Wittgenstein-Zitat

Wittgenstein-Zitat

Beitragvon stefan2 » Fr 22. Aug 2008, 19:07

Um das seit längerem nicht mehr mit einem neuen Thema glänzende "Vorratsdenker-Forum" mal wieder anzuregen, hier ein Zitat:

„Wir fühlen, dass selbst, wenn alle möglichen wissenschaftlichen Fragen beantwortet sind, unsere Lebensprobleme noch gar nicht berührt sind.“

Das sagt LUDWIG WITTGENSTEIN in seinem "Tractatus Logico-Philosophicus" (TLP 6.52)

Das ist wahrschienlich ein alter Hut, aber nachdem ich das (wieder) gelesen habe, fand ich es als Anregung mal passend.
Sollten wir das schon mal diskutiert haben - sorry! Dann streiche es der Moderator!

stefan(2)
stefan2
 

Re: Wittgenstein-Zitat

Beitragvon folgsam » Fr 22. Aug 2008, 19:41

Was versteht Ludwig denn unter "Lebensproblemen" ?
Benutzeravatar
folgsam
 
Beiträge: 1307
Registriert: Fr 28. Dez 2007, 16:18

Re: Wittgenstein-Zitat

Beitragvon pinkwoolf » Fr 22. Aug 2008, 21:37

folgsam hat geschrieben:Was versteht Ludwig denn unter "Lebensproblemen" ?

Was Wittgenstein darunter versteht, weiß ich nicht. Hier ein paar Probleme, die mir so in den Sinn kommen:

    Schreibe ich jetzt weiter an meiner Examensarbeit, oder mache ich lieber den Abwasch? Ist auch wichtig.

    Soll ich diese Tüte Chips jetzt essen, oder doch lieber eine Zigarette rauchen?

    Soll ich Clothilde jetzt fragen, ob sie meine Briefmarkensammlung sehen will, oder hole ich mir damit ein Riesenproblem an den Hals?

Ich bin gespannt auf die wissenschaftliche Antwort. Zu Punkt 2 würde sie vermutlich lauten: Weder noch. Iss eine Mohrrübe. Aber diese Option hatte ich gar nicht in Erwägung gezogen.
Benutzeravatar
pinkwoolf
 
Beiträge: 947
Registriert: Mo 17. Sep 2007, 18:58

Re: Wittgenstein-Zitat

Beitragvon sun » Fr 22. Aug 2008, 23:15

Für mich will er damit sagen, dass neben den Naturwissenschaften auch die Philosophie für den Menschen bedeutsam ist.
Als Philosoph ist es vernünftig so etwas zu behaupten.

Aber ich stime ihm sogar zu. Die Philosophie soll mit Logik (und dadurch wird sie in meinen Augen zur Wissenschaft) wichtige Fragen ergründen.
Was gültige und ungültige Fragen und Argumente sind wird dabei meist von den Naturwissnschaften vorgegeben.
So muss heutzutage die Evolutionstheorie in vielerlei Philosophie mit einfließen.
Wichtig ist vielleicht auch festzustellen, dass das Gebiet der Philosophie immer kleiner geworden ist. Bei den Griechen waren die Philosophen (bzw. vielleicht bezeichnen wir sie heute so, da alle anderen "Erkenntnisse" ziemlicher Unfug waren) noch für alles Zuständig, inzwischen streiten sie mit Hirnforschern, Psychologen, ...

pinkwoolf hat geschrieben:Soll ich diese Tüte Chips jetzt essen, oder doch lieber eine Zigarette rauchen?

DIe Wissenschaft liefert einige nützliche Erkenntnisse zu Gesundheitsgefährdung ...
Die Philosophie beantwortet dann wie man sein Leben führen soll, woraus sich kombiniert mit den Erkenntnissen eine Handlungsmaxime ableiten lässt.
oder?
sun
 
Beiträge: 76
Registriert: Mo 11. Aug 2008, 21:54

Re: Wittgenstein-Zitat

Beitragvon stefan2 » Sa 23. Aug 2008, 06:20

sun hat geschrieben:Für mich will er damit sagen, dass neben den Naturwissenschaften auch die Philosophie für den Menschen bedeutsam ist.
Als Philosoph ist es vernünftig so etwas zu behaupten.


