Mekkas der Moderne

Mekkas der Moderne

Beitragvon Falk » So 24. Feb 2008, 12:01

Bei Spiegel Online läuft unter dem einestages-Banner eine Reihe über die "Mekkas der Moderne" - Orte, die für wissenschaftlich oder "säkular denkende Menschen" von zentraler Bedeutung sind bzw. sein können.
http://einestages.spiegel.de/static/topicalbumbackground/1015/was_sind_die_tempel_des_wissens.html

Neu ist ein Beitrag über die Galapagos-Inseln von Irenäus Eibl-Eibesfeldt, den ich gelungen finde:
http://einestages.spiegel.de/static/topicalbumbackground/1406/paradies_und_labor_der_evolution.html

Natürlich sind solche Vorschläge äußerst kontrovers - viele Säkulare dürften sich gegen alles wehren, was irgendwie mit dem Etikett "heilig" versehen werden könnte, seien es bestimmte Orte oder bestimmte Menschen oder bestimmte Thesen o.ä. Trotzdem: Ist der Ansatz brauchbar? Wenn ja, was wären die wichtigen Orte für einen Naturalisten, Orte, diesem "spirituell" etwas bieten?
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Re: Mekkas der Moderne

Beitragvon Kurt » So 24. Feb 2008, 15:57

Falk hat geschrieben:Natürlich sind solche Vorschläge äußerst kontrovers - viele Säkulare dürften sich gegen alles wehren, was irgendwie mit dem Etikett "heilig" versehen werden könnte, seien es bestimmte Orte oder bestimmte Menschen oder bestimmte Thesen o.ä.


Ganz genau. Ich bin ein selbstdenkender Mensch. An Information fliegt mir täglich mehr um die Ohren, als ich verkraften kann. Schon das Internet bietet mehr als jeder Mensch aufnehmen kann. Keine Chance, dass ich wenigstens mal Wikipedia ganz lese. Wozu brauche ich da Mekkas?

Falk hat geschrieben:Trotzdem: Ist der Ansatz brauchbar? Wenn ja, was wären die wichtigen Orte für einen Naturalisten, Orte, diesem "spirituell" etwas bieten?


Wenn mir irgendwas in dieser Hinsicht imponiert, dann sind das alte, große, ehrwürdige Bibliotheken. Es fasziniert mich immer, wieviele Genies zu so einer Sammlung von Wissen beigetragen haben. Schade, dass man dieses Wissen nicht einfach mitnehmen kann. Immerhin hat man heute zumindest Zugriff auf beinahe das gesamte Weltwissen. Dafür können wir dankbar sein.
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Re: Mekkas der Moderne

Beitragvon Twilight » So 24. Feb 2008, 18:49

Ich finde, säkulare heilige Stätten sind schon wichtig. Nur kann man den Begriff "heilig" nicht in seiner ursprünglichen Bedeutung (heil -> ganz -> zur göttlichen Sphäre zugehörig) verwenden. Aber es geht auch nicht nur um kalte sterile Information aus Büchern. Es ist einfach inspirierend und fördert Erkenntnisse, wenn man zu Forschungszwecken im Dreck nach Würmern wühlt, am Great Barrier Rief (<-- Vorschlag) tauchen geht, oder antike Bibliotheken aufsucht.

Noch ein Ort?
Der Marianne-Graben
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Re: Mekkas der Moderne

Beitragvon Klaus » So 24. Feb 2008, 23:50

Na ja, mit dem Begriff heilig hätte ich meine Probleme, aber Orte, an denen die Natur ihre Pracht entfaltet gibt es genug, da bekommt man als Mensch so den richtigen Dämpfer, was man doch eigentlich für ein kleiner Scheisser ist. Wenn ich z.B. auf den Ortler, den Piz Bernina oder den Mont Blanc geklettert bin und diese verschwenderische Pracht der Natur sehe, das ist schon ein verdammt gutes Gefühl soetwas gesehen zu haben, wobei, wenn ich sehe wie die Gletscher zurückgehen, gehts mir dann nicht mehr so gut.
Für mich ist Südtirol so ein Platz, die Haardanger Vidda in Norwegen, die kanadischen Berge und Wälder.
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Re: Mekkas der Moderne

Beitragvon Robert » So 24. Feb 2008, 23:53

Also ich halte nichts davon, bestimmte Gebiete aus unserer Umwelt höher als die anderen zustellen.

