kompliziert sagen würde:

2 ist unser Wort für folgende Anzahl: ||

Die Philosophen haben einen gewissen Hang, mehr Worte zu machen, als nötig.

Was sagt er denn zu den negativen Zahlen? Um diese hat sich der alte Schlawiner zumindest im Zitat tapfer herumgedrückt. Was sagt er zu den imaginären Zahlen?

Kleiner Exkurs zu den negativen Zahlen:

Weniger als Nichts

Die Griechen kannten keine negativen Zahlen. Überhaupt sah ihre Mathematik völlig anders aus als unsere. a² + b² = c² hätten sie nie als den Satz von Pythagoras erkannt. Ihre Mathematik war Geometrie, und da gibt es keine negativen Längen. Sei kannten auch keine Formeln, Algebra kam erst später. Dummerweise hatte Algebra die Eigenschaft, negative Zahlen als Ergebnisse zu produzieren.

Ein paar Zitate: (falls ihr nicht mit Englisch klarkommt, bitte sagen.)

Bhaskara, ca. 600 - 680 AD. Soweit ich weiß der erste, der negative Lösungen, zum Beispiel 50 und -5 zuließ und sie richtig interpretierte. Aber:
Bhaskara hat geschrieben:"The second value is in this case not to be taken, for it is inadequate; people do not approve of negative solutions."


Leonardo de Pisa (1175-1250), aka Fibonacci, erwähnte als erster in Europa die negativen Zahlen, die er zusammen mit manch anderem von den Arabern "geerbt" hatte. Diese wiederum hatten einiges von den Indern. Aber es sollte noch lange dauern, bis das Unbehagen an den negativen Zahlen verschwand.

Rene Descartes 1596 - 1650 hat geschrieben:Negative roots of equations are wrong because they represent numbers less than nothing.



Blaise Pascal, 1623 - 1662 hat geschrieben: "complete nonsense"
Pensees 1670: "I have known those who could not understand that to take four from zero there remains zero."


Jean Le Rond d'Alambert 1717 - 1783 hat geschrieben:Arriving at a negative solution means that the opposition of the number [the corresponding positive] is the desired solution."

"The equation 100 + x = 50 should be restated into 100 - x = 50, so that a negative solution is unnecessary.



De Morgan "On the study and difficulties of mathematics, 1831 hat geschrieben:0 - a is about as incomprehensible as the root of - a.


Tja, während manche noch darüber nachdachten, ob man mit negativen Zahlen und Wurzeln rechnen darf oder nicht, rechneten andere bereits mit ihnen und kamen zu Ergebnissen. Heute lernt man das ganz selbstverständlich in der Schule.

Die Finanzkrise ist dann das i-Tüpfelchen auf dieser kurzen Geschichte der negativen Zahlen. :mg: :(
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Re: Was ist ein Baum?

Beitragvon Myron » Di 28. Apr 2009, 21:07

smalonius hat geschrieben:Was sagt er denn zu den negativen Zahlen? Um diese hat sich der alte Schlawiner zumindest im Zitat tapfer herumgedrückt.


Es geht Frege um die Definition der Kardinalzahlen, d.h. um Anzahlen. Mit der Angabe einer Anzahl lässt sich auf die Frage "Wie viele?" antworten. (Siehe: http://plato.stanford.edu/entries/frege-logic/#S3)
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Re: Was ist ein Baum?

Beitragvon quark » Di 28. Apr 2009, 23:50

Myron hat geschrieben:Sowohl die Mathematik als auch die Physik sind als Wissenschaften natürlich von Menschen bzw. allgemein von hochentwickelten Tieren abhängig, die wissenschaftlich tätig sind.


In wiefern "abhängig"?
Welche "hochentwickelte Tiere" sind wissenschaftlich tätig?
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Re: Was ist ein Baum?

Beitragvon Myron » Di 28. Apr 2009, 23:56

quark hat geschrieben:
Myron hat geschrieben:owohl die Mathematik als auch die Physik sind als Wissenschaften natürlich von Menschen bzw. allgemein von hochentwickelten Tieren abhängig, die wissenschaftlich tätig sind.

In wiefern "abhängig"?