Bestimmt noch mehr: dass die Natuwissenschaften allein nicht ausreichen, einem sogar oft allein lassen, z.B. bei Fragen von Briefmarkensammlungen (vgl. Pinkwolf). Naturwissenschaftliche Welterklärung ist eben nicht alles und hilft einem in vielen Situationen nicht wirklich weiter. Was hilft es mir wirklich in meinem Umgang mit einer konkreten Person, wenn ich die Ursachen von Demenz kenne?

Stefan(2)
stefan2
 

Re: Wittgenstein-Zitat

Beitragvon sun » Sa 23. Aug 2008, 23:22

Na erstens hilft es natürlich Demenz vorzubeugen und Medikamente dafür zu erdenken.
Und glaube mir sollten wir das in Zukunft wirkli.ch heilen können ist damit auf Dauer immer mehr Menschen geholfen, als denen du jetzt mit begrenztem Wissen helfen kannst.

Ob einem die Philosophie da so weit hilft? Da brauchts wohl eine starke Überzeugung und/oder große Zuneigung um diese Situation zu meistern. Vermutlich eher das Gespräch mit anderen Betroffenen und der bewusste Umgang mit Stresssituationen (Psychologie). Mit Philosophie kann man sich vielleicht rechtfertigen warum man helfen soll, doch die Kraft könnte ich vermutlich nicht auf Dauer daraus ziehen.

Ich möchte Philosophie nicht kleinreden, aber wir sind so gewaltig verwöhnt vom wissenschaftlichen Fortschritt, dass viele nicht mehr merken was wir den Naturwissenschaften alles zu verdanken haben.
Danke Philosophen für die Aufklärung, danke Wissenschaftler für die Industrialisierung! :up:
sun
 
Beiträge: 76
Registriert: Mo 11. Aug 2008, 21:54

Re: Wittgenstein-Zitat

Beitragvon ganimed » Sa 23. Aug 2008, 23:28

pinkwoolf hat geschrieben:Soll ich Clothilde jetzt fragen, ob sie meine Briefmarkensammlung sehen will, oder hole ich mir damit ein Riesenproblem an den Hals?


Ich meine, die Wissenschaft lässt uns nicht wirklich allein. Biologen sagen dir, wieso du Clothilde im Prinzip ganz gerne Briefmarkensammlungen zeigst. Psychologen geben dir Hilfen an die Hand, abschätzen zu können, wie Clothilde reagieren wird, wenn du sie nie wieder anrufst.

Aber die Wissenschaft bietet natürlich nur sehr allgemeine Hilfestellung und man fühlt sich vielleicht deshalb oft wieder auf sich allein gestellt. Man wird keine Studie darüber finden, wie nett Clothilde zu anderen Männern war. Für andere Schlußfolgerungen müsste man seinen eigenen, genau gemessenen Hormonspiegel, die genaue Gefühlslage von Clothilde und vielleicht auch noch die Größe der Briefmarkensammlung ins Kalkül einbeziehen.

Erst mit diesen und ähnlichen Parametern wird man einige wissenschaftliche Allgemeinaussagen dann auf sich und sein Leben beziehen können. Da ich kein Hormonmessgerät habe und die Gefühlslage von Clothilde nicht genügend exakt ermessen kann, werde ich wohl auch in Zukunft immer große Teile meines Lebens aufs Geratewohl und ohne konkrete Hilfe wissenschaftlicher Erkenntnisse 'erleben' müssen.

Aber halb so schlimm. Denn ohne alle Unsicherheit wäre es ja auch irgendwie langweilig. Und beim Zeigen der Briefmarkensammlung möchte man ja eigentlich auch alleine sein, da würde die Wissenschaft nur stören.

Ich stimme also zu: in vielen Lebensbereichen nützen uns wissenschaftliche Erkenntnisse naturgemäß wenig. Aber nicht gar nichts. Deshalb finde ich die Aussage von Wittgenstein überzogen:
"Wir fühlen, dass selbst, wenn alle möglichen wissenschaftlichen Fragen beantwortet sind, unsere Lebensprobleme noch gar nicht berührt sind."

