Erkenntnistheoretischer Dualismus

Re: Erkenntnistheoretischer Dualismus

Beitragvon ostfriese » Do 31. Jan 2008, 15:55

El Schwalmo hat geschrieben:
ostfriese hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Vergiss nicht, der Diskurs handelt nicht von Pragmatik.

Vergiss nicht, jenseits der Pragmatik können wir uns jede Diskussion schenken.

okay.

Dann entscheiden die bessere Propaganda und die Machtmittel.

Sowieso. Aber wenn die Vernunft siegen soll, dann bestimmt nicht, indem sie alle Erkenntnis durch obskure Achs und Wenns zu untergraben versucht.
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Re: Erkenntnistheoretischer Dualismus

Beitragvon El Schwalmo » Do 31. Jan 2008, 16:23

Du legst Dir doch selber die Fessel an: jenseits der Pragmatik kommt nichts mehr.

Wie willst Du die Pragmatik vernüftig pragmatisch begründen? 'Es funktioniert'. Punkt. Damit kommst Du durch's Leben.

Andere, die Deinen metaphysischen Überbau nicht teilen, auch.

ID beispielsweise erkennt alles an, was wir herausgefunden haben, sieht Design aber in dem, was wir herausgefunden haben, dass es nicht so funktionieren kann, wie wir es uns vorstellen. Wie willst Du auf der Ebene der Pragmatik hier einen Blumentopf gewinnen?

Verzeihung, die beiden Tasten "Ändern" und *Zitieren" liegen für einen Moderator so nahe beieinander, dass ich in meiner Tranigkeit wohl noch öfter auf die falsche tippen werde. Hoffe, es fehlt nicht allzu viel, andernfalls ergänze ich es, falls Du Dich daran erinnerst.
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Re: Erkenntnistheoretischer Dualismus

Beitragvon ostfriese » Do 31. Jan 2008, 16:58

El Schwalmo hat geschrieben:Du legst Dir doch selber die Fessel an: jenseits der Pragmatik kommt nichts mehr.

Natürlich kommt da was. Vollmers virtuose Zirkel beginnen und enden bei der Passung, aber sie ziehen einen weiten erkenntnistheoretischen Bogen.

El Schwalmo hat geschrieben:Wie willst Du die Pragmatik vernüftig pragmatisch begründen? 'Es funktioniert'. Punkt. Damit kommst Du durch's Leben.

Was ist denn "Funktionieren" und wie erkenne ich das? Du drückst Dich um eine Antwort. Überleben ist es jedenfalls nicht, denn damit kann man zwar die Passung eines Tieres an seinen Lebensraum identifizieren, aber nicht das "Funktionieren" einer Technologie.

El Schwalmo hat geschrieben:Andere, die Deinen metaphysischen Überbau nicht teilen, auch.

Aber nur, so lange andere für sie denken. Reale Probleme löst man nämlich nur, wenn man über adäquate mentale Rekonstruktionen der Wirklichkeit verfügt. Welche man eben nicht zufällig gewinnt, sondern weil Passung etwas mit Wahrheitsannäherung zu tun hat.

El Schwalmo hat geschrieben:ID beispielsweise erkennt alles an, was wir herausgefunden haben, sieht Design aber in dem, was wir herausgefunden haben, dass es nicht so funktionieren kann, wie wir es uns vorstellen. Wie willst Du auf der Ebene der Pragmatik hier einen Blumentopf gewinnen?

Brauch ich ja nicht, da ID über die Natur keine relevanten Aussagen macht. Er verlässt mit seiner Behauptung den rationalen Diskurs der Naturwissenschaften. Ich muss mich nicht von jedem wissenschaftstheoretischen Geisterfahrer von neuem zwingen lassen, die metaphysischen Bedingungen zu hinterfragen, die mich zur Setzung jener Diskursregeln veranlassten. Es genügt mir zu wissen, dass ich die Elemente jenes virtuosen Zirkels gründlich durchdacht und unter der Annahme des hypothetischen Realismus auf Konsistenz überprüft habe.
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Re: Erkenntnistheoretischer Dualismus

Beitragvon El Schwalmo » Do 31. Jan 2008, 17:30

ostfriese hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Wie willst Du die Pragmatik vernüftig pragmatisch begründen? 'Es funktioniert'. Punkt. Damit kommst Du durch's Leben.

