Begnadigungsrecht: Unrecht und Willkür?

Beitragvon HF******* » Mo 7. Mai 2007, 13:03

HFRudolph schrieb:
... der Häftling ihm einfach den Hintern nicht küssen will...


Ich stelle klar, dass das metaphorisch zu verstehen ist.
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Beitragvon HF******* » Mo 7. Mai 2007, 13:11

Köhler "begründete" die Ablehnung so:
„Der Bundespräsident hat entschieden, von einem Gnadenerweis für Herrn Christian Klar abzusehen. Der Gnadenentscheidung betreffend Herrn Christian Klar lagen u.a. Stellungnahmen der Bundesministerin der Justiz, des erkennenden Gerichts, der Generalbundesanwältin und der für den Strafvollzug verantwortlichen Justizvollzugsanstalt sowie ein kriminalprognostisches Gutachten zu Grunde. Der Bundespräsident führte darüber hinaus zahlreiche Gespräche, auch mit Hinterbliebenen der Opfer. Abschließend sprach der Bundespräsident am 4. Mai 2007 mit Herrn Klar.

Der Bundespräsident sieht sich nicht in der Lage, dem Gnadengesuch von Frau Birgit Hogefeld, rechtskräftig verurteilt seit dem 6. Januar 1999 zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe, derzeit - im vierzehnten Haftjahr - zu entsprechen. Der Bundespräsident wird jedoch zu gegebener Zeit erneut und von Amts wegen über das Gesuch befinden. Frau Birgit Hogefeld wurde durch Urteil des OLG Frankfurt vom 29. Juni 1998, rechtskräftig seit dem 6. Januar 1999, zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe unter anderem wegen mehrfachen Mordes und Mordversuches verurteilt. Das Gericht stellte die besondere Schwere der Schuld fest. Frau Hogefeld ist seit dem 27. Juni 1993 in Haft.“


Klar fragt sich jetzt wahrscheinlich: Was muss ich tun, um begnadigt zu werden :/
Die Häftlinge müssen sich fühlen wie Figuren aus einem Kafka-Roman...
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Re: Begnadigungsrecht: Unrecht und Willkür?

Beitragvon Kurt » Mo 7. Mai 2007, 13:23

HFRudolph hat geschrieben:Nicht umsonst heißt es: Gnade vor Recht ergehen lassen, d. h. dass Gnade grundsätzlich kein Recht ist. Recht sprechen die Gerichte, der Bundespräsident spricht im Rahmen der Rechtsordnung etwas ungerechtes, wenn er begnadigt.


Dieser Argumentation kann ich mich nicht anschließen. Gnade ist etwas, das freiwillig gegeben wird. Also wie wenn ich im Auto jemanden rauswinke, obwohl ich eigentlich Vorfahrt hätte. Das ist doch auch nicht "Recht", aber sicherlich nicht ungerecht. Aus dieser Sicht wäre es sinnvoll, wenn der Geschädigte die Gnade erweisen könnte, d.h. vor Gericht darauf hinwirkt, dass dem Täter die Strafe (zum Teil) erlassen wird. Bei einem Mord ist das natürlich nicht möglich.

Gnade ist eine Neubemessung des Strafmaßes. Die Frage ist, ob das Strafmaß grundsätzlich vor Antritt der Strafe komplett festgelegt werden sollte, oder ob es die Möglichkeit zur Nachbesserung geben sollte. Vorzeitige Haftentlassung usw. gibt es ja schon, und ich finde das auch gut so. Bei so einer Haftentlassung gibt es (hoffentlich?) einen Katalog von Kriterien, die der Häftling erfüllen muss. Alles andere wäre Willkür.