Was ist wertvoller, die Rocky Mountains, die Alpen oder das Himalaya?

Also ehrlich. solch Gerede kann man sich sparen, denn es führt nur zu unnützen Gezanke um den Maßstab.

Und ein Mekka für Säkulare?

So etwas brauchen wir nicht, denn es ist bereits eine Wohltat, wenn nur ein Stückchen des Monopols einer Religion zerstückelt wird. Dies sollte man huldigen. :mg:
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Re: Mekkas der Moderne

Beitragvon Klaus » So 24. Feb 2008, 23:57

@sharif, lass mal die Mathematik beiseite, darum geht es hier nicht, um die Werte, da hat eh jeder andere Vorstellungen :lachtot:
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Re: Mekkas der Moderne

Beitragvon Jakob » Di 26. Feb 2008, 11:50

Kann denn Nutur schön sein? Oder erscheint uns das nur so, da wir als Spezies aus dieser Natur stammen?

Wie auch immer. Für mich ist jedes kleine Stück Wiese oder Wald bereits eine prachtvolle Schönheit. Sozusagen "heilig" (<-- ein saudummes Wort in diesem Zusammenhang). Wenn man die Schönheit der Natur erstmal erkannt hat, dann ist der Grand Canyon nicht mehr beeindruckender als (zB) das Altmühltal. Aber er ist aufgrund seiner schlichten Größe vielleicht besser in der Lage, diese Erkenntnis zu vermitteln.

Genauso, wie ich die Natur bewundere, bewundere ich allerdings auch den menschlichen Geist (der ja letztlich auch nur Natur ist) und seine Errungenschaften. Die Skyline einer Großstadt oder der Anblick eines Raketenstarts lassen sich durchaus mit Naturwundern á la Grand Canyon vergleichen. Und wie bei der Natur gilt auch bei den menschlichen Errungenschaften, daß sich die Schönheit des Ganzen bereits in kleinen Details erkennen läßt.
Was ist beeindruckender? Fließendes, warmes Wasser aus dem Hahn oder der Burj al Arab? Das antike Rom oder das moderne New York? Ich finde alles gleich faszinierend.

Was das Mekka der Moderne angeht: Das sollte der moderne Mensch selbst sein. Des Menschen Wohl als Ziel aller Anstrengungen und des Menschen Geist als Mittel, das Ziel zu erreichen.
Wenn Du dafür unbedingt einen Ort brauchst, dann nimm Orte, an denen große wissenschaftliche Erfolge errungen wurden oder große wissenschaftliche Projekte laufen.
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Re: Mekkas der Moderne

Beitragvon Twilight » Di 26. Feb 2008, 21:20

Wenn ich das Projekt richtig verstanden habe, geht es nicht darum, einfach beeindruckende Orte zu finden (von denen es wirklich zahllose gibt) sondern Orte, denen Geschichte anhaftet, Orte die zu Wendepunkten in der Menschlichen Denkweise geführt haben. So wurde auf den Galapagos Inseln die Mechanik der Evolution deutlich, und in den Tiefen des Mariannegrabens (und eigentlich überall, wo Black Smoker auftauchen) kann man die Entstehung komplexer organischer Molekülketten beobachten, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Entstehung des Lebens geführt hat.
Diese "Mekkas der Moderne" sind einfach nur etwas, das sich gut in Büchern macht, weil sie historische Markierungen darstellen und Emotionen ansprechen. Man kann dann sagen "HIER hat sich Charles Darwin zweifelnd am Kopf gekratzt und die göttliche Schöpfung in Frage gestellt" oder "DORT ist Jacques Piccard mit der Trieste das erste Mal in ein bisher unbekanntes Universum vorgedrungen."
Für echte Gelehrte, die professionelle Forschung betreiben, sind solche speziellen Orte eher zweitrangig. Aber sie tragen die wichtige Aufgabe, Begeisterung zu wecken und halbgeschlossene Augen zu öffnen - die Menschen emotional an die Wissenschaft zu binden, wie Mekka, Jerusalem, Ararat, das Zweistromland zwischen Euphrat und Tigris oder der Uluru es für die verschiedensten Religionen tun.
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Re: Mekkas der Moderne