Was ist denn "Funktionieren" und wie erkenne ich das? Du drückst Dich um eine Antwort. Überleben ist es jedenfalls nicht, denn damit kann man zwar die Passung eines Tieres an seinen Lebensraum identifizieren, aber nicht das "Funktionieren" einer Technologie.

ich sehe keinen grundlegenden Unterschied. Der Punkt ist, dass eine 'Hypothese' (Passung an den Lebensraum, wissenschaftliche Theorie oder was auch immer) nicht scheitert. Wie schon Popper sagte, lerne ich dadurch weniger, als wenn ich scheitere.

ostfriese hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Andere, die Deinen metaphysischen Überbau nicht teilen, auch.

Aber nur, so lange andere für sie denken. Reale Probleme löst man nämlich nur, wenn man über adäquate mentale Rekonstruktionen der Wirklichkeit verfügt. Welche man eben nicht zufällig gewinnt, sondern weil Passung etwas mit Wahrheitsannäherung zu tun hat.

Du scheinst davon auszugehen, dass Menschen, die von ID oder sonstwas ausgehen, nicht selber denken. Die kommen auf die selben Passungen, weil der Designer die Welt geschaffen hat, die wir erforschen.

ostfriese hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:ID beispielsweise erkennt alles an, was wir herausgefunden haben, sieht Design aber in dem, was wir herausgefunden haben, dass es nicht so funktionieren kann, wie wir es uns vorstellen. Wie willst Du auf der Ebene der Pragmatik hier einen Blumentopf gewinnen?

Brauch ich ja nicht, da ID über die Natur keine relevanten Aussagen macht. Er verlässt mit seiner Behauptung den rationalen Diskurs der Naturwissenschaften. Ich muss mich nicht von jedem wissenschaftstheoretischen Geisterfahrer von neuem zwingen lassen, die metaphysischen Bedingungen zu hinterfragen, die mich zur Setzung jener Diskursregeln veranlassten. Es genügt mir zu wissen, dass ich die Elemente jenes virtuosen Zirkels gründlich durchdacht und unter der Annahme des hypothetischen Realismus auf Konsistenz überprüft habe.

Wie gesagt, das bleibt auf der Ebene der Pragmatik und wird jemanden, der die Welt anders sieht, nicht überzeugen. Vor allem, weil sich diese Menschen auf den Bereich kaprizieren, in dem unsere Pragmatik (noch?) nicht so weit ist. Die spannende Frage ist hier, was sich an der Forschung änderen würde, falls man die Diskursregeln in Richtung Offenheit für ID erweitern würde. Da sich in meinen Augen nichts ändern würde, ist das kein Argument für ID. Aber nicht unbedingt eins gegen ID.
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Re: Erkenntnistheoretischer Dualismus

Beitragvon ostfriese » Fr 1. Feb 2008, 14:16

El Schwalmo hat geschrieben:
ostfriese hat geschrieben:Was ist denn "Funktionieren" und wie erkenne ich das? Du drückst Dich um eine Antwort. Überleben ist es jedenfalls nicht, denn damit kann man zwar die Passung eines Tieres an seinen Lebensraum identifizieren, aber nicht das "Funktionieren" einer Technologie.

ich sehe keinen grundlegenden Unterschied. Der Punkt ist, dass eine 'Hypothese' (Passung an den Lebensraum, wissenschaftliche Theorie oder was auch immer) nicht scheitert. Wie schon Popper sagte, lerne ich dadurch weniger, als wenn ich scheitere.

