(Geld-)Systemkrise

Re: (Geld-)Systemkrise

Beitragvon Gandalf » Di 23. Aug 2011, 22:30

xander1 hat geschrieben:@Gandalf und CO:

Mich würde mal interessieren, was der Währungskritiker hier im Forum zum Konzept der Bitcoins meint, mal abgesehen von der aktuellen Umsetzung, die wohl noch nicht 100% fertig ist.


Wenn es sich am Markt durchsetzt - warum nicht? (was ich allerdings aus verschiedenen Gründen bezweifle)
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Re: (Geld-)Systemkrise

Beitragvon Nanna » Mi 24. Aug 2011, 10:45

Gandalf hat geschrieben:Libertäre sind nicht gegen Regeln (im Gegenteil!), sie sind nur dagegen, das derjenige der die Regeln bestimmt, 'selbst Partei' ist!

Ja, deshalb gibt es ein Prinzip namens "Gewaltenteilung".

Ansonsten ist der Libertarismus durchaus von vielen Anarchisten geprägt, die gerne keine oder fast keine Regeln wollen. Überhaupt gibt es verdammt viele Unterströmungen des Libertarismus und keine ist besonders regelfreundlich.

Gandalf hat geschrieben:So hat z.B. der Staat (im Prinzip) nichts in der Wirtschaft verloren, sondern bestimmt die 'Regeln des freien Wirtschaftens'! (Ordoliberalismus im Sinne von Ludwig Ehrhard)

Der Staat muss aber zum Nachteilsausgleich in die Wirtschaft eingreifen können oder dann, wenn bestimmte Kulturgüter bedroht sind oder um Umbrüche abzufedern, selbst wenn das hier und da zu Leistungseinbußen der Wirtschaft führt. Man kann darüber diskutieren, zu welchem Maß das sein sollte, aber über die prinzipielle Frage bin ich nicht bereit zu verhandeln, wenn mir kein stimmiges Konzept vorgelegt wird, das gewährleistet, dass dies in einem libertären System der Fall ist. Sprüche wie "Die Reichen sollen spenden" oder "Der Markt richtet das schon" sind nicht genug, das sind Hoffnungen, die sich allen Erfahrungen mit liberaleren Systemen (z.B. USA) bislang nicht erfüllt haben.

Gandalf hat geschrieben:So wie uns die Trennung von Kirche und Staat als selbstverständlich erscheint (und manchmal doch nicht ist), sollte es eine Trennung von Demokratie und Wirtschaft geben (und niemals eine 'Wirtschaftsregierung', wie jetzt von unseren "E(U)liten" angedacht)

Die Bürger haben das Recht, über alle Belange ihres Daseins zu entscheiden, auch über die Wirtschaftsform, in der sie leben wollen. Du versuchst eine zentrale politische Frage ("Wie wollen wir (als Gemeinschaft wie als Einzelne) leben") zu entpolitisieren, indem du a priori behauptest, Wirtschaft sei kein Bestandteil der Politik. Da sie das menschliche Zusammenleben beeinflusst, und zwar das jeden Menschens (im Gegensatz zur Kirche, weshalb dein Vergleich auch unstimmig ist), ist sie es aber und daher hat das Volk als Souverän ein Recht auf seine Gestaltung, daher gehört Wirtschaft unter das Primat der Politik.

"Trennung von Demokratie und Wirtschaft", "überzeugter freiheitlicher Demokrat", meine Güte. Wer hat hier eigentlich totalitäre Fantasien und will, dass alle nach seiner wirtschaftspolitischen Pfeife tanzen?
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Re: (Geld-)Systemkrise

Beitragvon Gandalf » Sa 27. Aug 2011, 17:13

Nanna hat geschrieben:Ja, deshalb gibt es ein Prinzip namens "Gewaltenteilung".

Demokratische Prinzipien die zusehends außer Kraft gesetzt werden: Die Wirklichkeit holt nun hoffentlich auch die letzten Romantiker aus dem Schlaf der Gerechten: Schäubles Putschversuch gegen das "Königsrecht" des Parlamentes: http://www.handelsblatt.com/politik/int ... 33824.html
Der Vertrag zum nachlesen: http://www.abgeordneten-check.de/artike ... -nachlesen
Interessanter Vortrag von C.A. Gebauer hierzu: ESM als Bankrotterklärung des Rechtsstaates: http://www.parteidervernunft.de/eurokrise/esm

Ohne eigene Kasse geht nicht mal (bzw. gerade deswegen) im Dorfverein was zusammen!