Beitragvon [C]Arrowman » Mi 27. Feb 2008, 19:37

Ich finde es gibt durchaus Mekkas für NAturalisten. Städten an denen Köpfe vergangener Jahrhunderte großes (in den Künsten und Wissenschaften geleistet haben) gibt es viele. Darwins Arbeitszimmer steht irgendwo komplett restauriert in Großbritannien. Die ISS könnte irgendwann ähnlichen Wert haben. Die einsamen Teleskope auf den Bergen sind als alternative zu Kapellen geeignet. Bibliotheken wie die große in New York, wo mit vielen Orginalen wäre sicherlich ein Wall(Street)fahrt wert.

Hinzu kommen die Zahllosen Naturwundern, wie die Geysire, der Grand Canyon, Korallenriffe etc. Nicht zuletzt kann man sich immer noch auf dem Land im Sommer ins Kornfeld zählen und Leoniden (oder waren es die Peleiaden?) zählen (hab ich schon abgehakt auf der Liste) und so einen ganz privaten spirituellen Moment erleben und sich mit dem Universum eins fühlen, während man in Gedanken zwischen den Sternen umherzieht. :heiligen3koenige:

Nachtrag: Besonders sollten immer jene Orte sein, die Menschen zu Großem inspirieren. Das können ggf. auch entsprechende sakrale Bauwerke sein, schließlich versprehcen ja die Inhaber "Erleuchtung" ;)
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Re: Mekkas der Moderne

Beitragvon ostfriese » Do 28. Feb 2008, 10:08

Ohne Umschweife: das CERN in Genf, mit dem Large Hadron Collider.
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Re: Mekkas der Moderne

Beitragvon whatshisname » So 2. Mär 2008, 21:48

Ich finde man sollte vorsichtig sein mit der Bezeichnung "Mekkas der Moderne" denn die Bewunderung eines Naturalisten für einen bestimmten Ort ist etwas ganz anderes als der Religiöse unter der Wertschätzung seiner "heiligen" Stätten versteht. Es gibt sicherlich Orte die schöner sind als die meisten anderen auf unserem Planeten. Diese zu bewundern ist aber an sich nichts naturalistisches (Ich behaupte, dass ein Mensch der kein Naturalist ist ebenso beeindruckt und fasziniert vom Grand Canyon, Great Barrier Rief usw. sein kann ). Man kann aber diese Bewunderung nicht mit der Beteutung bestimmter Orte für Religionen vergleichen. 1. gibt es für Naturalisten keine offiziellen "heiligen" Orte wie es sie in der Religion gibt und 2. würde die Bewunderung solch eines Ortes bei einem Naturalisten niemals die Intensität haben die religiöse Menschen ihren "heiligen" Plätzen entgegenbringen. Wenn man z.B. die Bedeutung Mekkas für Muslime und die pflicht der Pilgereise mit dem freiwilligen Besuch des Grand Canyons vergleicht erkennt man klar die Unterschiede. Die Reise nach Mekka wird unternommen weil der Reisende glaubt das es seine Pflicht sei. Die Reise zum Grand Canyon unternmmt der Reisende weil er weiß, dass er dort ein wunderbares Naturschauspiel sehen kann. Naturalisten würden niemals zu einem Kreuzzug aufrufen um den Grand Canyon aus den Händen der Leute zu befreien die seine wahre schönheit angeblich nicht erkennen, noch irgendeinen anderen Konflikt um die Kontrolle eines bestimmten Orts gut heißen.

Es gibt Orte die schöner, beeindruckender oder von größerer historischer Bedeutung sind als andere, trotzdem gibt es immer stichhaltige Gründe für einen Naturalisten wenn er einen solchen Ort anderen vorzieht. Im gegensatz dazu basiert die Anbetung besonderer Orte in der Religion nich auf Wissen oder objektivem Vergleich sondern nur auf dem Glauben an den Ort als etwas Einzigartiges der ihnen von Geburt an von ihren Glaubensgenossen und "heiligen" Schriften eingeredet wird.