Die Frage bleibt: Worauf beruht Scheitern/ Nicht-Passung/ Nicht-Funktionieren, wenn nicht auf inadäquater Wirklichkeits-Rekonstruktion?

El Schwalmo hat geschrieben:Du scheinst davon auszugehen, dass Menschen, die von ID oder sonstwas ausgehen, nicht selber denken. Die kommen auf die selben Passungen, weil der Designer die Welt geschaffen hat, die wir erforschen.

Wobei sie dann jegliche Erklärung schuldig bleiben müssen, warum wir in Teilen so unpassend konstruiert sind (Rückenschmerzen etc.) und warum wir z.B. unsere Wahrnehmungstäuschungen trotzdem als solche erkennen können.

El Schwalmo hat geschrieben:Die spannende Frage ist hier, was sich an der Forschung änderen würde, falls man die Diskursregeln in Richtung Offenheit für ID erweitern würde. Da sich in meinen Augen nichts ändern würde, ...

Doch, es würde sich einiges ändern, denn dann müssten wir jede beliebige völlig unkritisierbare Hypothese in Betracht ziehen. ID wird nie auch nur eine einzige testbare Prognose liefern (was die ET bei vollständig verstandenen Mechanismen in virtuellen Simulationen sehr wohl schaffen kann), wirft mehr Erklärungsbedürftiges auf als es erklärt, ist empirisch durch keinen Befund zu erschüttern (selbst wenn die Evolutionsbiologen fossile Belege für jedes einzelne Vorstadium eines Flagellums fänden) und fügt dem gegenwärtig akzeptierten/ zeitkernig gültigen Theorienhintergrund (welcher mit einer monistischen Welt auskommt) unter Verletzung des Sparsamkeitsprinzips ein dualistisches Postulat hinzu. Kurz: ID verletzt so ziemlich alle akzeptierbaren Wissenschaftskriterien auf einmal, und wenn wir dies zuließen, dürften diverse ausrangierte Pseudowissenschaften mit Recht ihre Fakultäten an den Hochschulen beantragen.
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Re: Erkenntnistheoretischer Dualismus

Beitragvon El Schwalmo » Fr 1. Feb 2008, 19:08

ostfriese hat geschrieben:Die Frage bleibt: Worauf beruht Scheitern/ Nicht-Passung/ Nicht-Funktionieren, wenn nicht auf inadäquater Wirklichkeits-Rekonstruktion?

die Frage war eher, wie wir aus Nicht-Scheitern auf mehr als 'adäquate' Passung schließen.

Du schriebst, dass man das 'begründet' nur durch eine bestimmte Annahme (Annäherung an die 'Wirk'lichkeit) vertreten könne. Für Dich ist das ein virtuoser Zirkel, ich lasse das 'virtuos' weg, wenn es um mehr als Pragmatik geht.

Mir ist auch klar, dass die moderne Naturwissenschaft ihren Erfolg dem Umstand verdankt, dass sie 'episteme' mit 'techne' koppelt. Die philosophische Frage geht noch einen Tick weiter, aber Du lehnst dieses Weiterfragen ab. Damit kann ich leben.

ostfriese hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Du scheinst davon auszugehen, dass Menschen, die von ID oder sonstwas ausgehen, nicht selber denken. Die kommen auf die selben Passungen, weil der Designer die Welt geschaffen hat, die wir erforschen.

Wobei sie dann jegliche Erklärung schuldig bleiben müssen, warum wir in Teilen so unpassend konstruiert sind (Rückenschmerzen etc.) und warum wir z.B. unsere Wahrnehmungstäuschungen trotzdem als solche erkennen können.

Das Problem ist, dass es nicht 'das' ID gibt, sondern ein breites Spektrum. ID in 'Reinform' hat keinerlei Probleme mit den 'unpassenden' Konstruktionen. Auf der einen Seite sind das 'theologische' Fragen, auf der anderen Seite 'constraints', und unter wieder einem anderen Aspekt einfach Evolution, weil ID Evolution nicht ablehnt. Klingt komisch, ist aber so.

ostfriese hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Die spannende Frage ist hier, was sich an der Forschung änderen würde, falls man die Diskursregeln in Richtung Offenheit für ID erweitern würde. Da sich in meinen Augen nichts ändern würde, ...

