Pro und Contra Organspende

Re: Pro und Contra Organspende

Beitragvon Nonsens² » Sa 19. Nov 2011, 07:02

mat-in hat geschrieben:in "dubio pro vivo" oder so :)


Ja, es wäre wirklich schön, wenn nach diesem Grundsatz gehandelt würde (also quasi nach einem opt-out-Verfahren) :applaus:
In der Realität wird aber scheinbar eher nach dem Grundsatz "in dubio pro mortuos" gehandelt um nur bloß keine opt-out-
Situation zu schaffen (die ja den sozialen Druck erhöhen könnte oder sogar ... Gott bewahre ... die Religionsfreiheit
untergraben) :aengstlich:
Was eigentlich komisch ist, wenn man bedenkt, dass der Staat bei einer anderen Sache, die tote Menschen betrifft, sehr wohl
eine gewisse Art opt-out Verfahren praktiziert, nämlich im Erbrecht.
Dort ist es so:
Wenn kein Testament/letzter Wille vorhanden ist und entsprechende Erben entweder nicht ermittelt werden können oder das Erbe ausschlagen, dann fällt das
Erbe an den Staat, welcher dann darüber verfügt.
D.h. ein Mensch der zwar über einen gewissen materiellen Besitzt verfügt, nicht aber über nähere Angehörige, wird praktisch
gezwungen ein Testament zu verfassen, wenn er nicht will, dass sein Besitz nach seinem Ableben automatisch an den Staat
geht... :look:
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Re: Pro und Contra Organspende

Beitragvon Gandalf » Sa 19. Nov 2011, 13:52

Nanna hat geschrieben: Der Fall, dass jemand keinen Organspendeausweis hat, würde bedeuten, dass die Organe nicht entnommen werden, weil keine Einwilligung vorliegt. Auf die Weise müsstest du keine Angst haben, dass deinem Körper in Graubereichssituationen etwas angetan wird, was du nicht gewollt hast.

ja gut, - hab ich auch nichts dagegegen. Es ist doch so wie jetzt!?
Nanna hat geschrieben:Unabhängig davon sollte jeder Mensch mindestens einmal in seinem Leben mit dem Thema Organspende konfrontiert werden und die Spendenbereitschaft sollte auf Führerschein, Personalausweis den Krankenkassenchipkarten sowie in einer zentralen Datenbank vermerkt sein, so dass möglichst wenig Aufwand betrieben werden muss, um nach dem Tod den Spendenstatus zu klären. Wer sich verweigert, da eine Entscheidung zu treffen, muss damit rechnen, dass die Angehörigen gefragt werden, ist niemand auffindbar, werden die Organe nicht entnommen.

Wäre doch eine sinnvolle Regelung, die alle Interessen berücksichtigt (was Sinn und Zweck demokratischer Regelfindung ist, das nur mal angemerkt).

Dagegen ist absolut nichts einzuwenden, so lange ich in der Fußgängerzone auf "Organverbrauchervereine" oder andere Gruppen, die sich "ihren Wurzeln zuwenden" zugehen, - oder einen weiten Bogen um sie machen kann. Warum macht man es nicht so?
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Re: Pro und Contra Organspende

Beitragvon Gandalf » Sa 19. Nov 2011, 13:58

Nonsens² hat geschrieben:D.h. ein Mensch der zwar über einen gewissen materiellen Besitzt verfügt, nicht aber über nähere Angehörige, wird praktisch
gezwungen ein Testament zu verfassen, wenn er nicht will, dass sein Besitz nach seinem Ableben automatisch an den Staat
geht... :look:


Das Problem hier: Diese Konstellation ist äußerst selten. Regelmäßig ist es umgekehrt: Der 'Besitzlose' vererbt der Allgemeinheit seine Schulden, die dann für Ausgleich sorgen muß. (Und ich glaube auch nicht, das jemand der sein unveräußerliches Eigentum (seinen Körper) vernachlässigt hat, der ideale Organspender ist, der einen Bedarf befriedigt)
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Re: Pro und Contra Organspende

Beitragvon Zappa » Sa 19. Nov 2011, 14:35

stine hat geschrieben:Findest du? Überall wird versucht Gewinne zu maximieren. Auch in den Krankenhäusern. Dass operierende Ärzte anfangs oft noch nicht den großen Schnitt machen, sondern eher sogar ausgenutzt werden, mag stimmen, aber die schönsten Häuser im Land bewohnen immer noch die Mediziner und die Juristen. Das ist sicherlich kein Zufall.