Ein religiöser Mensch versucht seinem Gott näher zu sein wenn er an die "heiligen" Orte seiner Religion pilgert, ein Naturalist der ja nicht an übernatürliche Dinge glaubt wird zwar die Schönheit des Grand Canyon preisen, aber nicht behaupten die Reise habe ihn in seiner Überzeugung (zum Naturalismus) gestärkt oder dem Sinn des Lebens näher gebracht.

Ich glaube nicht daran, das ein Flecken Erde "heiliger" ist als ein anderer, denn es sind die Natur und die Geschichte die Orten ihre Bedeutung geben und nicht irgendein Gott der einen Teil seiner angeblichen Schöpfung höher schätzt als einen anderen.

Man muss deshalb unterscheiden zwischen wichtig und "heilig". Für mich gibt es viele wichtige Orte, "heilige" jedoch keinen einzigen.

Hoffe das war nicht alles Stuss :^^:

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Re: Mekkas der Moderne

Beitragvon Twilight » Mo 3. Mär 2008, 11:01

whatshisname hat geschrieben:1. gibt es für Naturalisten keine offiziellen "heiligen" Orte wie es sie in der Religion gibt und 2. würde die Bewunderung solch eines Ortes bei einem Naturalisten niemals die Intensität haben die religiöse Menschen ihren "heiligen" Plätzen entgegenbringen. Wenn man z.B. die Bedeutung Mekkas für Muslime und die pflicht der Pilgereise mit dem freiwilligen Besuch des Grand Canyons vergleicht erkennt man klar die Unterschiede.


Zu Nr.1: Ich stimme dir da teilweise zu. Solche Orte gibt es. Sie wurden hier schon aufgezählt. Nur für den Begriff "heilig" brauchen wir eine Alternative. Darauf bin ich schon weiter oben eingegangen. Einen besseren Vorschlag als "wichtig" kann ich leider auch nicht machen, allerdings ist dieser Begriff wieder zu dehnbar und auf fast alles übertragbar, von der Grundschule über Universitäten, Museen und natürlich auch diese "Mekkas der Moderne".

Zu Nr.2: Dass es keine Pilgerpflicht gibt, und keine Anlässe für kreuz-ähnliche Züge, bringt der Naturalismus mit sich. Die Erkenntnisse, die an diesen Orten Menschen erleuchtet haben, sind auch anderswo erhältlich.
Andererseits: Wer hat noch nie an einem schulischen Wandertag teilgenommen, dessen Ziel ein Naturkundemuseum war? Ich denke, hier gibt es eine gewisse Parallele zu einer Pilgerfahrt. Das Ziel, ein Gefühl für das zu bekommen, was hinter der "Erhabenheit" dieses Ortes steckt. Wie ich schon mal schrieb, geht es dabei nur um Emotionen, die aber auch für Naturalisten wichtig sind.

whatshisname hat geschrieben:Hoffe das war nicht alles Stuss :^^:


Nö. :-)
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Re: Mekkas der Moderne

Beitragvon whatshisname » Mo 3. Mär 2008, 16:24

Twilight hat geschrieben:Nö. :-)


Danke :^^:

Twilight hat geschrieben:Wer hat noch nie an einem schulischen Wandertag teilgenommen, dessen Ziel ein Naturkundemuseum war? Ich denke, hier gibt es eine gewisse Parallele zu einer Pilgerfahrt. Das Ziel, ein Gefühl für das zu bekommen, was hinter der "Erhabenheit" dieses Ortes steckt. Wie ich schon mal schrieb, geht es dabei nur um Emotionen, die aber auch für Naturalisten wichtig sind.