Doch, es würde sich einiges ändern, denn dann müssten wir jede beliebige völlig unkritisierbare Hypothese in Betracht ziehen. ID wird nie auch nur eine einzige testbare Prognose liefern (was die ET bei vollständig verstandenen Mechanismen in virtuellen Simulationen sehr wohl schaffen kann), wirft mehr Erklärungsbedürftiges auf als es erklärt, ist empirisch durch keinen Befund zu erschüttern (selbst wenn die Evolutionsbiologen fossile Belege für jedes einzelne Vorstadium eines Flagellums fänden) und fügt dem gegenwärtig akzeptierten/ zeitkernig gültigen Theorienhintergrund (welcher mit einer monistischen Welt auskommt) unter Verletzung des Sparsamkeitsprinzips ein dualistisches Postulat hinzu. Kurz: ID verletzt so ziemlich alle akzeptierbaren Wissenschaftskriterien auf einmal, und wenn wir dies zuließen, dürften diverse ausrangierte Pseudowissenschaften mit Recht ihre Fakultäten an den Hochschulen beantragen.

Das ist natürlich das alte Proliferationsargument, das Mahner auch in dem Textkasten zu meinem Artikel gegen ID gebracht hat (unter Bezug auf IIRC Kanitscheider: wenn ich schon an den Teufel glaube, warum nicht auch an seine Großmutter?).

In gewissem Sinne (wenn man ein konsistentes Weltbild haben will) ist das korrekt. Das Problem ist aber, dass man die Grundlagen, die man für diese Konsistenz benötigt, eben nicht zur Verfügung hat. Mahner hat an anderer Stelle auch geschrieben, dass er konsequenterweise für ein ewiges Universum eintreten müsste. Auch hier scheint es Argumente zu geben, die sich um die gewünschte Konsistenz nicht scheren.

Durch eine intensivere Lektüre von ID-Literatur (für meinen Artikel hatte ich hauptsächlich amerikanische Autoren, vor allem Dembski und Behe berücksichtigt) habe ich meine Einschätzung ein wenig geändert. Ich halte immer noch nichts von ID (das Occamsche Rasiermesser, obzwar nur eine Heuristik, scheint mir hier ein starkes Argument zu sein), aber ich habe eingesehen, dass uns das stärkste Argument gegen ID (noch?) nicht zur Verfügung steht: einfach zeigen, wie die Strukturen, die angeblich nicht durch ungelenkte Mechanismen entstehen können, doch so entstehen können. Daher kann ich ID zwar wie Du aus methodischen Gründen aus dem rationalen Diskurs ausschließen, wenn ich aber einen Schritt weiter gehe, sehe ich weniger Probleme mit ID als Du. Aber nicht deshalb, weil ID etwas behauptet, sondern nur deshalb, weil ID eben nichts behauptet. Das unterscheidet es auch von Pseudowissenschaften.

Wir beide unterscheiden uns vor allem dadurch, dass ich lieber auf 'Nummer sicher' gehe und nur das vertrete, was ich auch vertreten kann, wenn man eine andere Auffassung von 'Vernunft' oder Diskursregeln hat als wir. Von Deiner Position aus mag das wie Schwäche aussehen, von meiner aus ist es nur das Vermeiden von Nebengleisen in einer Diskussion.
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Re: Erkenntnistheoretischer Dualismus

Beitragvon ostfriese » Fr 8. Feb 2008, 07:42

Sorry, hab Deine Antwort verpasst (sich auf "Neue Beiträge" zu verlassen, geht aus unerfindlichen Gründen manchmal schief).

El Schwalmo hat geschrieben:Die philosophische Frage geht noch einen Tick weiter, aber Du lehnst dieses Weiterfragen ab.