Ärzte verdienen nicht schlecht, vor allem Orthopäden, Zahnmediziner, Kardiologen und Radiologen, Transplantationsmediziner eher nicht - aber das ist hier doch nicht das Thema.

Du unterstellst, das pekuniäre Interessen bei der Entscheidung zur Organentnahme und -verpflanzung eine Rolle spielen könnten, das ist ein ganz anderes Argument. Ich stimme dem nicht zu. Das Verfahren ist so, dass man finanzielle Interessen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als Beweggrund für eine Transplantation ausließen kann, da derjenige der verpflanzt nicht mit den Angehörigen spricht und diejenigen, die mit den Angehörigen sprechen nicht daran verdienen. Hinzu kommt, dass die Organe in Europa zentral über eine Behörde verteilt werden, d.h. alle konkreten ärztliche Akteure haben überhaupt keinen Einfluss darauf, wer das Organ bekommt und damit auch nicht, wer es transplantiert (-> http://www.dso.de/organspende/ablauf/main_bottom.html)

Deswegen finde ich es ziemlich plump dieses Problem als ein reales oder gar relevantes zu unterstellen und damit die berechtigten Interessen der potentiellen Organempfänger beiseite zu stellen. Das wird den schwerwiegenden Leiden, die mit einer Transplantation geheilt werden können überhaupt nicht gerecht. Jeder mag seine eigenen Bedenken von links nach rechts, die Treppe rauf und runter und wieder an den Ausgangsort zurück tragen, nicht mein Problem. Wenn man aber seine bedenkenschwangere Meinung mit solch fadenscheinigen Argumenten an die Frau und an den Mann bringen möchte, dann habe ich dafür kein Verständnis, sorry.

Wir sollten sachlich bleiben: Das Problem eines finanziellen Interesses der beteiligten Ärzte ist inexistent!

PS: Ob man lieber mit einem neuen Organ und den dazu notwendigen Medikamenten leben möchte oder weiter ohne fremdes Organ, die Entscheidung kannst Du gerne den potentiellen Empfängern überlassen. Es ist eine ausgesprochene Rarität, dass sich jemand gegen die Transplantation entscheidet, auch bei Zweittransplantationen. Ist ja auch klar, eher man in Bälde erstickt (Mukoviszidose, Herzinsuffizienz), verblutet oder verblödet (Leberzirrhose) oder den Rest seines Lebens an der Dialyse hängt, geht man liebend gerne die Nebenwirkungen der medikamentösen Therapie ein.
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Re: Pro und Contra Organspende

Beitragvon stine » Sa 19. Nov 2011, 15:41

Zappa hat geschrieben:Wir sollten sachlich bleiben: Das Problem eines finanziellen Interesses der beteiligten Ärzte ist inexistent!
Glaubst du wirklich, dass bei den Internisten nix verdient wird?
Ich will das Thema nicht mit diesem Nebenschauplatz überstrapazieren, aber prinzipiell ist die Gesundheit ein deutscher Wirtschaftsfaktor, der nicht zu unterschätzen ist. Eine Beitragserhöhung in der Pflegekasse, eine Erhöhung bei den Kassenbeiträgen insgesamt und die Absenkung der Kassenleistung bei "niederen" Beschwerden lassen vermuten, dass das Geld woanders landet. In der Medizin ist es wie überall: Es ist eine Spirale nach oben hin feststellbar. Der Allgemeinarzt geht unter, weil der Spezialist mehr aus dem Topf verbraucht. Ganz zu schweigen von der allzeit profitierenden Pharmaindustrie.

Ich habe nichts dagegen, wenn sich Menschen für die Vergabe ihrer Organe entscheiden. Ich befürchte nur, wenn es erst genug Organe geben wird, dass Organverpflanzung eine übliche Therapie werden kann, noch bevor man versucht auf anderem Wege zu helfen. Es wurde ja schon mehrmals angesprochen, auch von @Gandalf, aber die Befürworter der Organspende überlesen geflissentlich die Bedenken. Und der Druck auf potentielle Spender kann durchaus noch gesteigert werden. Kopf in den Sand stecken und der Wissenschaft huldigen kann auch schädlich sein. Weil sämtliche Datenbanken nicht die Gewährleistung einer schnellen Entnahme bieten können, schlage ich vor, ein Tatoo an der Hüfte anzubringen. "Ich bin Spender" oder so ähnlich. Das kann man im Falle eines Unfalles auch ohne Datenbank schnell und sicher finden. :^^: Garantiert dann zumindestens, dass der Tote schneller im KKH ist, als der Verletzte.