Berührt werden sie schon. Im obigen Beispiel geben Biologie, Psychologie und einige andere Disziplinen sicher durchaus verwertbare Auskünfte, die die geschilderte Situation berühren, also damit zu tun haben.
Ich würde der folgenden abgeschwächten Version eher zustimmen: Selbst, wenn alle möglichen wissenschaftlichen Fragen beantwortet sind, werden noch nicht alle möglichen individuellen Lebensfragen beantwortet und nicht alle Lebensprobleme gelöst sein.
Benutzeravatar
ganimed
 
Beiträge: 1687
Registriert: Sa 23. Aug 2008, 22:35

Re: Wittgenstein-Zitat

Beitragvon pinkwoolf » So 24. Aug 2008, 21:42

ganimed hat geschrieben:Ich stimme also zu: in vielen Lebensbereichen nützen uns wissenschaftliche Erkenntnisse naturgemäß wenig. Aber nicht gar nichts. Deshalb finde ich die Aussage von Wittgenstein überzogen:
"Wir fühlen, dass selbst, wenn alle möglichen wissenschaftlichen Fragen beantwortet sind, unsere Lebensprobleme noch gar nicht berührt sind."

Berührt werden sie schon. Im obigen Beispiel geben Biologie, Psychologie und einige andere Disziplinen sicher durchaus verwertbare Auskünfte, die die geschilderte Situation berühren, also damit zu tun haben.
Ich würde der folgenden abgeschwächten Version eher zustimmen: Selbst, wenn alle möglichen wissenschaftlichen Fragen beantwortet sind, werden noch nicht alle möglichen individuellen Lebensfragen beantwortet und nicht alle Lebensprobleme gelöst sein.

So gefällt es mir auch besser.

In einem Podiumsgespräch wird der Psycholinguist Steven Pinker von seinem Gesprächspartner gefragt, was er von der folgenden Aussage des noch bekannteren Linguisten Noam Chomsky hält:
    "Wir werden wahrscheinlich immer mehr über uns selbst aus Romanen lernen als von der wissenschaftlichen Psychologie."
http://video.google.de/videosearch?q=St ... =&start=10

Pinker antwortet, dass gute Romanautoren menschliche Verhaltensweisen, exemplarisch oder auch nicht, vorführen, während Psychologen bestrebt sind, diese Verhaltensweisen zu analysieren und daraus allgemeingültige Gesetzmäßigkeiten abzuleiten. Neurobiologen verwenden noch wieder einen anderen Ansatz.

Am besten fahren wir sicherlich, wenn wir jeden das Seine machen lassen und wenn nicht jeder dem anderen jegliche Kompetenz abspricht. Diese Tendenz erkenne ich zur Zeit am ehesten bei den Hirnforschern, die in den letzten Jahrzehnten sicherlich einen besonders großen Erkenntniszuwachs erlebt haben, aber auch zur Hybris neigen.
Benutzeravatar
pinkwoolf
 
Beiträge: 947
Registriert: Mo 17. Sep 2007, 18:58

Re: Wittgenstein-Zitat

Beitragvon sun » Mo 25. Aug 2008, 14:00

Bei den Hirnforschern hängt das sicher auch damit zusammen, dass diese Erkenntnisse eben einen Einfluss auf andere Wissenschaftsgebiete haben und sich die Vertreter dieser Gebiete nur sehr zögerlich damit beschäftigen. Kein Wunder, denn das ist ja Forschung auf dem neusten Stand.

Das Sie dabei manchmal zu Philosophen werden verwundert mich nicht, denn in beiden Disziplinen geht es manchmal darum wer, was und woraus wir sind.
Eine "Seele" die eben nicht immateriell ist sondern aus neuronalen Vorgängen, die wiederum physikalisch/chemisch/biologisch determiniert sind, hervorgehen muss da meiner Meinung nach durchaus Beachtung finden. Mit der fortschreitenden Erklärung des Gehirns wird der Dualismus komplett zu Grabe getragen.


Einen Roman, der an den unwissenden Leser gerichtet ist, mit einer wissenschaftlichen Erkenntnis, welche vermutlich in Fachsprache veröffentlicht wird zu vergleichen ist ziemlich gemein. Romanautoren sind doch in gewisser Weise Hobbypsychologen, da Sie die Wünsche und Begierden, die Laster und positiven Seiten ihrer Charactere möglichst glaubwürdig vermitteln wollen.
sun
 
Beiträge: 76
Registriert: Mo 11. Aug 2008, 21:54

Re: Wittgenstein-Zitat

Beitragvon pinkwoolf » Mo 25. Aug 2008, 19:12

sun hat geschrieben:Eine "Seele" die eben nicht immateriell ist sondern aus neuronalen Vorgängen, die wiederum physikalisch/chemisch/biologisch determiniert sind, hervorgehen muss da meiner Meinung nach durchaus Beachtung finden. Mit der fortschreitenden Erklärung des Gehirns wird der Dualismus komplett zu Grabe getragen.