Nicht prinzipiell. Aber wenn ich mit dem hypothetischen Realismus zu beginnen mich entschieden habe und gewisse Regeln des rationalen Diskurses aus guten Gründen akzeptiere, dann steige ich von diesem Basislager an aufwärts und kehre erst zurück, wenn mir die Ressourcen ausgehen. Da jedoch so gut wie alle Diskussionsgegner sich wie (naive) Realisten verhalten und ihrerseits wert darauf legen, dass ihre Argumente verstanden werden, bin ich äußerst zuversichtlich, dass dieser Fall nie eintreten wird.

El Schwalmo hat geschrieben:
ostfriese hat geschrieben:Die Frage bleibt: Worauf beruht Scheitern/ Nicht-Passung/ Nicht-Funktionieren, wenn nicht auf inadäquater Wirklichkeits-Rekonstruktion?

die Frage war eher, wie wir aus Nicht-Scheitern auf mehr als 'adäquate' Passung schließen.

Wir schließen nicht darauf, sondern wir erklären Erfolg/ Passung/ Funktionieren hypothetisch, aber sehr plausibel: mit adäquater Wirklichkeitsrekonstruktion. Ich erführe gern, ob Du eine alternative Erklärung hast oder sie gänzlich schuldig bleiben musst.

Das wäre schade, denn in dem Fall wüssten wir nicht mal, was Erfolg/ Passung/ Funktionieren eigentlich bedeutet. Die adäquate Interpretation der Erfolg signalisierenden Rückmeldungen ist nämlich wiederum eine Anpassungsleistung, die ohne die Rekonstruktionshypothese der projektiven Erkenntnistheorie gar nicht zu verstehen wäre (es sei denn "irgendwie" dualistisch oder ad hoc mit "Prästabilierter Harmonie"). Schließlich kann ein Wesen nicht überleben, dessen Erkenntnisapparat völlig unabhängig von aller Wirklichkeitsentsprechung fröhlich Passung feiert. Ich bin jedenfalls sehr geneigt, der EE hierin ganz unvorsichtig zuzustimmen. ;-)


Vorab: Auch diesmal wird meine Antwort länger auf sich warten lassen, denn ich bin jetzt mehrere Tage offline.
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Re: Erkenntnistheoretischer Dualismus

Beitragvon emporda » Fr 8. Feb 2008, 11:00

El Schwalmo hat geschrieben:Durch eine intensivere Lektüre von ID-Literatur (für meinen Artikel hatte ich hauptsächlich amerikanische Autoren, vor allem Dembski und Behe berücksichtigt) habe ich meine Einschätzung ein wenig geändert. Ich halte immer noch nichts von ID (das Occamsche Rasiermesser, obzwar nur eine Heuristik, scheint mir hier ein starkes Argument zu sein), aber ich habe eingesehen, dass uns das stärkste Argument gegen ID (noch?) nicht zur Verfügung steht: einfach zeigen, wie die Strukturen, die angeblich nicht durch ungelenkte Mechanismen entstehen können, doch so entstehen können.

Man kann nicht alles lesen, aber man sollte auch nicht das Wichtige ignorieren. Eine Befragung von Deans und Chefs der Biologie-Falkultäten von etwa 150 führenden Universitäten der USA durch Roger Camp http://csicop.org/intelligentdesignwatc ... versy.html
ergibt eindeutige Ergebnisse zu den Behauptungen der ID-ler unter William Dembski. Einige Auszüge

The entire biological sciences field from biochemistry to ecology is predicated on the fact of evolution. In 100 years of intensive research no facts inconsistent with evolutionary theory have ever been found. On the contrary, as we have obtained more and more detailed information, especially at the molecular and genomic levels, both the fact that evolution has occurred, creating the species currently existing on earth (including man), and the various mechanisms by which this occurs have become more and more clear. The question is not whether evolution has occurred, but which mechanisms have been most important. There is no need to invoke the supernatural or any higher power to explain life on earth. There is no controversy whatsoever among the many thousands of scientists in the field about the fact of evolution.
Tom Blumenthal