Nanna hat geschrieben:Ansonsten ist der Libertarismus durchaus von vielen Anarchisten geprägt, die gerne keine oder fast keine Regeln wollen. Überhaupt gibt es verdammt viele Unterströmungen des Libertarismus und keine ist besonders regelfreundlich.

Mag sein. Auch hier werden evoutionäre Prinzipien für eine Trennung des Spreus vom Weizen sorgen. (Vlt. müsen wir - wieder mal - auf die USA warten, um Lösungen der dortigen Bewegung übernehmen zu können, die natürlich in unseren Medien nur wenig, bzw. wenn dann, - negative Beachtung - findet)

Nanna hat geschrieben:Der Staat muss aber zum Nachteilsausgleich in die Wirtschaft eingreifen können oder dann, wenn bestimmte Kulturgüter bedroht sind oder um Umbrüche abzufedern, selbst wenn das hier und da zu Leistungseinbußen der Wirtschaft führt. Man kann darüber diskutieren, zu welchem Maß das sein sollte, aber über die prinzipielle Frage bin ich nicht bereit zu verhandeln, wenn mir kein stimmiges Konzept vorgelegt wird, das gewährleistet, dass dies in einem libertären System der Fall ist. Sprüche wie "Die Reichen sollen spenden" oder "Der Markt richtet das schon" sind nicht genug, das sind Hoffnungen, die sich allen Erfahrungen mit liberaleren Systemen (z.B. USA) bislang nicht erfüllt haben.


Auch das mag ja sein. Die Frage darf man jedoch nicht nur auf : "Lag es am 'zu wenig' oder 'zu viel' Staat?" begrenzen - sondern inwieweit lässt sich das Geldsystem (an dem vieles, wenn nicht alles in der Wirtschaft hängt) 'vom Staat unabhängig' machen
...und hier gibt es konkrete Ansätze in der libertären Bewegung, die von einem US-Präsidentschaftskandidaten vertreten wird (Ron Paul).
Für Interessierte, wie man sich ein solches System vorstellt: Das Buch 'Geldreform' von Throsten Polleit http://thorstenpolleit.com/TPMvPNov10-II.pdf

Nanna hat geschrieben:Die Bürger haben das Recht, über alle Belange ihres Daseins zu entscheiden, auch über die Wirtschaftsform, in der sie leben wollen. Du versuchst eine zentrale politische Frage ("Wie wollen wir (als Gemeinschaft wie als Einzelne) leben") zu entpolitisieren, indem du a priori behauptest, Wirtschaft sei kein Bestandteil der Politik. Da sie das menschliche Zusammenleben beeinflusst, und zwar das jeden Menschens (im Gegensatz zur Kirche, weshalb dein Vergleich auch unstimmig ist), ist sie es aber und daher hat das Volk als Souverän ein Recht auf seine Gestaltung, daher gehört Wirtschaft unter das Primat der Politik.


Das ist doch genau das was ich sage!? 'Unter' das Primat der Politik! - und keine Regierung der Wirtschaft!
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Re: (Geld-)Systemkrise

Beitragvon Gandalf » Mo 12. Sep 2011, 19:47

Nur mal noch fürs Protokoll auch wenn's hier niemanden so richtig interessiert:

Die Verfassungsmäßige Ordnung (Eigentumsrecht §14 GG) wurde vom BVGh höchst selbst gebrochen:
http://www.rp-online.de/politik/deutsch ... 21842.html
Es wird wohl langsam Zeit sich Gedanken darüber zu machen in welcher Form man GG Art. 20 anwendet:
Was der ESM wirklich bedeutet: http://www.welt.de/wirtschaft/article13 ... ttung.html
http://www.abgeordneten-check.de/kampag ... sm-vertrag

Ach ja, ich hatte ja schon beiläufig in einem anderen Thread hier darauf aufmerksam gemacht: Der letzte (deutsche) "Falke" (meint, jemand der sich dem 'Wert unseres Geldes' und individuellem Eigentum verpflichtet fühlt) ist aus dem Direktorium der EZB zurückgetreten.

Sein Nachfolger ist kein Unbekannter, ja man könnte ihn sogar als 'das' Gesicht des Geldbetruges' bezeichnen, genug Dreck am Stecken hat er ja:
Vom Bock zum Gärtner: http://www.youtube.com/watch?v=ht3ZFKvKkqI

http://de.wikipedia.org/wiki/J%C3%B6rg_Asmussen
Die Kompetenz Asmussens wurde von Flassbeck als „mittelmäßig“ eingeschätzt und Asmussen nicht für hohe Aufgaben empfohlen.