Dieser Ansicht ist der Psychologe Pinker auch.

Da erhebt sich aber wieder die Anfangsfrage dieses Threads: Wie wende ich all diese Erkenntnisse auf die alltäglichen Entscheidungen im Leben an?

Gute Romanautoren sind im Allgemeinen keine Hobbypsychologen, sondern nur sehr genaue Beobachter menschlichen Verhaltens. Das beschreiben sie, und der Leser erkennt darin sich oder jemand anderen wieder. Hobbypsychologische Analysen und Klugschwätzerei kennzeichnen den schlechten Romanautor.

Also haben sie überhaupt nichts mit Wissenschaft zu tun, weder die guten noch die schlechten. Also keinerlei Konkurrenz.
Benutzeravatar
pinkwoolf
 
Beiträge: 947
Registriert: Mo 17. Sep 2007, 18:58

Re: Wittgenstein-Zitat

Beitragvon ganimed » Mo 25. Aug 2008, 20:35

pinkwoolf hat geschrieben:Also haben sie [die Romanautoren] überhaupt nichts mit Wissenschaft zu tun, weder die guten noch die schlechten. Also keinerlei Konkurrenz.


Formal spielen Romanautoren und Wissenschaftler in verschiedenen Ligen, das ist richtig. Aber in der Wirkung gibt es ja nun doch große Gemeinsamkeiten. Beide schreiben und beide wollen teilweise dem Leser Wissen vermitteln (obwohl im Falle des Wissenschaftlers das lieber die Wissenschaftsjournalisten machen).

Und ich als Leser, wenn ich so drüber nachdenke, habe vermutlich wirklich sehr viel Alltagswissen auch aus Romanen geschöpft. Ich weiß aus den Karl-May-Büchern zum Beispiel im Prinzip recht genau, wie man sich am besten unbemerkt anschleicht ohne Spuren zu hinterlassen. In fikitven Stories identifiziert man sich mit dem Romanhelden sicher fast so sehr wie man sich mit einem guten Lehrer identifizieren kann. Was James Bond macht, sagt und denkt, da hört man erstmal zu und wird beeinflusst. Und diese Beeinflussung ist sicher viel emotionaler und direkter und oft auch wirkungsvoller als die eher emotionslosen Feststellungen von Wissenschaftlern (obwohl in einem guten wissenschaftlichen Buch natürlich auch Emotionen geweckt werden).

Ich finde also, auf jeden Fall ist der Roman eine große Konkurrenz. Oder im besten Fall eine gute Ergänzung. Schließlich will ich nicht nur wissen, von wem der Mensch abstammt, sondern ich will mich auch völlig lautlos an ihn ranschleichen können.
Benutzeravatar
ganimed
 
Beiträge: 1687
Registriert: Sa 23. Aug 2008, 22:35

Re: Wittgenstein-Zitat

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Di 26. Aug 2008, 08:03

ganimed hat geschrieben:Ich weiß aus den Karl-May-Büchern zum Beispiel im Prinzip recht genau, wie man sich am besten unbemerkt anschleicht ohne Spuren zu hinterlassen.
Und du glaubst das stimmt alles? Du weißt nicht, du glaubst zu wissen. Nicht mehr und nicht weniger. IIRC war's ziemlicher Mumpitz. :santagrin:

Zugegeben, auch in Sachbüchern steht oft auch mehr Einschätzung, Phantasie und Glaube statt echtes nacktes, 100%iges, unumstößliches Wissen.