Ich finde hier gibt es noch einen Unterschied denn der Naturalist spürt die Erhabenheit, weil z.B. das Museum ein Ort des Wissens ist. Die Orte religiöser Verehrung sind aber keine Orte des Wissens, sondern Orte von denen der Gläubige glaubt sie seien besonders. Der Gläubige wird wenn man ihn nach wichigen oder "heiligen" Orten fragt sicher kein Museum noch einen anderen Ort des Wissens nennen, außer er steht in direkter Verbindung mit den Geschichten in der jeweiligen "heiligen" Schrift. Natürlich hängt das mit der Vorliebe des Naturalisten für das Wissen und des Gläubigen für das Glauben zusammen...dennoch entstehen die Emotionen eines Naturalisten für einen Ort nicht einfach so oder aufgrund einer alten Geschichte, sondern aus der Kenntnis der Bedeutung des Ortes.
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Re: Mekkas der Moderne

Beitragvon Twilight » Mo 3. Mär 2008, 20:19

whatshisname hat geschrieben:Ich finde hier gibt es noch einen Unterschied [...]entstehen die Emotionen eines Naturalisten für einen Ort nicht einfach so oder aufgrund einer alten Geschichte, sondern aus der Kenntnis der Bedeutung des Ortes.


Das meine ich ja auch. Es GIBT Unterschiede. Aber auch Parallelen.
Für einen gläubigen ist eine Bibelgeschichte gleichzusetzen mit historischer Geschichte. Es ist ihm einfach egal, ob es belegt ist, denn die Geschichte (also die Erzählung) ist für ihn der Beleg in sich. ("Die Bibel ist wahr weil in der Bibel steht, dass sie wahr ist" oder etwas Endogenes in der Richtung).
Der Unterschied des naturalistischen "Heilig"tums ist der exogene Beleg. Die Bedeutung des Ortes kann wissenschaftlich nachvollzogen werden.

Aber dennoch gibt es eben mehr Gemeinsamkeiten, als Unterschiede.
Darunter fallen Inspiration, gefühlte Erhabenheit, bedeutsame Erwähnungen in Literatur, bildender und darstellender Kunst.
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Re: Mekkas der Moderne

Beitragvon whatshisname » Mo 3. Mär 2008, 20:49

Du hast Recht. Trotzdem finde ich, dass den Vergleich von Mekka und Orten die für Naturalisten von besonderer Bedeutung sind unpassend. So gibt es im Naturalismus nun mal keinen Ort #1 wie im Islam Mekka. (Natürlich gibt es auch kein Schriftstück, dass einen solchen Ort nennt, aber wenn man naturalistische Menschen nach dem wichtigsten Ort fragen würde, dann würde das auch keine unumstrittene #1 ergeben).

Ich will einfach nicht mit Theisten in einen Sack gesteckt werden...als ob wir Naturalisten irgendwann als "normale Religion" gelten würden, um dann jeden Tag unseren Glauben durch die Neigung unseres Kopfes in Richtung Darwins Geburtsorts zu bekunden. Eigentlich bin ich unter anderem gerade deswegen Naturalist, weil wir uns nicht zu solch sinnlosen Annahmen hinreißen lassen ein Ort sei wichtiger oder heiliger als ein anderer und man müsse ihn deswegen anbeten, beschützen, von Ungläubigen reinigen oder zu ihm hinpilgern...
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Re: Mekkas der Moderne

Beitragvon [C]Arrowman » Do 20. Mär 2008, 19:36

ein Naturalist der ja nicht an übernatürliche Dinge glaubt wird zwar die Schönheit des Grand Canyon preisen, aber nicht behaupten die Reise habe ihn in seiner Überzeugung (zum Naturalismus) gestärkt oder dem Sinn des Lebens näher gebracht.


Ich fürchte das Muss ich wiedersprechen. Bestimmtes mit eigenen Augen zu sehen und sich dorthin aufmachen, kann die Sichtweise auf das Leben durch aus verändern oder erweitern. Der Naturalist wird sicherlich wenn er an den Niagarafällen steht, steht oderam Grand Canyon bestimmt den ein oder andern Intensiven ich sagmal spiritulellen Augenblick erleben. Es geht bei solchen Sache mE auch weniger um Überzeugungen sondern eher um Ehrfurcht. ob nun vor dem Leben vor schlichter Schönheit der Natur oder imaginären Alphamännchen.
Ich denke du versuchst daraus eine Kopfsache zu machen, dem ist aber nicht so, da solche naturalistischen "Pilgerstätten" vor allem durch Sinneseindrücke und Emotionen wirken, die sich viel tiefer auf den Geist auswirken als alles andere. Naturalisten mögen zwar in ihrer Mehrzahl "Kopfmenschen" sein, d.h.aber nicht das sie jedes Gefühl verwissenschaftlichen müssen.