Jeder sollte sich darüber Gedanken machen: Warum ist er wohl für die neue Aufgabe 'prädestiniert'? Nein, das wird keine VT,- sondern eine ausgewachsene Katastrophe, an die uns eines Tages unsere Kinder 'fragend erinnern' werden.
(Das meine ich durchaus Ernst - ich sehe für Demokratie und Wohlstand in unserem Land 'schwarz')
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Re: (Geld-)Systemkrise

Beitragvon stine » Di 13. Sep 2011, 11:58

Gandalf hat geschrieben:...ich sehe für Demokratie und Wohlstand in unserem Land 'schwarz')
Was schlägst du vor?
Was müssen wir tun?

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Re: (Geld-)Systemkrise

Beitragvon Gandalf » Di 13. Sep 2011, 19:18

stine hat geschrieben:Was schlägst du vor?
Was müssen wir tun?


Tja, - wenn ich das wüßte. Eine zeitlang dachte ich, man kann was ändern, aber mittlerweile halte ich alles für zu spät. Die Fronten zwischen dem "alternativlosen Mainstream" und diejenigen, die individuelle Freiheiten (und Alternativen) hochzuhalten versuchen, verhärten sich zusehends. Alle haben zwar das Gefühl irgendwie "belogen und betrogen" zu werden, dennoch macht jeder mit, so lange es Vorteile hat. Auch hier wieder die Parallele zu einem betrügerischen Ponzi-Schema: Wer möchte denn gern zugeben, das er nicht nur auf Betrug hereingefallen ist, sondern selbst mitgemacht hat? Der Ausgang für dieses Dilemma ist (un)gewiss, - wenn die allgemeine Ent_täuschung breiter Bevölkerungskreise einsetzt (und das wird sie). Vorsicht ist geboten: Es werden dann Sündenböcke gebraucht - und gefunden. Regelmäßig nicht aus dem Kreis, der selbst in den (Selbst-)Betrug verstrickt war.

Ich halte zwar losen Kontakt zu Gruppen, die sich engagieren (wie z.B. http://eurodemostuttgart.wordpress.com/about/; http://www.omnibus.org/home.html), aber das ist für meinen unmittelbaren Bekanntenkreis (edbenfalls) schon 'zu exotisch', als das man sich motivieren lassen könnte. Obwohl jeder über die wirtschaftlichen und politischen Zustände klagt, - Es ist halt kein 'unmittelbarer Nutzen' ersichtlich. (Ganz im Gegenteil, eine Menge Ärger, wenn man sich mit den "guten Menschen des mainstream" anlegt) Jeder hat offen_sichtlich mehr zu verlieren, als er meint, langfristig gewinnen zu können.

Ergo:
Man kann wohl nur noch abwarten (und hoffen das es schnell geht) und- für alle Fälle - sich (und Familie) physisch und mental auf das Schlimmste vorbereiten (um so besser, wenn es dann nicht so schlimm kommt) Ein Fixpunkt: Es wird wohl (leider wieder) so ablaufen, wie es in der Vergangenheit (immer) ablief. Man braucht nur etwas in der Geschichte rumzukramen.

Kartoffel anbauen, Hasen züchten, Kontakte knüpfen, Grundfähigkeiten erwerben/pflegen, Reserven anlegen, Papier in Edelmetall oder andere Sachwerte tauschen, etc. (zum Auswandern bin ich nicht der Typ, auch wenn wir schon jahrelang 'Auswanderungsland' sind, was auch niemand so richtig bemerken will. Hierfür dürften auch die genannten Gründe eine Rolle spielen)...

... und dann "relaxt zuschauen" was passiert (wenn das möglich ist). Vlt. ergeben sich dann Chancen.

Sorry, wenn das zu fatalistisch und zynisch ist, aber ich sehe (derzeit) einfach keine andere Lösung.
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Re: (Geld-)Systemkrise

Beitragvon stine » Di 13. Sep 2011, 19:36

Gandalf hat geschrieben:Kartoffel anbauen, Hasen züchten, Kontakte knüpfen, Grundfähigkeiten erwerben/pflegen, Reserven anlegen, Papier in Edelmetall oder andere Sachwerte tauschen, etc.
Ich hab 's geahnt, die Bauern sind mal wieder die Gewinner. Essen und trinken haben sie genügend und den Traktor kann man auch mit Salatöl fahren.

Gandalf hat geschrieben:(zum Auswandern bin ich nicht der Typ, auch wenn wir schon jahrelang 'Auswanderungsland' sind, was auch niemand so richtig bemerken will. Hierfür dürften auch die genannten Gründe eine Rolle spielen)...
Das ist wohl richtig! Hier studieren und dann im Ausland Geld verdienen, das ist der Renner. Vorher aber noch auf die Straße gehen und gegen die Studiengebühren klagen.