Das "Schlimme" an "wissenschaftlichen Romanen" ist, dass die Leser Fiktion und Wirklichkeit nicht mehr unterscheiden können, sieht man ganz schlimm (und extrem) an irgendwelchen Spielfilmen mit historischem Bezug. Die Handlung dort bzw. der "historische Ablauf" wird von vielen als wahr angenommen und findet sich dann z.B. in Wikipedia als "historische Tatsache" wieder. Millionen Fliegen äh Kinogänger oder Glotzenkucker können sich nicht irren und haben natürlich recht.
Benutzeravatar
1von6,5Milliarden
Mitglied des Forenteams
Mitglied des Forenteams
 
Beiträge: 5236
Registriert: Sa 25. Nov 2006, 15:47
Wohnort: Paranoia

Re: Wittgenstein-Zitat

Beitragvon ganimed » Di 26. Aug 2008, 20:42

1von6,5Milliarden hat geschrieben:Und du glaubst das stimmt alles? Du weißt nicht, du glaubst zu wissen. Nicht mehr und nicht weniger. IIRC war's ziemlicher Mumpitz.


Das Beispiel mit dem Karl May fiel mir gestern ganz beiläufig ein aber insgesamt ist das mit den Indianern vielleicht ein ganz gutes Beispiel. Ich kann mich irren, aber ich möchte wetten, dass 80% der Deutschen ihr historisches Indianerbild zu 90% aus unzähligen Western, Filmen und eben den Karl May Büchern zusammengebaut haben. Nix Sachbücher oder ernsthafte Fernsehdokumentationen.

Und natürlich stimmt dieses Indianerbild dann auch gar nicht. Vielleicht nichtmal ein fünftel davon. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass "Wissen" in unserer Gesellschaft eben vielfach doch über Romane und Filme aufgenommen wird und deshalb der Roman eine richtig fette Konkurrenz zur wissenschaftlichen Veröffentlichung ist.
Benutzeravatar
ganimed
 
Beiträge: 1687
Registriert: Sa 23. Aug 2008, 22:35

Re: Wittgenstein-Zitat

Beitragvon pinkwoolf » Di 26. Aug 2008, 22:22

ganimed hat geschrieben:Und natürlich stimmt dieses Indianerbild dann auch gar nicht. Vielleicht nichtmal ein fünftel davon. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass "Wissen" in unserer Gesellschaft eben vielfach doch über Romane und Filme aufgenommen wird und deshalb der Roman eine richtig fette Konkurrenz zur wissenschaftlichen Veröffentlichung ist.

Sollten sich da die wissenschaftlichen Veröffentlicher nicht mal am Kopf kratzen und überlegen, woran das liegt?

Übrigens sehe ich die Konkurrenz immer noch nicht. Leute, die ihr Indianerbild unhinterfragt an Karl May ausrichten - ich habe ihn seinerzeit auch verschlungen - sind doch an der Realität überhaupt nicht interessiert. Heutzutage sind das die Klingonen. Ein schöner Zeitvertreib; aber fern von jeder Realität und jeder Wissenschaft.

Für die Beurteilung von Autoren wie Jules Verne, Stanislaw Lem, Isaac Asimov oder Douglas Adams fühle ich mich wenig qualifiziert, außer vom literarischen Blickwinkel. Würde mich aber interessieren.
Benutzeravatar
pinkwoolf
 
Beiträge: 947
Registriert: Mo 17. Sep 2007, 18:58

Re: Wittgenstein-Zitat

Beitragvon sun » Di 26. Aug 2008, 23:27

Ich sehe Romane für mich eher als Ergänzung oder Anregung an.
Mich interessieren besonders Thriller, in welchen ein aktuelles bzw. zukünftiges Technisches Problem dargestellt wird.
Das sind Thriller zum Thema Nanopartikel, globale Erwärmung, Künstliche Intelligenz, Schwarmintelligenz, Robotik, Kybernetik, ...
Da werden dann interessante Möglichkeiten, meist natürlich Horrorszenarien entworfen und hinterher stellt sich die Frage was davon stimmt.
Leider sind manche Fachbücher dann nen gutes Stück zu teuer und das Interesse bleibt ungestillt.


Vielleicht als kleiner Input:
"Ein Romanautor erreicht mehr Menschen als ein Wissenschaftler, aber eine Theorie beeinflusst mehr als ein Roman."
sun
 
Beiträge: 76
Registriert: Mo 11. Aug 2008, 21:54

Re: Wittgenstein-Zitat

Beitragvon webe » Di 26. Aug 2008, 23:28

Herr Wittgenstein ist in seiner letzten Schaffensphase von dem englischen Philosophen Moore beeinflusst. Jener Londoner begründete 1903 den englischen Neurealismus der sich am Erkenntnisideal der Naturwissenschaften ausrichtet.