Wenn es keine Menschen oder allgemein keine hochentwickelten Tiere gäbe, dann gäbe es auch die Mathematik und die Physik als Wissenschaften nicht.

quark hat geschrieben:Welche "hochentwickelte Tiere" sind wissenschaftlich tätig?


Zum Beispiel wir Menschen.
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Re: Was ist ein Baum?

Beitragvon quark » Mi 29. Apr 2009, 00:16

Myron hat geschrieben:Wenn es keine Menschen oder allgemein keine hochentwickelten Tiere gäbe, dann gäbe es auch die Mathematik und die Physik als Wissenschaften nicht.


Entsteht das Objekt der Mathematik oder der Physik durch die Betrachtung?

quark hat geschrieben:Welche "hochentwickelte Tiere" sind wissenschaftlich tätig?
Myron hat geschrieben:Zum Beispiel wir Menschen.


Zum Beispiel Menschen. Wer noch?
Zuletzt geändert von quark am Mi 29. Apr 2009, 00:44, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Was ist ein Baum?

Beitragvon quark » Mi 29. Apr 2009, 00:30

smalonius hat geschrieben:

Ich denke, die Mathematik weiß mehr über das, was einen Baum ausmacht, als ein Botaniker.


Ohne Bilder: Organik ist mathematisch. Mathematik ist nicht aber nicht organisch.
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Re: Was ist ein Baum?

Beitragvon El Schwalmo » Mi 29. Apr 2009, 06:01

smalonius hat geschrieben:"Ich denke, also bin ich". Komisch, daß dieser Unsinn seit Jahrunderten wiederholt wird.

stimmt. Vollmer hat schon vor vielen Jahren darauf hingewiesen, dass Descartes auf diese Weise korrekt nur cogito ergo cogito behaupten kann.

smalonius hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:
smalonius hat geschrieben:Was ist hier jenseits von Raum und Zeit?

platonische Ideen?

[ ... ]
1. Unsere Welt ist offensichtlich möglich.
2. In der Unendlichkeit passiert alles mögliche mit Wahrscheinlichkeit 1, also mit Sicherheit.
==> unsere Welt musste "früher oder später" entstehen.

im Thread über Naturgesetze dachte ich, dass wir uns einig sind, dass Du verstanden hast. Müssen wir das hier wirklich noch einmal wiederholen?

smalonius hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:
smalonius hat geschrieben:Mit welchen Worten würdest du das zugrundeliegende Prinzip beschreiben?

Constraints auf der einen, parzielle strukturelle Isomorphie auf der anderen.

""parzielle strukturelle Isomorphie" gibt es in vielen Graden. Folgendes weist auch eine auf. Aber der Zusammenhang ist nicht so stark, wie bei den Bäumen.

Vielleicht sollten wir darüber diskutieren, was 'constraints' sind. Vermutlich sind wir uns darüber einig, was eine Analogie ist, und was Kausalität von Korrelation trennt.
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Re: Was ist ein Baum?

Beitragvon smalonius » Mi 29. Apr 2009, 19:39

quark hat geschrieben:
Myron hat geschrieben:Wenn es keine Menschen oder allgemein keine hochentwickelten Tiere gäbe, dann gäbe es auch die Mathematik und die Physik als Wissenschaften nicht.


Entsteht das Objekt der Mathematik oder der Physik durch die Betrachtung?
Vielleicht eine kleine Sprachverwirrung. Ich bin sicher nicht ganz unschuldig daran. Ich hätte das im Eingangspost erwähnen sollen.

Myron hat irgendwo mal geschrieben: "Es gibt Naturgesetze und Naturgesetz-Aussagen." Ich hab das so ausgelegt: Es gibt die Schwerkraft und es gibt das Gesetz der Schwerkraft. Unser Gesetz der Schwerkraft könnte falsch sein, was die Schwerkraft als Phänomen nicht sonderlich beindrucken würde.

Auf die Mathematik bezogen: es gibt "exponentielles Wachstum" und es gibt eine formale Beschreibung y = a^x.