Gandalf hat geschrieben:Sorry, wenn das zu fatalistisch und zynisch ist, aber ich sehe (derzeit) einfach keine andere Lösung.
Vielleicht hast du ja recht! So ansatzweise habe ich auch schon daran gedacht aufs Land zu ziehen und wieder von der eigenen Gemüseernte zu leben. Vorsichtshalber hat man allerdings den Tomaten und Gurken schon mal die Samen weggezüchtet, damit auch ja niemand selber weiter anbauen kann. Ich erinnere mich, dass früher auf dem Kompost immer Tomatenkraut gewachsen ist, ich habe das lange nicht mehr gesehen...

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Re: (Geld-)Systemkrise

Beitragvon Gandalf » Mi 5. Okt 2011, 22:05

Hochinteressantes Inverview mit Prof Margrit Kennedy und Prof Hörmann über unser Schuldgedsystem, den Zins, alternative Währungen, den Artikel 14 in der US-Verfassung, und und und
Absolut empfehlenswert: "Die Zukunft des Geldes"

http://www.rottmeyer.de/die-zukunft-des ... z-hormann/

Zitat Prof Hörmann: "Wir haben keine Staaten und Politiker mehr - nur Angestellte der Banken"
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Re: (Geld-)Systemkrise

Beitragvon Zappa » So 9. Okt 2011, 10:39

Und hier ein Artikel der diskutiert, warum (Finanz)Märkte eben nicht funktionieren, deshalb einer Reglementierung bedürfen und vor allem warum sich die Mär vom selbstregulierenden Markt so lange gehalten hat: http://www.ftd.de/finanzen/maerkte/:marktversagen-thomas-straubhaar-der-grosse-irrtum/60111819.html
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Re: (Geld-)Systemkrise

Beitragvon Mark » So 9. Okt 2011, 23:57

investiert in Eure Bildung. Was man auf dem Konto hat oder die Rente ist unter Garantie nicht sicher, aber was man auf dem Kasten hat, kann einem keiner nehmen.
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Re: (Geld-)Systemkrise

Beitragvon Gandalf » Mo 10. Okt 2011, 21:35

Zappa hat geschrieben:Und hier ein Artikel der diskutiert, warum (Finanz)Märkte eben nicht funktionieren, deshalb einer Reglementierung bedürfen und vor allem warum sich die Mär vom selbstregulierenden Markt so lange gehalten hat: http://www.ftd.de/finanzen/maerkte/:marktversagen-thomas-straubhaar-der-grosse-irrtum/60111819.html



Zitat Straubhaar: "So werden sie im Krisenfall mit staatlicher Hilfe gerettet, während kleine Banken sich selbst überlassen bleiben. Dass Informationen gerade auf Finanzmärkten in der Regel asymmetrisch auftreten und eben nicht allen gleichermaßen zur Verfügung stehen"
UND?

Abgesehen davon, dass Straubhaar auch nicht der Richtige ist, um das (ursächliche) 'Geldsystemproblem' erkennen zu können: Wolltest Du etwa sagen, das wir in in der BRD oder gar Euroland jemals einen "selbstregulierenden Markt" hatten? Das ging dann wohl gründlich in die Hose.
Die Selbstregulationskräfte des Marktes hatten schon immer unter (Sozial-)Politikern zu leiden, die mit Subventionen Stimmen gekauft haben.

Wiesind denn diese "Blasen" entstanden? Wer hat denn versucht in der Wirtschaft auf Druck der Politik ein 'Dauerwachstum' zu intitieren und hat diese dazu mit billigem Geld geflutet? Wo kam denn das Geld her? Wird es etwa von einem "selbstegulierenden Markt" hergestellt? (Nur dann könnte man wohl auch von einem selbstregulierdenden Markt sprechen - oder?)

- Wer hat denn die Banken 2008 "gerettet" (und Fusionen zwischen ihnen subventioniert)?
- Wer hat denn den Griechen 100te von Milliarden hinterhergetragen, obwohl ein Bankrott vor 2 Jahren wesentlich billiger (ohne Zins und Zinseszins) zu haben gewesen wäre?
- Wer sitzt denn immer (asymmetrisch) mit am Tisch, wenn Gesetze gemacht werden, die die Banken retten sollen?
- Wer hat der EZB neulich erlaubt Italienische Staatsanleihen mit Steuergeldern zu kaufen? - Wieso muss Italien nicht erst mal die eigenen Goldreserven (oder andere Werte) flüssig machen (die die 3-höchsten der Welt sind) - so wie es in einem selbstregulierenden Markt üblich wäre (und nach wie vor für Private und andere kleine Unternehmen gilt)?
- wer bestimmt, dass sich plötzlich französische Banken am ESFS bedienen dürfen (von denen Bundestagsabgeordnete nicht mal nicht wussten um was es überhaupt geht: http://daserste.ndr.de/panorama/archiv/ ... rm111.html)