Der Bundespräsident urteilt nicht nach einem Katalog, der sich ja nur auf das Verhalten des Häftlings in der Vergangenheit bezieht. Sondern er soll herausfinden, ob sich die Einstellung des Täters zu seinen Verbrechen geändert hat und ob solche Verbrechen in Zukunft unterbleiben. D.h. er soll die Persönlichkeit des Täters genau analysieren, und mit Augenmaß und gesundem Menschenverstand entscheiden. So einem Augenmaßentscheidung würde ich einem "kleinen Beamten" nicht zugestehen. Aber ich finde es sinnvoll, dass der Bundespräsident diese Befugnis hat. So viel Respekt und Vertrauen habe ich in dieses Amt. Der Bundespräsident ist der erste Mann im Staat und hat aus meiner Sicht genügend Abstand zum politischen Tagesgeschäft, um solche Entscheidungen treffen zu können. Wenn wir ihm nicht vertrauen können, wem sonst?

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Beitragvon Kurt » Mo 7. Mai 2007, 13:25

HFRudolph hat geschrieben:Klar fragt sich jetzt wahrscheinlich: Was muss ich tun, um begnadigt zu werden :/


Das ist genau das Problem: Gibst du ihnen einen Kriterienkatalog, dann werden sie ihn auch irgendwie erfüllen, selbst wenn sie die Gnade vielleicht nicht verdienen.
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Beitragvon Klaus » Mo 7. Mai 2007, 13:29

Dann ist der Mörder ein Held. Wieviele Friedensnobelpreisträger haben vorher ihre Widersacher schlichtweg aus dem Weg räumen lassen. Ist das nicht immer eine Frage des Blickwinkels oder der Blickrichtung?
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Beitragvon HF******* » Mo 7. Mai 2007, 13:56

Kurt schrieb:
... wenn der Geschädigte die Gnade erweisen könnte, d.h. vor Gericht darauf hinwirkt, dass dem Täter die Strafe (zum Teil) erlassen wird. ...


Der Täter wird ja nicht (nur) bestraft, um Selbstjustiz des Geschädigten zu verhindern. Der Täter wird vor allem bestraft, ihn selbst von zukünftigen Taten abzuhaten und die Allgemeinheit abzuschrecken. Die Tat ist dann eigentlich nur der zweckmäßige Ansatz. (Die vorherrschende Meinung ist im Gegensatz dazu allerdings das Schuldprinzip).

Bei den Straftaten, die keine Antragsdelikte (nur die ganz leichten) sind, wird auch dann verfolgt, wenn das Opfer ausdrücklich sagt, dass es gegen eine Betsrafung ist, weil die Erhaltung der Rechtsordnung Hauptzweck der Strafe ist, durchgesetzt durch die präventive Wirkung der Strafe.

Kurt schrieb:
Sondern er soll herausfinden, ob sich die Einstellung des Täters zu seinen Verbrechen geändert hat und ob solche Verbrechen in Zukunft unterbleiben. D.h. er soll die Persönlichkeit des Täters genau analysieren, und mit Augenmaß und gesundem Menschenverstand entscheiden.

Das meinst Du, das er das soll: Du kannst es ihm ja mal vorschlagen :lachtot: Der Bundespräsident kann den Täter auch sitzen lassen, weil er meint, das gehört einfach so: So wie der Jäger ein Eichhörnchen vom Baum schießt und sagt: Das sieht nicht aus!

Der Bundespräsident ist weder vom Volk gewählt, noch muss er irgendeine Qualifikation oder einen bestimmten Intelligenzquotienten oder irgendeine moralische Integrität vorweisen können. Um es mal ganz krass zu sagen: Der Bundespräsident ist (im Zweifel) irgendwer. Wie soll er denn eine Persönlichkeitsanalyse durchführen können? Natürlich hat er die entsprechenden Personen zur Verfügung, die das für ihn machen könnten.

Nebenbei: Johannes Rau und Lübke hat man doch AUCH zu Bundespräsidenten gemacht, damit sie in der Tagespolitik nicht mehr im Wege waren. Nebebei hielt man sie natürlich auch für geeignet für das Amt, das ansich nur selten wirkliche über die Repräsentation hinausgehende Funktion hat.
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Beitragvon [C]Arrowman » Mo 7. Mai 2007, 13:59

Klar fragt sich jetzt wahrscheinlich: Was muss ich tun, um begnadigt zu werden

Klar fragt sich jetzt wahrscheinlich: Was muss ich tun, um begnadigt zu werden


Zunächst mal darüber Nachdenken warum er im Gefängnis sitzt....