El Schwalmo hat geschrieben:stimmt. Vollmer hat schon vor vielen Jahren darauf hingewiesen, dass Descartes auf diese Weise korrekt nur cogito ergo cogito behaupten kann.
Vollmer kannte ich noch nicht. Aber das hast du ja bereits bemerkt, daß ich philosophisch nicht so bewandert bin. :up: Andererseits freut es mich zu hören, daß meine Ideen halbwegs auf der Höhe der Zeit sind. :^^:

Hab mal ein bißchen gegoogelt und dies gefunden, werd's mir beizeiten mal durchlesen. Sieht interessant aus. Ich werde darauf zurückkommen, falls ich etwas dazu zu sagen habe.

http://www.geocities.com/hoefig_de/LKPh ... nntnis.htm

El Schwalmo hat geschrieben:
smalonius hat geschrieben:1. Unsere Welt ist offensichtlich möglich.
2. In der Unendlichkeit passiert alles mögliche mit Wahrscheinlichkeit 1, also mit Sicherheit.
==> unsere Welt musste "früher oder später" entstehen.

im Thread über Naturgesetze dachte ich, dass wir uns einig sind, dass Du verstanden hast. Müssen wir das hier wirklich noch einmal wiederholen?
Mal sehen.

Das obige Postulat ist fast unverschämt tautologisch, das könnte ich als wesentlichste Kritik anbringen. Sein Ergebnis ist, daß es die Welt gibt. Aber das wußten wir bereits vorher. Wir haben nichts Neues gelernt durch dieses Postulat, sondern nur den unzähligen Vorstellungen, warum es eine Welt gibt, eine weitere hinzugefügt. Meiner Meinung nach allerdings eine wesentlich schlüssigere, als was es sonst noch so an Erklärungen gibt.

Wie kommt man auf ein solches Postulat? In den letzten Jahrzehnten ist einiges geschehen in der Physik. Die Physiker überschlagen sich, weil es Beobachtungen gibt, die nicht zum Modell passen und überbieten sich in Ansätzen zu neuen Vorstellungen.

Multiverse Typ I

Unser Beobachtungshorizont endet bei etwa 47 Mrd Lichtjahren. Was kommt dahinter? Kommt überhaupt irgendetwas dahinter?

Man hofft darüber bald etwas genaueres sagen zu können. Im frühen Universum, bevor es transparent wurde für Lichtstrahlen, gab es Druckwellen, man kann sie sich wie Schallwellen vorstellen. Deren Wellenlänge hängt ab von der Größe des ursprünglichen Urknalls. Man wird sehen, was aus der erneuten Vermessung der Hintergrundstrahlung herauskommt und ob man daraus die Größe des Universums ableiten kann.

Grundsätzlich spricht nichts dagegen, daß sich das Universum bis ins Unendliche erstreckt. Das wäre ein Multiverse Typ I. Man kann spekulieren, daß die Anzahl der Quantenzustände der Materie beschränkt sei. Dann gäbe es, in genügend weiter Entfernung einen weiteren smalonius und El-Schwalmo, die das tun, was wir gerade tun.

Für mich ein bißchen zu viele Annahmen :/ , aber in sich stimmig. Was ich festhalten möchte, ist das Unendlichkeit Dinge ermöglicht, die man sich schwer vorstellen kann. Zum Beispiel, daß Achill tatsächlich die Schildkröte überholt. :mg:


Singularitäten

Unsere gegenwärtigen Beschreibungen der Naturgesetze versagen völlig in manchen Punkten. Zum Beispiel im Inneren von Schwarzen Löchern. Im Zentrum eines Schwarzen Loches, ein Punkt! :erschreckt: , herrscht unendlich großer Druck, unendliche Dichte. Ziemlich unwahrscheinlich, wenn du mich fragst. Zwei neuere Hypothesen in der Physik gelangen unabhängig von einander zu dem Schluß, daß diese Singularitäten auflösbar sind. Dann könnte man auch mehr über den Urknall, und was davor war, sagen.

Und vermuten, es gehe weiter bis ins Unendliche. Im Unendlichen verwirklicht sich alles jemals mögliche.


El Schwalmo hat geschrieben:Vielleicht sollten wir darüber diskutieren, was 'constraints' sind.
Bitte, gerne. Mir war nicht klar, was du darunter verstehst.

Bei "constraints" fällt mir folgendes ein:

Was nützt zum Beispiel die "Weltformel", wenn man die Randbedingungen nicht kennt, mit der sie gestartet wurde?