Der "selbstregulierende Markt" gilt nur für diejenigen, die keine Lobby haben - und das werden immer weniger. Er dient ledglich den 'Herrschenden im System' und ihrer profitierenden Entourage, als Popanz um im Sinne eines 'orwellschen Neusprech' von sich und den eigentlichen Problemen abzulenken. Zu den Systemprofiteuren gehören daher auch die Käufer von Staatsanleihen, denn sie profitieren von diesen Verträgen zu Lasten Dritter abgeschlossen werden um angeblich andere Staaten zu retten. Tatsächlich kassieren sie nur leitungslos Zinsen auf Risiko des Steurzahlers. Von Milliarden profitieren sie mehr als von Millionen. - Und von Billionen mehr als von Milliarden. - zunächst - Bis zu dem Punkt, an dem der Staat sich entschulden wird. (Und das hat sich das Deutsche Kaiserreich z.B. mit 16,4 Pfennigen bei seiner Bevölkerung) - Aber keine Sorge: Staatsbankrotte sind ja mittlerweile bekanntlich verboten, - bzw. sollen ja (und das ist ja der Plan) "reguliert" werden, damit ein freier Markt hier nicht doch noch einen Strich durch die Rechnung macht ;-)

Deshalb bleibt nur noch der blanke Zynismus:

Realsatire 1: (aus der jüngsten Börsenzeitung)
Börsen-Zeitung: Realsatire, Kommentar zu Bankenhilfen von Bernd Wittkowski

Frankfurt (ots) - Mehr Realsatire geht kaum. An der Börse wird die bevorstehende (Teil-)Verstaatlichung von Banken mit einem Kursfeuerwerk begrüßt. Nichts anderes als die - sicher gut gemeinte - Absicht, neue Bankenkombinate zu schaffen, verbirgt sich hinter der von Berlin bis Brüssel hinausposaunten Bereitschaft, bei allfälligen Rekapitalisierungen behilflich zu sein. Das wird so laufen wie in den USA, wo die Regierung vor drei Jahren 250 Mrd. Dollar unters Bankenvolk brachte: "Ihr nehmt 20 Mrd. Dollar, Ihr kriegt 10 und Ihr 5, keine Widerrede, hier unterschreiben!" Wetten, dass am Ende noch diejenigen Geld vom Steuerzahler werden nehmen dürfen, die das erklärtermaßen als Schande empfinden? Volkseigener Betrieb Deutsche Bank, das hat was! Dass Investoren am gemeinhin unter Kapitalismus zu subsumierenden Aktienmarkt auf solchen Staatsinterventionismus, zu dem im weiteren Sinne ja auch die neuerlichen Hilfen der EZB gehören, euphorisch reagieren, zeigt einmal mehr beispielhaft, in welcher verrückten Welt wir leben.

Bei den demnächst rekapitalisierten Banken selbst wird sich die Begeisterung vergleichsweise in Grenzen halten. Staatsknete, selbst beantragt oder von der nationalen Regierung oktroyiert, heißt nämlich EU-Beihilfeverfahren, Auflagen, Restrukturierung et cetera.

Die Realsatire wäre nicht vollkommen, gäbe es bei der neuen Rettungsaktion nicht eine weitere Absurdität: Während den Banken das Kapital in die eine Tasche reingesteckt wird, will man ihnen das Geld aus der anderen in Form einer höheren Beteiligung an der Griechenland-Umschuldung herausziehen - zulasten des Eigenkapitals. Hier soll mitnichten behauptet werden, dass die Banken keinen Kapitalbedarf hätten. Den hatten sie bisher nur deshalb nicht, weil sie es sich gemeinsam mit Regierungen und Aufsehern in einer Scheinwelt gemütlich gemacht haben. In einer Scheinwelt, in der Staaten nicht pleitegehen können, deren Anleihen daher nicht mit Kapital zu unterlegen und unter gewissen Bedingungen nicht auf den Marktwert abzuschreiben sind.

Die Zeche zahlt nun wieder die Allgemeinheit. Seit drei Jahren haben Politik und Regulatoren an Konzepten getüftelt, mit denen genau das verhindert werden sollte. Folgerichtig hat man hierzulande denn auch den Bankenrettungsfonds Soffin tatsächlich Ende 2010 geschlossen und durch ein Restrukturierungsvehikel ersetzt, mit dessen Hilfe systemrelevante Banken in Not auch unter Zwang saniert und umgekrempelt werden können. Neun Monate später betreibt Berlin die Reaktivierung des Soffin. Auch das: Realsatire.