I have not heard one faculty member in my department speak in favor of ID as a scientific alternative to classic mechanisms of evolution. In fact we have had a number of faculty who have written editorials and been interviewed on the subject and who have tried to explain the position of most biologists. Our department offers a course for non-majors entitled Evolution and Creationism and sponsors a Darwin Day. In these venues and in other seminars and discussions, we try to present both sides in a rationale way. But the message is always the same--ID is not a scientific approach to the origin of species.
A.P. Wheeler

The bottom line is that there is no controversy about Intelligent Design. Science is what it is. It has nothing to say about God or religion. It has nothing to say about Intelligent Design other than that it is an untestable concept and therefore is not science. The flip side of that coin is that Intelligent Design has nothing to say about scientific theories, Darwin's or anyone else's. Any "controversy" that might be invoked is an artificial one designed, in my view, to serve another purpose.
W. Geoffrey Owen

There is no sense in which "Intelligent Design" is science - as logic, it is an example of the argumentum ad ignorantiam, a material fallacy, and there is no associated experimental program or testable hypothesis. Thus, there could be no scientific controversy.
What surprises me is that there is so little concern among the religious about what poor theology it is - surely people with genuine faith wouldn't require a scientific proof of their beliefs, and wouldn't accept a proof based on what we do not know, as what we do not know is diminishing with time.
Elliot Meyerowitz

There is one faculty member in my college who publicly ascribes to Intelligent Design. No others have done so publicly, and most who have shared an opinion are opposed to ID as a scientific principle. The vast majority, then, do not see a scientific controversy, but there is a visible minority of (at least) one who does.
(Name withheld)

ElSchwalmo geht es offensichtlich nicht so sehr um die Sache, sondern um Bestätigung für seine Ansichten zu finden. So etwas führt zu einseitigen Aussagen wie bei ID Prophet Steven Meyer, der wie die Mehzahl kein Biologe ist, viele eifrige ID-ler sind nicht einmal Wissenschaftler:

“When two groups of experts disagree about a controversial subject that intersects the public school curriculum students should learn about both perspectives."

Da wird unauffällig insuiniert es gäbe eine nennenswerte Fraktion von Wissenschaftler, die ID stützen. Unter den 150 Universitäten mit annähernd 1000 wissenschaftlichen Mitarbeitern hat nur 1 UNI diese Ansicht vertreten, eindeutig begrenzt auf nur 1 Wissenschaftler. Für jede noch so abwegige These oder Theorie, es wird sich immer 1 schwarzes Schaf finden lassen. Selbst die Flat-Earth-Society hat um die 120 Mitglieder
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Re: Erkenntnistheoretischer Dualismus

Beitragvon El Schwalmo » Fr 8. Feb 2008, 13:42

emporda hat geschrieben:ElSchwalmo geht es offensichtlich nicht so sehr um die Sache, sondern um Bestätigung für seine Ansichten zu finden.

mich würden zwei Dinge interessieren:

1. Was hast Du mit den Zitaten, die Du kopiert hast, anderes bezweckt, als eine Bestätigung für Deine Ansichten zu finden?

2. Was hat der Inhalt der Zitate mit dem, was ich geschrieben habe, zu tun?
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Re: Erkenntnistheoretischer Dualismus

Beitragvon emporda » Fr 8. Feb 2008, 21:55

El Schwalmo hat geschrieben:1. Was hast Du mit den Zitaten, die Du kopiert hast, anderes bezweckt, als eine Bestätigung für Deine Ansichten zu finden?

2. Was hat der Inhalt der Zitate mit dem, was ich geschrieben habe, zu tun?

Ich habe angesehene Wissenschaftler/Biologen zitiert, wobei der Inhalt der Zitate in etwa ein Querschnitt ihrer Ansichten entspricht und ID als eine exotische Randerscheinung religiöser Fanatiker entlarvt, die wie andere auch nach Lust und Laune Fakten fälschen und unzutreffende Zusammenhänge erfinden.