George E.Moore, starb 1958 in Cambridge, ist ein ausgewiesener Gegner jeglicher Systernphilosphie. Die Ethik vereinanhmte seine wichtigsten Arbeiten. Er war Aporetiker: Aporie-Auswglosikeit; Die Schwierigkeit, die bestimmte Lösungen in Frage stellt, um neue Probleme aufzuwerfen.

Vielleicht kann man die Aussage des WittgensteinZitat unter Einbeziehung von G.Moore zielgerecht angehen.
Benutzeravatar
webe
 
Beiträge: 671
Registriert: Fr 12. Jan 2007, 22:10

Re: Wittgenstein-Zitat

Beitragvon ganimed » Mi 27. Aug 2008, 20:21

pinkwoolf hat geschrieben:Übrigens sehe ich die Konkurrenz immer noch nicht. Leute, die ihr Indianerbild unhinterfragt an Karl May ausrichten - ich habe ihn seinerzeit auch verschlungen - sind doch an der Realität überhaupt nicht interessiert.


Karl May Leser sind nicht in erster Linie an Realität interessiert, stimmt. Aber wenn man schon stundenlang liest, dann ergibt sich neben der netten Unterhaltung eben auch das eine oder andere Wissenshäppchen. Aha, Westmänner sagen also ständig "Damn it" und "Behold", da kann man mal sehen. Und schwupps ist wieder ein Lerneffekt erfolgt. Und meine Lateinkenntnisse, so mikroskopisch klein sie auch sind, habe ich zu 50% aus Asterix-Heften. Wie lautet die Losung? "Cogito ergo sum". Man muss sie einfach alle kennen :^^:

Um auf Wittgenstein zurückzukommen: nur wissenschafltiche Bücher lesen führt zu Weltfremdheit (vielleicht sitze ich aber auch nur gerade dem Klischee des kautzigen Professors auf). Nur Schundromane lesen führt zu Blödheit. Die richtige Mischung, vielleicht braucht man die.
Benutzeravatar
ganimed
 
Beiträge: 1687
Registriert: Sa 23. Aug 2008, 22:35

Re: Wittgenstein-Zitat

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Mi 27. Aug 2008, 21:10

ganimed hat geschrieben:Karl May Leser sind nicht in erster Linie an Realität interessiert, stimmt.
Würde ich nicht einmal unterschreiben.
Erstens - als ich Karl May als Kind gelesen habe, habe ich ja (am Anfang) noch nicht einmal gewusst wie stark alles erstunken und erlogen war.
Zweitens - als ich Karl May das zweite mal durchgelesen habe, habe ich nur nur den realistischen Alltag für ein paar Lesestunden verlassen wollen und war trotzdem in erster Linie (aber nicht in diesen Minuten) an Realität interessiert.
ganimed hat geschrieben: Aber wenn man schon stundenlang liest, dann ergibt sich neben der netten Unterhaltung eben auch das eine oder andere Wissenshäppchen. Aha, Westmänner sagen also ständig "Damn it" und "Behold", da kann man mal sehen.
Äh und was bringt dir dieses Wissen, was falsch ist?
ganimed hat geschrieben: Und meine Lateinkenntnisse, so mikroskopisch klein sie auch sind, habe ich zu 50% aus Asterix-Heften. Wie lautet die Losung? "Cogito ergo sum".
Bei mir sind es abzüglich "normaler Fremdwörter" so an die 100% :blush2: aber was beweißt dieser Minimalismus?
ganimed hat geschrieben: Die richtige Mischung, vielleicht braucht man die.
:up: nur wo liegt die?
Benutzeravatar
1von6,5Milliarden
Mitglied des Forenteams
Mitglied des Forenteams
 
Beiträge: 5236
Registriert: Sa 25. Nov 2006, 15:47
Wohnort: Paranoia

Re: Wittgenstein-Zitat

Beitragvon ganimed » Mi 27. Aug 2008, 21:46

Nee, so meinte ich das nicht. Ich meinte, dass Karl May Leser beim Karl-May-Lesen nicht in erster Linie an Realität interessiert sind. Man liest nicht in erster Linie um sich zu bilden, sondern um sich zu unterhalten (genauer: um mit Old Shatterhand mitzufiebern, sich in ihn hineinzuversetzen und seine Abenteuer ein wenig mitzuerleben).