Schlimmer noch ist jedoch Realsatire 2 - aus einem Vortrag von Ludwig Mises http://docs.mises.de/Mises/Mises_Ursach ... skrise.pdf:

8. Gibt es einen Ausweg?
Die schweren Erschütterungen der Wirtschaft sind das notwendige Ergebnis einer Politik, die das Wirken des Markt-es, des Regulators der kapitalistischen Produktion, unterbind-et. Wenn man alles daransetzt, uni zu verhindern, daß der Markt seine Funktion, Angebot und Nachfrage zur Deckung zu bringen, erfüllt, darf man sich nicht wundern, daß dauernd ein krasses Mißverhältnis zwischen beiden bestehen bleibt, daß es viele Millionen Arbeitslose gibt, daß Waren unverkäuf-lich sind, daß Fabriken stillstehen, daß Not und Elend wachs-en und daß schließlich als Folge davon in der Politik destruk-tionistischer Radikalismus um sich greift.
Die periodisch wiederkehrenden Krisen des zyklischen Konjunkturwechsels sind die Auswirkung der immer wieder von neuem aufgenommenen Versuche, den Zinsfuß, der sich auf dem unbehinderten Markte bildet, durch das Eingreifen der Bankpolitik - Erweiterung des Kredits durch zusätzliche Schaffung von ungedeckten Noten und Kassenführungsgut-haben - zu unterbieten, um so einen Aufschwung herbeizu-führen. Die Krise, unter der wir heute leiden, ist auch von dieser Art. Sie geht aber nicht nur in ihren Ausmaßen, sondern auch in ihrem Wesen über den Typus der Depression eines Konjunkturzyklus hinaus, weil die Eingriffe in den Markt-mechanismus, die sie ausgelöst haben, sich nicht auf die Ge-staltung des Zinsfußes beschränkt, sondern auch Warenpreise und Löhne unmittelbar betroffen haben.
In der Wirtschaftskrise wird der Zusammenbruch der inter-ventionistischen Wirtschaftspolitik offenbar, die heute von allen Regierungen, gleichwohl ob sie Parlamenten verantwort-lich sind oder als Diktatoren frei walten, betrieben wird. Die Katastrophe kam freilich nicht unerwartet. Die nationalöko-nomische Theorie hat dieses Ergebnis des Interventionismus schon längst vorausgesagt.
Die kapitalistische Wirtschaftsordnung, d. h. die auf dem Sondereigentum an den Produktionsmitteln beruhende Ge-sellschaftsverfassung, wird heute von allen politischen Par-teien und von allen Regierungen einmütig abgelehnt. In der Frage, was dann in fernerer Zukunft einmal an die Stelle dieser Wirtschaftsordnung zu setzen wäre, ist keine ähnliche Übereinstimmung der Anschauungen zu finden; viele, aber doch nicht alle, erblicken im Sozialismus das Ziel und wie-gern sich hartnäckig, das Ergebnis der wissenschaftlichen Überprüfung der sozialistischen Ideologie, die die Undurch-führbarkeit des Sozialismus erwiesen hat, anzunehmen und aus den Erfahrungen der europäischen und der russischen So-zialisierungsversuche etwas zu lernen. In bezug auf die Auf-gaben der gegenwärtigen Wirtschaftspolitik herrscht aber wieder volle Übereinstimmung: man strebt einen Gesell-schaftszustand an, von dem man annimmt, daß er, von Sozialismus und Kapitalismus »gleichweit« entfernt, eine Kompromißlösung darstellt; man will das Sondereigentum an den Produktionsmitteln zwar nicht aufheben, man will es fortbestehen lassen, jedoch geleitet, reguliert und kontrolliert durch den Staat und andere Faktoren der gesellschaftlichen Zwangsorganisation. Von diesem System des Interventionis-mus weist jedoch die Wissenschaft der Nationalökonomie in unwiderlegbarer Beweisführung nach, daß es sinnwidrig ist, d. h. daß alle die Eingriffe, aus denen es besteht, niemals zu den Zielen führen können, die ihre Urheber damit zu erreichen hoffen, und daß jeder Eingriff von niemand gewünschte Wirk-ungen auslöst. Sinn und Zweckmäßigkeit empfängt die kapita-listische Gesellschaftsordnung vom Markte her. Unterbindet man die Funktion des Marktes und der Preisbildung, dann schafft man nicht Ordnung, sondern das Chaos, die Wirtschaftskrise.
Alle Versuche, aus der Krise durch neue interventionist-ische Maßnahmen herauszukommen, sind ganz und gar verfehlt. Es gibt nur einen Ausweg aus der Krise: man muß alle Versuche, die Auswirkung der Marktpreise auf die Pro-duktion zu unterbinden, unterlassen. Man muß es aufgeben, eine Politik fortzusetzen, die Zinssätze, Löhne und Waren-preise anders gestalten will als der Markt sie gestaltet. Das mag den herrschenden Anschauungen widersprechen und ist gewiß nicht volkstümlich. Alle Regierungen und politischen Parteien sind heute auf den Interventionismus eingeschworen, und man kann nicht erwarten, daß sie ihr Programm preis-geben. Aber vielleicht ist es nicht allzu optimistisch, anzu-nehmen, daß die Regierungen und Parteien, deren Politik zu dieser Krise geführt hat, einmal vom Schauplatz verschwinden und Männern weichen werden, deren wirtschaftspolitisches Programm nicht zur Zerstörung und zum Chaos, sondern zum Aufbau führt.