Der ganze medizinische Apparat wird teurer, je komplizierter die Eingriffe werden. Und ich fragte in dem Zusammenhang schon einmal: Wer soll denn jetzt ein Spenderorgan bekommen? Derjenige der einen Geburtsfehler ausgleichen muss oder derjenige, der sich über viele Jahre hinweg immer wieder selbst geschadet hat? Wenn jeder Raucher das Anrecht auf eine zweite Lunge hat, dann sollte man der Zigarettenindustrie nochmal gehörig Gesundheitsabgaben abknöpfen, die Fettleber wird auch nicht von alleine fett, ganz zu schweigen vom Couch-Potato-Herzen - und wieviele Organe darf ein Empfänger verbrauchen?
Darf er in alte Muster zurückverfallen oder muss er die Spenderorgane würdigen und sein Leben verändern? Wer überprüft das?

LG stine
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Re: Pro und Contra Organspende

Beitragvon stine » Sa 19. Nov 2011, 15:56

Mir fällt gerade ein, dass früher oft über Lautsprecher durch die Straßen zum Blutspenden aufgerufen wurde. Vielleicht hört man künftig auch den Aufruf, doch bitte heute noch eine Niere zu spenden! Vorstellbar wärs, wenn es erst gang und gäbe ist.

:sceptic2: stine
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Re: Pro und Contra Organspende

Beitragvon Zappa » Sa 19. Nov 2011, 16:30

stine hat geschrieben:
Zappa hat geschrieben:Wir sollten sachlich bleiben: Das Problem eines finanziellen Interesses der beteiligten Ärzte ist inexistent!
Glaubst du wirklich, dass bei den Internisten nix verdient wird?

Nein, ich weiß es.

Mit viel Glück bekommen die die Überstunden bezahlt.


stine hat geschrieben:Ich habe nichts dagegen, wenn sich Menschen für die Vergabe ihrer Organe entscheiden. Ich befürchte nur, wenn es erst genug Organe geben wird, dass Organverpflanzung eine übliche Therapie werden kann, noch bevor man versucht auf anderem Wege zu helfen.


Warum sollte es denn so werden? Erst wollen ja noch die Internisten mit Ihren Pillen viel Geld verdienen, bevor die Chirurgen ran dürfen, oder? :kopfwand:


stine hat geschrieben:Es wurde ja schon mehrmals angesprochen, auch von @Gandalf, aber die Befürworter der Organspende überlesen geflissentlich die Bedenken.


Ich halte (a) die Bedenken für recht weit hergeholt und (b) wenn Sie denn substantiell wären für beherrschbar und (c) die Interessen der möglichen Empfänger von Euch vollkommen marginalisiert! Abgesehen davon bin ich auf die Bedenken mehrfach eingegangen!


stine hat geschrieben:Und ich fragte in dem Zusammenhang schon einmal: Wer soll denn jetzt ein Spenderorgan bekommen? Derjenige der einen Geburtsfehler ausgleichen muss oder derjenige, der sich über viele Jahre hinweg immer wieder selbst geschadet hat?


Mediziner mögen viele Fehler haben, aber sie haben einen großen Vorteil: Den Pragmatismus. Organe bekommen diejenigen Patienten, die sie am nötigsten brauchen. Dafür gibt es Kriterien und anhand derer werden die Patienten gewichtet auf einer Transplantationsliste geführt. In deinem Beispiel also eindeutig Patient 1! Natürlich muss das Organ passen, das ist das "ungerechte" an dem System, sozusagen "Gottes Hand" :mg:

Es gibt aber auch klare Ausschlußkriterien, so bekommen "nasse" Alkoholiker keine neue Leber, wäre ja auch Perlen vor die Säue geworfen.

@Gandalf: Ich rede hier natürlich vom "regulierten" Organhandel in zivilisierten Gesellschaften, nicht vom freien - pardon sebstregulierenden - Organhandel in der 3. Welt :lachtot:

stine hat geschrieben:Darf er in alte Muster zurückverfallen oder muss er die Spenderorgane würdigen und sein Leben verändern? Wer überprüft das?