El Schwalmo hat geschrieben:Vermutlich sind wir uns darüber einig, was eine Analogie ist, und was Kausalität von Korrelation trennt.
Um's analog zum aktuellen Astrologie-Thread zu sagen:

Es besteht, so wird behauptet, eine Korrelation zwischen dem Stand der Sterne und meinem Wesen und Verhalten. Einen vernünftigen Wirkzusammenhang kann man nicht angeben. Was ist nun der Fall? Richtet sich mein Wesen nach dem Stand der Sterne, oder richten sich die Gestirne nach meinem Wesen?
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Re: Was ist ein Baum?

Beitragvon quark » Mi 29. Apr 2009, 22:12

smalonius hat geschrieben:1. Unsere Welt ist offensichtlich möglich.
2. In der Unendlichkeit passiert alles mögliche mit Wahrscheinlichkeit 1, also mit Sicherheit.
==> unsere Welt musste "früher oder später" entstehen.


In unserer Welt passiert alles Mögliche. "Unendlichkeit" ist eine Abstraktion. Das es in der abstrakten Unendlichkeit "alles mögliche" passiert ist eine verdinglichte Übertragung. Völlig unbegründet.

Kausalität ist ebenfalls ein Attribut unserer Welt. Die verdinglichte Übertragung auf die abstrakte Unendlichkeit ist ebenfalls absolut unbegründet.

Außerdem wurden in diesem verbalem Konstrukt "passieren" mit "entstehen" vertauscht.

In der Unendlichkeit kann weder etwas passieren noch entstehen. Es gibt gar keine Unendlichkeit.
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Re: Was ist ein Baum?

Beitragvon smalonius » Do 30. Apr 2009, 18:21

quark hat geschrieben:Außerdem wurden in diesem verbalem Konstrukt "passieren" mit "entstehen" vertauscht.
Ich meinte das so: wenn es nur endlich viele Quantenzustände gibt, muß nach einer gewissen Zeit ein Zustand zweimal auftreten.

quark hat geschrieben:In der Unendlichkeit kann weder etwas passieren noch entstehen. Es gibt gar keine Unendlichkeit.
Ich benutze gern physikalische Beispiele. Das hat den Vorteil, daß man sich nicht gar so sehr fragen muß, in welcher Art ein Wort und sein Gebrauch auszulegen sind.

Wie denkst du darüber:

Die Frage, ob sich das Universum bis ins Unendliche erstreckt, ist uralt. Sie ist bis heute nicht gelöst. Woraus schließt du, das es sich nicht bis ins Unendliche erstreckt?

Du sagst, es gäbe keine Unendlichkeit. Heißt das, du denkst unser Universum findet irgendwann mal ein zeitliches Ende?
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Re: Was ist ein Baum?

Beitragvon quark » Do 30. Apr 2009, 21:01

smalonius hat geschrieben:
quark hat geschrieben:Außerdem wurden in diesem verbalem Konstrukt "passieren" mit "entstehen" vertauscht.
Ich meinte das so: wenn es nur endlich viele Quantenzustände gibt, muß nach einer gewissen Zeit ein Zustand zweimal auftreten.


Es ist irrelevant. Es bleibt eine Tautologie

In der Unendlichkeit kann weder etwas passieren noch entstehen. Es gibt gar keine Unendlichkeit.

smalonius hat geschrieben:Ich benutze gern physikalische Beispiele. Das hat den Vorteil, daß man sich nicht gar so sehr fragen muß, in welcher Art ein Wort und sein Gebrauch auszulegen sind.

Wie denkst du darüber:

Die Frage, ob sich das Universum bis ins Unendliche erstreckt, ist uralt. Sie ist bis heute nicht gelöst. Woraus schließt du, das es sich nicht bis ins Unendliche erstreckt?

Du sagst, es gäbe keine Unendlichkeit. Heißt das, du denkst unser Universum findet irgendwann mal ein zeitliches Ende?


Es gibt keine von Universum unabhängige Zeit. Zeitlichen und räumlichen Anfang oder Ende können nur Entitäten innerhalb des Universums haben. Nicht das Universum selbst.
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Re: Was ist ein Baum?

Beitragvon Mark » Do 30. Apr 2009, 23:08

smalonius hat geschrieben:Wigner hat von der "unwahrscheinlichen Nützlichkeit der Mathematik" gesprochen - "the unreasonable effectivness of maths". Nachdem Mathematik so effektiv ist, sollte man den Umkehrschluß ziehen und postulieren, die Welt sei im Kern mathematisch organisiert.