Die Satire an dieser "Realsatire" ist übrigens nicht der Vortrag selbst, sondern der Zeitpunkt: 1931(!)
Der leichte Optimismus von Mises ist ja nun leider enttäsucht worden. - Was mich noch mehr darin bestärkt: Geschichte wiederholt sich, - wir werden auch diesmal nicht die Kurve kriegen. Selbst die Sprüche und die bemühten Euphemismen der Akteuere sind die gleichen

Die 'österreichische Nationalökonomie' - deren Vertreter Mises war - ist wohl eine der wenigen wissenschaftlichen Ansätze, die man in der Volkswirtschaftslehre auch als wissenschaftlich bezeichnen kann, da sie von der 'prinzipiellen Unvollständigkeit des Wissens' ausgeht und das Geldystem selbst als eine wesentliche Ursache von 'Systemkrisen' ausgemacht hat. (ganz im Gegensatz zu allgegenwärtigen derzeitigen Voodoo-Ökonomie ala Keynes, bei der das Schuldenproblem stets durch noch mehr Schulden gelöst wird)

Hayek: Die Entnationalisierung des Geldes
Die Gegneer eines entnationsliserten (freien) Geldes:
Hayek identifiziert die Banken selbst als Gegner eines solchen Vorhabens, da sie völlig neue Praktiken entwickeln müssten. Das gelte insbesondere in den Ländern, wo der Wettbewerb zwischen Banken seit Generationen durch Kartellvereinbarungen und mit Billigung der jeweiligen Regierungen unterbunden worden sei. Andererseits seien die Gegner eines solchen Plans unter den Inflationisten zu suchen. Denn die Folge konkurrierender Umlaufsmittel sei sehr hartes Geld. „Geld ist die einzige Sache, die durch Wettbewerb nicht billig würde, weil seine Attraktivität gerade darauf beruht, dass es ‚teuer’ bleibt“, schreibt Hayek (S. 84 f.). Zusätzlich sei Widerstand von der anti-kapitalistischen Szene zu erwarten. Diese nähmen den Missbrauch der Geldproduktion in der Hand des Staates unkritisch hin, würden aber erbittert aufschreien, sobald die „reichen Finanzinstitute“ damit betraut seien.
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Re: (Geld-)Systemkrise

Beitragvon Zappa » Mi 12. Okt 2011, 18:27

Gandalf hat geschrieben:Wolltest Du etwa sagen, das wir in in der BRD oder gar Euroland jemals einen "selbstregulierenden Markt" hatten?


Das wollte ich natürlich nicht sagen, der Mär, das ein solcher überhaupt existieren könne, hängst ja lediglich Du an. Wir hatten aber in der Tat einen weitgehend deregulierten Finanzmarkt, der uns nun leider, leider um die Ohren fliegt.

Gandalf hat geschrieben:Die Selbstregulationskräfte des Marktes hatten schon immer unter (Sozial-)Politikern zu leiden, die mit Subventionen Stimmen gekauft haben.


Und nachdem sich nun die Banker erfolgreich die Politiker gekauft haben, haben deine tollen Selbstregulationskräfte ja gezeigt, was sie so zu leisten im Stande sind.

Gandalf hat geschrieben: Wer hat denn versucht in der Wirtschaft auf Druck der Politik ein 'Dauerwachstum' zu intitieren und hat diese dazu mit billigem Geld geflutet?


Du willst jetzt nicht die Herstellung der Droge "ständiges Wirtschaftswachstum" und deren Unvereinbarkeit mit der Kenntnis von Exponentialfunktionen und dem gesunden Menschenverstand ernsthaft den (Sozial)Politikern unterstellen, oder? Da guck mal lieber bei den Wirtschaftswissenschaftlern nach!