Ich finde die Entscheidung von Horst richtig und gut Klar hat sich als unverbesserlich erwiesen und von Einsicht und Reue keine Spur. Er wurde rechtskräftig verurteilt.
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Beitragvon Klaus » Mo 7. Mai 2007, 13:59

Der Wortlaut kann beim SPON nachgelesen werden. Also nix Neues, alles andere hätte mich gewundert.
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Beitragvon Andreas Müller » Mo 7. Mai 2007, 14:05

hat sich als unverbesserlich erwiesen


Es passt denen doch nur nicht, dass jemand Kapitalismuskritik ausübt. Wenn er schon im Gefängnis sitzt, ist das natürlich praktisch.
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Beitragvon Klaus » Mo 7. Mai 2007, 14:09

@Andreas, das ist die politische Komponente an der Sache, wenn er die politische Auseinandersetzung gesucht hätte, wäre er nicht da wo er jetzt ist.
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Beitragvon [C]Arrowman » Mo 7. Mai 2007, 14:40

Natürlich kann man Kapitalismus auch kritisieren in dem man Menschen tötet.... *augenroll*
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Beitragvon Klaus » Mo 7. Mai 2007, 15:02

Das ist dann aber eine nicht sehr überzeugende Kritik.
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Beitragvon HF******* » Di 8. Mai 2007, 16:02

Bundestagsabgeordnete der Grünen, Petra Roth, sagte zur abgelehnten Begnadigung von Christian Klar, der Resozialisisierungsgedanke müsse vor der Rache Vorrang haben. In der Tat ist das sogenannte Schuld-Sühne-Prinzip nichts anderes als das Racheprinzip.

An anderer Stelle habe ich schon mal deutlich gemacht, dass Rache überhaupt kein akzeptabler Strafzweck ist, auch wenn unser Strafrecht grundlegen auf dem Schuld und Sühne Prinzip basiert.
Rache wird sogar durch die Rechtssprechung als „niederer Beweggrund“ beim Vorsatz des Täters bezeichnet. Rache ist der Instinkt, der eine Abwägung Präventionserfordernisse in der Natur ersetzt. In einem Rechtsstaat sollte eine Kontrolle der Racheinstinkte nach der Erforderlichkeit einer Strafe zur Verhinderung neuer Straftaten erfolgen. Eine dem Zivilrecht vergleichbare Aufrechnung, dass dem Täter durch den Staat eine Schädigung zugefügt werden müsse, die der Schädigung des Opfers entsprechen müsse, unabhängig vom Präventionsinteresse stellt die Racheinstinkte über den Verstand: Ein Rechtsstaat sollte aber nicht vorrangig auf Instinktebene handeln.

Angenommen die Präventionszwecke würden in einem hypothetischen (kaum denkbaren) Fall vollständig zurück treten, dann könnte man auf die Idee kommen, dass der Staat zur Abwendung von Selbstjustiz des rachelüsternen Opfers strafen müsse: Wenn die Rachegelüste aber eine rationalen Überprüfung nicht Stand halten, dann müsste der Staat gerade diese überschießenden Rachegefühle unterbinden, d. h. durch die Strafrechtsordnung Selbstjustiz unterbinden.
Zudem würde es die Gefahr eines vorauseilenden Gehorsams produzieren, indem der Staat die irrationalen Gründe des Geschädigten durchsetzt.
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Beitragvon Kurt » Di 8. Mai 2007, 16:47

Puh, das war aber ein bisschen kompliziert. Hab ich das richtig verstanden:

Rache (=Strafe nach dem Schuld und Sühne-Prinzip) dient evolutionär der Prävention und hat keine Berechtigung mehr, wenn der Zweck der Prävention nicht mehr erreicht wird.