E sind mE gerade jene Augenblicke, in dem das Denken aussetzt um einfach nur gewisse Eindrücke zu genießen, die das Leben lebenswert machen, jene raren Momente in der man einen Sonnenaufgang beobachtet, die Sterne anstarrt oder oder oder...
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Re: Mekkas der Moderne

Beitragvon whatshisname » Fr 21. Mär 2008, 23:12

Ein Theist besucht einen "heiligen" Ort in der Erwartung einer übersinnlichen Erfahrung. Dabei geht es vorrangig um die Bedeutung des Ortes in der jeweiligen Religion und nicht um den Ort an sich. Hab z.B. heute (Karfreitag) erst im Fernsehen gesehen wie sich Christen in Jerusalem auf den Stein werfen auf dem Jesus angeblich gesalbt wurde. Es würde diese Christen nichts ausmachen wenn Jesus ganz woanders gesalbt worden wäre. Das Einzige was für die "Anbetung" relevant ist ist das Ereignis (hier: Jesus soll an diesem Ort gesalbt worden sein). Ein Naturalist erwartet keine spirtuelle Erfahrung, wenn er den Grand Canyon besucht. Er besucht in weil er weiß das er dort die Natur in ihrer ganzen Pracht sehen kann.

Man muss unterscheiden zwischen einer spirituellen Erfahrung und einfacher Bewunderung. Ein Muslim hat vielleicht ein spirituelles Erlebnis wenn er nach Mekka pilgert und seine Runden um die Kaaba dreht. Ein Naturalist wird nur jede Menge Menschen sehen die um einen schwarzen Stein laufen. Ich will nicht alle Gefühle verwissenschaftlichen aber ich bin der Meinung, dass man einen dicken Strich ziehen muss zwischen dem, was ein Naturalist sich von so einem Ort verspricht und was er erlebt und dem was ein gläubiger Mensch von seinen "Mekkas" erwartet und welche spirituellen Erlebnisse er sich selbst einredet.

Was Ich sagen will ist ein Naturalist hat, wenn er eine solche "erweiternde" Erfahrung macht gute Gründe dafür (beeindruckende Orte). Er wird sich nachher vielleicht stärker für den Naturschutz einsetzen oder sein Leben noch bewusster leben, weil er erkannt hat was für ein unglaubliches Glück wir gehabt haben, dass so etwas schönes wie die Erde überhaupt existiert. Das hat aber nichts mit übernatürlichem/spirituellem zu tun. Ein gläubiger Mensch wird sich zwar einbilden, er hätte eine solche Erfahrung gemacht, weil er eine solche erwartet (oder sie sich wünscht), aber nicht weil er von dem eigentlichen Ort beeindruckt ist, sondern weil seine Religion es ihm eintrichtert.
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Re: Mekkas der Moderne

Beitragvon schmundt » Di 16. Mär 2010, 11:15

Eine kleine Ankündigung in eigener Sache: Das Projekt "Mekkas der Moderne" nimmt Mitte April nun auch die Buchform an.
Wir haben etliche neue Kapitel zusammengetragen – teils inspiriert von der lebhaften und kontroversen Diskussion hier im Forum.
Am 29. April wollen wir das Projekt und das Buch vorstellen im Naturkundemuseum Berlin. Ich poste noch einmal die genauen Daten.