Auch das ist zu 98% eine Pseudodiskussion. Organtransplantationen betreffen in aller Regel Menschen mit angeborenen oder sündelos :mg: erworbenen Erkrankungen. Kein Raucher bekommt eine neue Lunge und kein nasser Alkoholiker eine neue Leber. Auch ein trockener Alkoholiker i.d.R. nicht, denn Aspekte wie Lebenserwartung, soziale Eingebundenheit etc. spielen eine große Rolle bei der Entscheidung, ob jemand auf die Transplantationslist kommt oder nicht. Es kann in seltenen Fällen mal vorkommen (wenn alle Ärzte eine gute Sozialprognose und ein gute Mitwirkung des Patienten attestieren und wenn das Organ keinem anderem, weiter oben auf der Liste stehendem Patienten, passt), dass ein alter Säufer doch eine neue Leber bekommt. Das ist dann halt Glück für ihn, und ich würde ihm meine Leber gönnen, bevor die Würmer die fressen.

Wie mehrfach gesagt: Wir reden hier vor allem über den 25jährigen Mukoviszidosepatienten oder um den jungen Menschen mir entzündlicher Herzmuskelschwäche!

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Re: Pro und Contra Organspende

Beitragvon Darth Nefarius » Di 22. Nov 2011, 16:40

Tja, ich besitze keinen Organspendeausweis, aber ich würde mir einen anschaffen, wenn: Es ich weniger in die Krankenkasse zahlen müsste und wie ein Privater behandelt werden würde. Im Ernst, dann, so wette ich, würden das noch andere machen, aber das kann man einem egoistischen Lebewesen auch nicht vorwerfen. Jeder hätte was davon, aber die Moralisten unter uns halten das für einen Handel mit Leben. 1.Na und? und 2.Stimmt das nicht, das ist nur ein Ersatzteil (das Spenderorgan), das einen Menschen weiter am Leben hält, nicht mehr und nicht weniger.
Ansonsten habe ich keinen Grund zu entscheiden, was mit meinem toten organischen Detritus geschehen soll, wenn selbiger (also ich) tot bin. Ich habe dann nichts davon, dass sonstwer was davon hat. Mein Motto ist, dass ich, solange die Organe nicht aus mir herausspringen, sie brauche.
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Re: Pro und Contra Organspende

Beitragvon stine » Di 22. Nov 2011, 16:55

Darth Nefarius hat geschrieben:...wenn: Es ich weniger in die Krankenkasse zahlen müsste und wie ein Privater behandelt werden würde.
Das macht im späteren Ernstfall Sinn. Die Organe wären gut in Schuss gehalten :up:
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Re: Pro und Contra Organspende

Beitragvon mat-in » Di 22. Nov 2011, 19:50

Ist generell kein schlechter Ansatz. Alle menschen sind egoisten, auch "mutter theresa", die dachte ja, sie bekommt dafür was im Himmelreich geschenkt *sfg*.
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Re: Pro und Contra Organspende

Beitragvon Zappa » Di 22. Nov 2011, 20:52

Ich denke, der Egoismus von Mutter Theresa ging noch wesentlich darüber hinaus:

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Re: Pro und Contra Organspende

Beitragvon tanjaw » So 27. Nov 2011, 21:38

Ich denke ernshaft darüber nach. Wenn man tot ist, dann können einem doch die Organe auch egal sein, oder?? Warum dann nicht einem anderen Menschen das Leben retten??!!
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Re: Pro und Contra Organspende

Beitragvon stine » Mo 28. Nov 2011, 09:13

Das sollte jeder drucklos für sich entscheiden dürfen. Worum es mir geht ist, dass es keine aktive Werbung dafür geben darf, die diejenigen, die sich verweigern als asoziale Egoisten abstempeln. Außerdem bin ich dagegen, dass man mit dem Leid von Menschen hausiert, obwohl es im Endeffekt nur darum geht, "Material" für die von der Forschung angetriebene medizinische Technik zu besorgen.
Es kann auch nicht sein, dass sich Menschen entscheiden "müssen". Unter Freiheit verstehe ich nicht Entscheidungsfreiheit, sondern Freiheit ist für mich, in Ruhe gelassen zu werden.

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Re: Pro und Contra Organspende

Beitragvon Nanna » Mo 28. Nov 2011, 09:29

stine hat geschrieben:Das sollte jeder drucklos für sich entscheiden dürfen. Worum es mir geht ist, dass es keine aktive Werbung dafür geben darf, die diejenigen, die sich verweigern als asoziale Egoisten abstempeln.