Du schreibst über ID als wenn es eine umfangreiche und ernsthafte wissenschaftliche Alternative wäre, für die es nur noch nicht genug Beweise gibt. Das ist ganz klar eine unzutreffende Darstellung.

Ähnlich wie Creation-Science wird auch ID nach Jahrzehnten "intensiver Arbeit" nichts an Forschung und wissenschaftlicher Erkenntnis leisten um eigene Thesen zu besteätigen und nur noch religiöse Schriften produzieren.
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Re: Erkenntnistheoretischer Dualismus

Beitragvon El Schwalmo » Fr 8. Feb 2008, 22:11

emporda hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:1. Was hast Du mit den Zitaten, die Du kopiert hast, anderes bezweckt, als eine Bestätigung für Deine Ansichten zu finden?

2. Was hat der Inhalt der Zitate mit dem, was ich geschrieben habe, zu tun?

Ich habe angesehene Wissenschaftler/Biologen zitiert, wobei der Inhalt der Zitate in etwa ein Querschnitt ihrer Ansichten entspricht und ID als eine exotische Randerscheinung religiöser Fanatiker entlarvt, die wie andere auch nach Lust und Laune Fakten fälschen und unzutreffende Zusammenhänge erfinden.

in anderen Worten: Du hast genau das getan, was Du mir vorgeworfen hast, ohne dass ich das getan habe.

emporda hat geschrieben:Du schreibst über ID als wenn es eine umfangreiche und ernsthafte wissenschaftliche Alternative wäre, für die es nur noch nicht genug Beweise gibt. Das ist ganz klar eine unzutreffende Darstellung.

Kannst Du mir gelegentlich zeigen, wo ich das, was Du mir gerade vorhältst, geschrieben habe?

emporda hat geschrieben:Ähnlich wie Creation-Science wird auch ID nach Jahrzehnten "intensiver Arbeit" nichts an Forschung und wissenschaftlicher Erkenntnis leisten um eigene Thesen zu besteätigen und nur noch religiöse Schriften produzieren.

Findest Du irgendwo etwas Gegenteiliges in dem, was ich geschrieben habe, beispielsweise

Waschke, T. (2003) 'Intelligent Design: Eine Alternative zur naturalistischen Wissenschaft?' Skeptiker 16:128-136

oder

Waschke, T. (2007) 'Moderne Evolutionsgegner - Kreationismus und Intelligent Design' in: Dresler, M. 'Wissenschaft an den Grenzen des Verstandes. Beiträge aus den Natur- und Lebenswissenschaften' Stuttgart, Hirzel S. 93-104

oder

Waschke, T. (2007) 'Warum Intelligent Design (ID) im Bereich der Naturwissenschaften derzeit keine Existenzberechtigung hat'
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Re: Erkenntnistheoretischer Dualismus

Beitragvon pkrall » Do 15. Mai 2008, 17:17

ostfriese hat geschrieben:....
Das wäre schade, denn in dem Fall wüssten wir nicht mal, was Erfolg/ Passung/ Funktionieren eigentlich bedeutet. Die adäquate Interpretation der Erfolg signalisierenden Rückmeldungen ist nämlich wiederum eine Anpassungsleistung, die ohne die Rekonstruktionshypothese der projektiven Erkenntnistheorie gar nicht zu verstehen wäre (es sei denn "irgendwie" dualistisch oder ad hoc mit "Prästabilierter Harmonie"). Schließlich kann ein Wesen nicht überleben, dessen Erkenntnisapparat völlig unabhängig von aller Wirklichkeitsentsprechung fröhlich Passung feiert. Ich bin jedenfalls sehr geneigt, der EE hierin ganz unvorsichtig zuzustimmen. ;-)


Das sehe ich nicht ganz so:

Vorab: Aus wissenschaftlicher Sicht, wie ich sie verstehe, sind Aussagen über kognitive Prozesse immer Aussagen über Systeme, in denen Subsysteme miteinander interagieren. Subsysteme können dabei prinzipiell Organismen, aber auch Maschinen sein.