Mehr unter www.mekkasdermoderne.de
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Re: Mekkas der Moderne

Beitragvon Mark » Di 16. Mär 2010, 17:45

Hat das wirklich was mit Wissenschaft zu tun ? Oder geht das nicht mehr in Richtung "Kunst" ? (nichts gegen die Kunst ;-)
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Re: Mekkas der Moderne

Beitragvon schmundt » Mo 22. Mär 2010, 16:53

Nein, es geht um Wissenschaft. Was treibt sie an, was fasziniert an ihr, was motiviert uns, sie zu betreiben (und zu finanzieren)? Vielleicht verdeutlicht ein Beispiel unseren Ansatz: Die Zeitschrift Nature in London. Vergeblich habe ich nach einer unabhängigen Monografie über diese zentrale Publikation des Wissenschaftsbetriebs gesucht. Es gibt sie nicht.

Hier ein Auszug aus dem Kapitel zu Nature aus "Mekkas der Moderne":

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Die Wissenschaftsgalaxis kreist um ein Schwarzes Loch. Eine Uni braucht einen neuen Professor, ein Institut einen neuen Dekan. Die Kommission tagt, die Kandidaten »singen vor«. Ein ungeladener Gast ist meist mit dabei. Dieser Zahlengeist ist un- sichtbar, stumm und doch so beredt, dass er oft über Forschungs- vorhaben und Millionenbeträge mitbefindet. »Citation Index« und »Impact Factor« wird er genannt. Als eine Art Kopfnote für For- scher, die feststellt, wie oft jemand zitiert worden ist, und wo er publiziert hat, spukt er im Zentrum des globalen Wissenschafts- betriebs herum. Er ist mächtig. Und schwer zu greifen.

Spurensuche. Eine enge Seitenstraße in London unweit des Bahnhofs King’s Cross. Die Crinan Street ist eine schmale Gasse, in der man auch einen Krimi drehen könnte: dunkle Mauern, eine Autowerkstatt, kaum Verkehr. Die Nummer 4 ist unscheinbar, ein ehemaliges Lagerhaus aus gelbem Klinker, umgebaut zu einem Bürogebäude. Dies ist eine der weltweit mächtigsten Manufakturen von wissenschaftlichem Prestige.

Crinan Street 4, das ist die Adresse von »Nature«, für viele die Wissenschaftszeitschrift schlechthin. Gemeinsam mit der amerika- nischen Konkurrenz »Science« bildet sie den Doppelgipfel des wissenschaftlichen Olymps. Gegründet wurde »Nature« 1869 unter Beteiligung von Heroen der Wissenschaftsgeschichte wie Herbert Spencer, Thomas Henry Huxley, John Tyndall [e Matterhorn 56]. Jeder von ihnen wohl ein Kandidat für den Nobelpreis – wenn es den damals schon gegeben hätte. Hier haben Einstein, Röntgen, Crick publiziert. Nur wer glaubt, einen ganz großen Wurf gemacht zu haben, wagt es normalerweise, seine Arbeit einzusenden. Das Konkurrenzblatt »Science« wurde erst 1880 gegründet, ist aber im Gegensatz zu »Nature« nichtkommerziell. Für beide gilt: Wer hier publiziert,wird weltweit gelesen und im Schnitt rund dreißigmal zitiert, was »Impact Factor« genannt wird: Einschlägigkeitsfaktor. Einigen Forschern sind die beiden Großen zwar durch ihre bunt gemischte Leserschaft quer durch viele Disziplinen zu oberflächlich. Dennoch gilt ein »Nature«-Artikel als Ritterschlag. Im Foyer eine Büste von William Shakespeare. Der Anspruch ist klar: Hier entsteht Weltliteratur der anderen Art. Wo soll ich publizieren? Diese Frage wird unter Forschern oft lakonisch beantwortet: »No Nature, no impact.«
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Wie aber funktioniert Nature? Wie funktioniert die Zeitschrift, die eine derartig zentrale Rolle im interdisziplinären Austausch innehat? Ortsbesuche könne hilfreich sein dabei, die Fundamente des Wissenschaftsbetriebs zu verstehen. Wissenschaft beginnt eben nicht mit dem Experiment und endet nicht mit dem Laborbericht. Man könnte sogar sagen: Mit dem Laborbericht fängt sie erst an. Erst mit dem Aufrschreiben und publizieren nämlich wird sie gesellschaftlich sichtbar und relevant.
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