Aktive Werbung in diesem Bereich unterliegt der Meinungsfreiheit. Man kann darüber streiten, ob der Staat sie unternehmen darf, wobei sich das relativiert, sobald es einen demokratischen Parlamentsbeschluss gibt, der das legitimiert.

stine hat geschrieben:Es kann auch nicht sein, dass sich Menschen entscheiden "müssen".

In der derzeitigen Regelung gibt es keine Konsequenzen, falls Leute die Anfrage ignorieren. Es gibt also keinen Entscheidungszwang. Die Konfrontation damit muss jeder aushalten, da kann nicht permanent Rücksicht auf persönliche Befindlichkeit oder radikalliberale Einstellungen genommen werden. Es ist ja nicht so, dass der Staat diese unangenehme Situation erzeugt hätte, es ist schlichtweg das Leben, das uns vor solche Fragen stellt. Insbesondere in einer Demokratie hat nunmal jeder Bürger als Teilsouverän ganz besondere Verantwortung, eben nicht nur für sich, sondern auch für die Gemeinschaft. Wir können nicht gierige Banker und umweltzerstörende Konzernvorstände geißeln und dann im Kleinen das billigste Käfighähnchen kaufen, unser Geld zu einer Bank tragen, die damit Coltanabbau in Afrika finanziert, oder vergleichbares tun, nur weil wir uns aus Angst und Bequemheit um schwierige Entscheidungen herumdrücken wollen. Mitentscheiden heißt nicht immer nur Volksabstimmungen über Tiefbahnhöfe durchführen, es heißt auch, dass man sich als citoyen verantwortlich für die Gemeinschaft verhält und da gehört es in meinem Verständnis dazu, eine Entscheidung darüber zu fällen, was mit den lebensrettenden Organen passieren soll, die man möglicherweise mal hinterlässt.
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Re: Pro und Contra Organspende

Beitragvon stine » Mo 28. Nov 2011, 09:58

Nanna hat geschrieben:Es ist ja nicht so, dass der Staat diese unangenehme Situation erzeugt hätte, es ist schlichtweg das Leben, das uns vor solche Fragen stellt.
Nein, es ist nicht "das Leben", das uns vor solche Fragen stellt. Das Leben beginnt und das Leben endet. Dass Menschen erkranken oder lebensunfähig geboren werden ist ein Teilaspekt des Lebens, der unter anderen Umständen einfach hinzunehmen wäre. Zivilisierte Menschen nehmen aber nichts einfach nur hin sie wollen sich der Natur nicht beugen. Sie denken, sie könnten mit all ihrem Wissen der Natur entgegensteuern. Das eine Leben wird verlängert, das andere endet nach der Sterbehilfe. Der eine kann therapiert werden, der andere muss leider aufgrund seiner falschen Krankenversicherung sein Leid hinnehmen. Der eine kann seine Embryonen aussuchen lassen, der andere muss hinnehmen, dass seine Kinder allesamt mit Hasenscharten geboren werden oder im Säuglingsalter sterben.
Neuerlich will sich der Staat auch an den Kosten der Befruchtungstherapien "unschuldig" kinderloser Paare beteiligen. Ich frage mal ganz provokant: Ist Medizin eigentlich noch mehr, als wirtschaftliches Interesse?
Inzwischen könnte man schon den Verdacht haben, dass die Ärzte ohne Grenzen nicht nur aus reiner Nächstenliebe in den Drittweltländern umsonst operieren, sondern ganz gezielt dort ihre Lehrjahre absolvieren, wo sie ganz ohne einengende Vorschriften walten und Erfahrungen sammeln können.

Und wir, die Schäflein auf der Weide, glauben noch an das Gute im medizinischen Fortschritt, klatschen und freuen uns, wenn wir wenigstens unsere Organe dem Fortschritt spendieren dürfen. Määäh, määäh!

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Re: Pro und Contra Organspende

Beitragvon Arathas » Mo 28. Nov 2011, 10:15

stine hat geschrieben:Unter Freiheit verstehe ich nicht Entscheidungsfreiheit, sondern Freiheit ist für mich, in Ruhe gelassen zu werden.