Das ist als Aussage ungefähr so sinnvoll wie zu sagen "meine Beschreibung der Welt ist in Prosa und nach deutscher Grammatik und Orthographie"
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Re: Was ist ein Baum?

Beitragvon smalonius » Fr 1. Mai 2009, 00:17

Mark hat geschrieben:
smalonius hat geschrieben:Wigner hat von der "unwahrscheinlichen Nützlichkeit der Mathematik" gesprochen - "the unreasonable effectivness of maths". Nachdem Mathematik so effektiv ist, sollte man den Umkehrschluß ziehen und postulieren, die Welt sei im Kern mathematisch organisiert.


Das ist als Aussage ungefähr so sinnvoll wie zu sagen "meine Beschreibung der Welt ist in Prosa und nach deutscher Grammatik und Orthographie"
Da ist was dran. Den einen oder anderen mathematischen Zusammenhang kann man gut in Prosa ausdrücken. Bei manchen Zusammenhängen aber wüßte ich nicht wie - das mag jedoch an mir liegen.

Wird Zeit, Wigner mal zu zitieren:

Eugene Wigner 1960

There is a story about two friends, who were classmates in high school, talking about their jobs.

One of them became a statistician and was working on population trends. He showed a reprint to his former classmate. The reprint started, as usual, with the Gaussian distribution and the statistician explained to his former classmate the meaning of the symbols for the actual population, for the average population, and so on.

His classmate was a bit incredulous and was not quite sure whether the statistician was pulling his leg. "How can you know that?" was his query. "And what is this symbol here?"
"Oh," said the statistician, "this is pi."
"What is that?"
"The ratio of the circumference of the circle to its diameter."
"Well, now you are pushing your joke too far," said the classmate, "surely the population has nothing to do with the circumference of the circle."

http://www.dartmouth.edu/~matc/MathDram ... igner.html
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Re: Was ist ein Baum?

Beitragvon Mark » Fr 1. Mai 2009, 02:05

smalonius hat geschrieben:Wird Zeit, Wigner mal zu zitieren:...

Ja die Geschichte passt wie pi um den Einheitskreis. Wir erfinden viele lustige schwammige Begriffe und wenn irgendetwas grob auf eine uns geläufige Vorstellung hinausläuft dann bauen wir sofort goldene Kälber.. liegt uns halt im Blut.
Man sollte sich auf alle Fälle grenzphilosophisch nicht allzusehr an solchen Bezeichnungen wie "Mathematik" begeistern..zumindest auch nicht mehr als zB an "Grammatik" oder "Binärcodierung".

Etwas allgemeiner bei der "Information" hab ich das Gefühl weniger unbegründbare sprachliche Abstriche zu machen. Scheint mir eine sicherere Eingrenzung zu sein .
Aber der geschulte Opportunist erkennt sofort wie sinnlos das dadurch wird.. :mg:
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Re: Was ist ein Baum?

Beitragvon El Schwalmo » Fr 1. Mai 2009, 07:30

smalonius hat geschrieben:
Mark hat geschrieben:
smalonius hat geschrieben:Wigner hat von der "unwahrscheinlichen Nützlichkeit der Mathematik" gesprochen - "the unreasonable effectivness of maths". Nachdem Mathematik so effektiv ist, sollte man den Umkehrschluß ziehen und postulieren, die Welt sei im Kern mathematisch organisiert.

Das ist als Aussage ungefähr so sinnvoll wie zu sagen "meine Beschreibung der Welt ist in Prosa und nach deutscher Grammatik und Orthographie"

Da ist was dran. Den einen oder anderen mathematischen Zusammenhang kann man gut in Prosa ausdrücken. Bei manchen Zusammenhängen aber wüßte ich nicht wie - das mag jedoch an mir liegen.

die Welt 'ist'. Wir beschreiben sie, in irgendwelchen Sprachen. Das Problem, um das es hier geht, ist, ob man aus der Struktur der Beschreibungssprache etwas über das Beschriebene erfahren kann, das man noch nicht kennt.

Wenn Menschen wie v. Weizsäcker Recht haben, könnte das klappen. Wenn Menschen wie Vollmer Recht hat, wäre das nicht sehr plausibel.
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