- Das Argument ist einfach: Ich verstehe unter Theorien Repräsentationen von regelmäßigen Beziehungen zwischen Werten von Observablen. Epistemische Terme sind erst mal keine Observable. In einem Gesamtsystem, in dem Subsysteme durch Projektionen des Zustandsraums in Teilräume einegführt werden, ist es jedoch prinzipiell kein Problem, über Beziehungen zwischen den Projektionen zu sprechen - der Punkt ist einfach, dass das Gesamtsystem nicht das direkte Produkt ist, weil die Subsysteme nicht orthognal zueinander stehen.

Aus dieser Perspektive verschwinden eine Menge Scheinprobleme: Als Aussage über ein Gesamtsystem, in dem ein Frosch und eine Fliege vorkommen, ist die Beziehung zwischen der Fliege und der Stimulation von Nervenzellen des Frosches ein ganz normaler physischer Vorgang. Scheinprobleme, wie die Frage, woher der Frosch wisse, dass da eine Fliege sei und keine Projektion eines tückischen Laborleiters, entstehen erst, wenn man sozusagen die eine Hälfte der Relation zwischen Frosch und Fliege abschneidet und das 'Wissen' als irgendwas internes im Froschhirn qualifizieren will. Diese Internalisierung ist schlicht ein logischer Fehler - man kann nicht ein 2-stelliges Prädikat durch ein 1-stelliges ersetzen, das man dann dafür irgendwie einfärbt (glaubt, denkt, weiss, ...) Das heißt, man kann schon, aber dann beginnt ein nicht-physischer 'Geist' als Schatten der ausgeblendeten Umgebung im Gehirn zu spuken.

Ist die Theorie kognitiver Prozesse einmal als Theorie der Interaktionen von Subsystemen eines Obersystems konzipiert, dann verschwinden im Prinzip auch die Probleme mit Korrespondenz, Wahrheit, Antizipation: Was überbleibt sind einfach Zustandsänderungen, die als Folge vorangeganener Interaktionen eines Individuums mit seiner Umwelt zu einem Zustand führen, in dem es sich in der weiteren Interaktion überdurchschnittich häufig erfolgreich verhält. Warum? Weil es in eine Eigenschaft des Obersystems ist, dass die Umwelt genügend Regelmäßigkeit hat, die durch Adaptation von Verhaltensweisen - beziehungsweise den Schaltkreisen, die diese Verhaltensweisen in der Interaktion mit der Umwelt hervorbringen - ausgebeutet werden können.

Damit brauchen wir also prinzipiell keine andere Form der Korrespondenz zwischen Hirnzuständen und Eigenschaften der Umwelt, als zwischen Genotypen und Eigenschaften der Umwelt. So, wie es für Genotypen ausreciht, Phänotypen hervorzubringen, die in der Umwelt überleben, reicht es für Hirnzustände, Verhalten hervorzubrimgen, das in der Umwelt überlebt.

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Die Dynamik kultureller Entwicklungen ist natürlich anders als die der biologischen Evolution und der Reproduktionserfolg von 'Memen' hat nicht unbedingt etwas mit dem physischen Überleben der Träger zu tun. Das soll also kein Plädoyer für einen plumpen Biologismus sein. Aber ich plädiere dafür, sich anzusehen, ob scheinbar tiefe philosophische Probleme nicht schlicht dadurch zustande kommen, dass man versucht, etwas als Eigenschaft eines Untersuchungsgegenstands (zb. Gehirns) zu beschreiben, was sich ganz unproblematisch als Eigenschaft eines umfassenderen Gegenstands beschreiben ließe (zB. eines Ökosystems mit hirnbesitzenden Organismen darin) aber eben nicht auf den enger gefassten Gegenstand reduzieren lässt.

Peter
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