Für mich auch. Allerdings lebe ich in Deutschland und nicht alleine auf einer Insel im Pazifik. Wenn ich diesen kleinen aber feinen Unterschied mit in die Rechnung einbeziehe, erkenne ich normalerweise, dass man beim Zusammenleben mit anderen Menschen gewisse Abstriche der persönlichen Freiheit in Kauf nehmen muss.

Das Einsiedlerleben auf einer Insel steht dir aber immer offen, stine. ;-)


stine hat geschrieben:Und wir, die Schäflein auf der Weide, glauben noch an das Gute im medizinischen Fortschritt, klatschen und freuen uns, wenn wir wenigstens unsere Organe dem Fortschritt spendieren dürfen. Määäh, määäh!


Du kannst dich doch jederzeit verweigern und im stillen Kämmerlein an einer Lungenentzündung krepieren, statt Antibiotika zu nehmen, wenn du Lust darauf hast. Wo ist das Problem?
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Re: Pro und Contra Organspende

Beitragvon Nanna » Mo 28. Nov 2011, 10:45

stine hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Es ist ja nicht so, dass der Staat diese unangenehme Situation erzeugt hätte, es ist schlichtweg das Leben, das uns vor solche Fragen stellt.
Nein, es ist nicht "das Leben", das uns vor solche Fragen stellt. Das Leben beginnt und das Leben endet. Dass Menschen erkranken oder lebensunfähig geboren werden ist ein Teilaspekt des Lebens, der unter anderen Umständen einfach hinzunehmen wäre.

Auch das "einfach hinnehmen" wäre eine Entscheidung, nämlich eben gegen Organspende. Sobald eine Möglichkeit im Raum steht, muss über ihre Verwendung entschieden werden. Du kannst es gerne als Tragödie der Moderne ansehen, dass immer mehr Dinge entdeckt und möglich geworden sind und unser Leben dadurch immer mehrschichtiger und in sich widersprüchlicher geworden ist, aber eine Wahl hast du einfach nicht: In den Zustand des Nichtwissens zurückzutreten. Organspende ist real und wer in einer Zeit geboren wird, in der es solche Möglichkeiten gibt, der MUSS sich entscheiden, wie er dazu steht, wenn er nicht will, dass andere für ihn entscheiden (z.B. Verwandte nach seinem Tod über die Verwendung seiner Organe).
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Re: Pro und Contra Organspende

Beitragvon stine » Mo 28. Nov 2011, 12:55

Du hast wie so oft, ganz recht, @Nanna.
Mit dieser Diskussion soll auch nur die Tatsache festgestellt werden, dass es so geworden ist, wie es ist und dass dieser Weg jetzt unaufhaltsam weitergegangen werden wird, wohin auch immer er uns führt.
Nichts weiter.

Arathas hat geschrieben:Du kannst dich doch jederzeit verweigern und im stillen Kämmerlein an einer Lungenentzündung krepieren, statt Antibiotika zu nehmen, wenn du Lust darauf hast. Wo ist das Problem?
Früher oder später wird es Antibiotika gegen Lungenentzündung gar nicht mehr geben, weil die Kassen sich mit solchen Kleinigkeiten gar nicht mehr abgeben werden.

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Re: Pro und Contra Organspende

Beitragvon Arathas » Mo 28. Nov 2011, 13:07

stine hat geschrieben:Früher oder später wird es Antibiotika gegen Lungenentzündung gar nicht mehr geben, weil die Kassen sich mit solchen Kleinigkeiten gar nicht mehr abgeben werden.


Kapier ich nicht. Erläuter das mal. Was macht man dann deiner Meinung nach wenn man ne Lungenentzündung kriegt?

Ich denke eher, dass Antibiotika generell ihre Wirkung verlieren (weil das Zeug ja überall mit reingemischt wird, in jedes Tierfutter usw.) und dann deshalb ein Problem entstehen wird ...
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Re: Pro und Contra Organspende

Beitragvon stine » Mo 28. Nov 2011, 13:44

Arathas hat geschrieben:Kapier ich nicht. Erläuter das mal.
Wer soll das bezahlen?
Die Kassen tragen doch heute schon nicht mehr die "kleinen" Untersuchungen. Da musst du schon nachweisen, dass du eine Kernspintomographie benötigst. Visionär gesagt: Wer sich notwendige Medikamente künftig nicht selber leisten kann, der hat einfach Pech! Die kleinen Krankheiten müssen erst reifen, damit man sie dann großartig verarzten kann.

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