Und wenn wir schon dabei sind: Miterleben und Erfahrungen aus zweiter Hand sind ein gutes Stichwort. Auf diesem Gebiet hat die fiktive Literatur gegenüber dem Sachbuch fast ein Monopol, logischerweise. Also nicht nur Konkurrenz sondern sogar sehr starke Konkurrenz. Wenn man nämlich wissen will, wie sich Leute wohl in Extremsituationen verhalten mögen, warum sie was tun könnten, dann erfährt man das aus einem spannenden Psychothriller wohl besser als aus einem langweiligen Sachbuch. Im Psychothriller mag vieles überzeichnet sein aber gute Autoren glänzen doch gerade mit großem psychologischen Sachverstand und Einfühlungsvermögen. Mit etwas Glück ist so ein Reißer, gerne auch mal als gut gemachter Film, also sehr wohl eine gewisse Quelle für gutes Wissen.

Die Haltung "ich bin nur an Realem interessiert und deshalb schaue ich nur die Tagesschau aber nie den Film danach" erschien mir schon immer langweilig und zweifelhaft. Wer keine Spiele spielt, wird als Kind nicht sehr viel lernen. Und als Erwachsener ist es bestimmt nicht völlig anders. Spielfilme schauen, Rollenspiele in der psychologischen Therapie und Was-Wäre-Wenn-Spiele mit einem guten Buch: für eine umfassendes Wissen wohl alles unerlässlich.
Benutzeravatar
ganimed
 
Beiträge: 1687
Registriert: Sa 23. Aug 2008, 22:35

Re: Wittgenstein-Zitat

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Do 28. Aug 2008, 10:29

ganimed hat geschrieben:Nee, so meinte ich das nicht. Ich meinte, dass Karl May Leser beim Karl-May-Lesen nicht in erster Linie an Realität interessiert sind.
Warum? Also ich bin fähig zwischen Realität und Fiktion und momentaner Lust drauf umzuschalten.

ganimed hat geschrieben: Man liest nicht in erster Linie um sich zu bilden, sondern um sich zu unterhalten
In dem Moment, in der Zeitspanne schon

ganimed hat geschrieben:Wenn man nämlich wissen will, wie sich Leute wohl in Extremsituationen verhalten mögen, warum sie was tun könnten, dann erfährt man das aus einem spannenden Psychothriller wohl besser als aus einem langweiligen Sachbuch.
Glaube ich nicht. In einem Psychothriller erfährst du i.Allg. maximal, wie der Autor sich vorstellt, dass Personen reagieren müssten oder können, meist aber nur wie die Personen reagieren um den Spannungsbogen der Erzählung mehr oder minder gut zu erhalten.

ganimed hat geschrieben: Im Psychothriller mag vieles überzeichnet sein aber gute Autoren glänzen doch gerade mit großem psychologischen Sachverstand und Einfühlungsvermögen.
Eher sehr selten
ganimed hat geschrieben:Mit etwas Glück ist so ein Reißer, gerne auch mal als gut gemachter Film, also sehr wohl eine gewisse Quelle für gutes Wissen.
Naja, man kann auch beim Lotto-Sechser von einem Blitz erschlagen werden.
Da bin ich deutlich "pessimistischer".
ganimed hat geschrieben:Die Haltung "ich bin nur an Realem interessiert und deshalb schaue ich nur die Tagesschau aber nie den Film danach" erschien mir schon immer langweilig und zweifelhaft. Wer keine Spiele spielt, wird als Kind nicht sehr viel lernen.
Und wer als Kind nicht lernt, Realität von Fiktion zu unterscheiden, wird es vermutlich nie so richtig leren, und glauben der Mumpitz aus dem Fernseher wäre Realität oder würde der Realität entsprechen.
Schau dir mal in Wikipedia den Schwachsinn bezüglich angeblichen Realitätsbezug von US-Krimiserien an, da schlägt der Schwarmgeist wirklich gnadenlos zu.
Benutzeravatar
1von6,5Milliarden
Mitglied des Forenteams
Mitglied des Forenteams
 
Beiträge: 5236
Registriert: Sa 25. Nov 2006, 15:47
Wohnort: Paranoia


Zurück zu Philosophie

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 1 Gast