Was ist jetzt aber die Schlussfolgerung daraus? Im Fall Christian Klar war Köhler wohl nicht von der Harmlosigkeit Klars überzeugt und begnadigte diesen zum Zwecke weiterer Prävention nicht. Resozialisierung wäre ein entgegengesetztes Ziel gewesen, dass aber gegenüber der Prävention keinen Vorrang hatte.
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Beitragvon HF******* » Di 8. Mai 2007, 17:13

@Kurt: Ich bin etwas vom Thema abgewichen und habe es auch nur in Kurzform gebracht, weil meine Einstellung zum Schuld und Sühne Prinzip an anderer Stelle bereits ausführich dargestellt ist.

Prävention umfasst nicht nur, dass der Täter selbst keine Taten mehr begeht, , sonder Prävention umfasst auch die Wirkung von Strafgesetzen und Strafe allgemein, dass also die Allgemeinheit von Strafen abgehalten wird.

Die allgemein vorherrschende Meinung vertritt das Schuld und Sühne- Prinzip: Meine Meinungen dürfen immer kritisiert werden, das brauche ich wohl nicht erst zu sagen - ich würde soetwas niemals übel nehmen. Es ist ja auch keine allgemeine Brights-Meinung, was ich hier schreibe.

Tatsächlich ist das Rachegefühl ein genetisch angelegtes Gefühl, das kann wiederum unstrittig angesehen werden. Anhand des Gefangenendilemmas hat Richard Dawkins in „Das egoistische Gen“ auseinandergenommen, welche „Rachstrategie“ die erfolgreichste ist, so dass also sogar die Strategie angeboren ist.
Wer einmal Geschädigter einer Straftat war, kann nachvollziehen, wie schwer es ist, sich von diesem Gefühl zu trennen: Es ist ein Überlebensinstinkt. Unabhängig von der Frage, ob man Vertreter des Determinismnus oder des Indeterminismus ist, wird hier deutlich, dass der Mensch Gefangener seiner genetischen Existenz ist und sich über diese Gefangenschaft nur schwer erheben kann: Hierzu ist der Verstand und das Verstehen der eigenen Gefühle und der eigenen Existenz hilfreich.
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Re: Begnadigungsrecht: Unrecht und Willkür?

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Mi 9. Mai 2007, 22:03

HFRudolph hat geschrieben:Der Bundespräsident kann wegen Mordes verurteilte begnadigen.
Bla ...

Man muss kein Mörder sein, um auf Gnade hoffen zu dürfen. Die wenigsten Mörder hoffen auf die Gnade des Bundespräsidenten und die wenigsten können auf seine Gnade hoffen ... denn es geht in meistens (juristisch) nichts an.
Sprich: Nur wenn die Bundesanwaltschaft der Ankläger war - wegen was auch immer - übt der Bundespräsident das Gnadenrecht aus, sonst ist dies Ländersache, meist also Sache der Ministerpräsidenten.
Herr Klar kann auch ohne Begnadigung vorzeitig (als noch lebend) entlassen werden, denn für die vorzeitige Entlassung (Strafaussetzung) gibt es feste Kataloge. In der Regel wird so gut wie jeder Mörder vorzeitig entlassen mit minimaler Rückfallquote.
Auch dort ist man natürlich einer gewissen, aber etwas objektiv überprüfbareren Willkür ausgesetzt. Der große Vorteil der Richter ist natürlich, dass sie sich keinem Söder aussetzen müssen, der mit "Entzug der Wiederwahl" droht. (Soviel zur CSU-typischen Achtung vor Verfassungsorganen.) Folglich kann ein Richter sogar eher unppuläre und unpopulistische aber gerechtere Entscheidungen und Einschätzungen treffen.

Da die Gnade ausserhalb der üblichen Überprüfung und zusätzlich zur üblichen Überprüfung auf vorzeitliche Entlassung steht, finde ich dies trotz der quasi absolutistischen Willkür durch die "Landesherren" (egal ob Minister- oder Bundespräsident) in Ordnung.
Natürlich werden es "einfach unbequeme Andersdenker" auch hier schwer haben bis zur Unmöglichkeit.
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Beitragvon HF******* » Mi 9. Mai 2007, 22:49

1von6,5Milliarden schrieb:
Bla ...


Richtig, der Bundespräsident kann nur begnadigen, wenn die erste Instanz ein Bundesgericht war - sonst sind die Länder zuständig.
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