Gandalf hat geschrieben:
- Wer ...
- Wer ...
- Wer ...
- Wer ...
- Wer ...


Beim "Wer" werden wir uns sicher schnell einig, beim "Warum" aber nicht. Du behauptest, dass die Politiker Schuld an all dem hätten, weil ein unregulierter Markt - deiner Weltanschauung gemäß - ja gefälligst perfekt zu funktionieren habe und deshalb jede Inperfektion qua Definitionen nicht dem Markt zugerechnet werden darf. Ich behaupte, diese Sicht auf die Dinge ist naiv und ideologisch verblendet.

Blasen entstehen in deregulierten, d.i. freien Märkten von ganz alleine. Nur eine Regulierung kann eine Überhitzung und Blasenbildung auf Dauer verhindern, das lernen wir grade. Das aktuelle Problem ist: Wie lassen wir aus der riesigen Schulden-Vermögen-Blase so elegant die Luft raus, dass die Kollateralschäden für Oma-ihr-klein-Häuschen möglich gering sind. Man kann alternativ natürlich auch marktradikalen Ideen anhängen und sich über einen hübschen Crash mit den entsprechenden menschlichen Kollateralschäden intensiv freuen ("wenigstens hab ich Recht gehabt").

Noch einmal: Es gibt keinen selbstregulierenden Markt, vor allem keinen Finanzmarkt. Oligopol- und Monopolbildung, Intransparenz, die Asymmetrie von Informationen (Insidergeschäfte) und die erdrückende Einflussnahme der Finanzoligarchie (Schulden - Produktivitätszuwachs = Vermögen!!!!) auf die Politiker (Bestechung, Beratung, Einkaufen, Finanzierung des amerikanischen Wahlkampfes und damit des Präsidentenamtes, etc. ... ), führt zwangsläufig zu wiederkehrenden Krisen im System. Wenn man das Ganze noch hübsch hebelt, werden die Krisen häufiger und dramatischer.

Da können die Politiker wenig dafür, sehr viel aber die Prediger des Marktradikalismus und die Anhänger des Theorems der selbstregulierenden, freien Marktes.

Ich wollte noch mehr schreiben, habe mich aber schlimm verzitiert, irgendwie kam das mit den Zitaten in deinem Post nicht mehr hin :ka:
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Re: (Geld-)Systemkrise

Beitragvon Gandalf » So 16. Okt 2011, 09:32

Zappa hat geschrieben:
Gandalf hat geschrieben:Wolltest Du etwa sagen, das wir in in der BRD oder gar Euroland jemals einen "selbstregulierenden Markt" hatten?


Das wollte ich natürlich nicht sagen, der Mär, das ein solcher überhaupt existieren könne, hängst ja lediglich Du an. Wir hatten aber in der Tat einen weitgehend deregulierten Finanzmarkt, der uns nun leider, leider um die Ohren fliegt.


Fängt das schon wieder an!
Ein für alle mal:
Ich hänge der "Ideologie eines selbstregulierdenden Marktes" genauso wenig an, wie ich der Ideologie einer "selbstregulierenden Evolution" anhänge. Beides sind nur eine Art "Findungssysteme", die auf Herausforderungen der Wirklichkeit selbstreflexiv und höchst effektiv reagieren! Sie wurden nicht von Menschen "erdacht" (wie z.B. eine Ideologie), sondern "gefunden". Das manche Menschen in die Evolution oder in das Marktgeschehen ein Ziel, eine Richtung oder eine Ideologie 'hineininterpretieren', - hat nichts mit der Tatsache zu tun, das es Evolution (=Diversifikation und Selektion) und '(Aus-)TAUSCH' (= Marktgeschehen = Diversifikation und Selektion (also "Findung") von verwertbarer Information) - in der Natur gibt!? Diese "Findung" kann man schon im Tierverhalten beobachten: Tauschende Raben. http://www.wissenschaft.de/wissenschaft ... 14180.html - Und ist letzlich das, das die Evolution antreibt.

Das ist doch "Wahnsinn": Du behauptest letztlich nichts anderes, als das ein selbstregulierendes natürliches Ökosystem nur auf Grund einer Ideologie besteht, - und diese Ideologie, da es nunmal nach Deiner Meinung eine (schädliche) Ideologie ist, - 'reguliert werden muß'! (genau diesem 'konstruktivistischen Rationalismus' gründen doch jedwede fehlgeleiteten sozialistische Ideologien!)

Die Evolution und der "freie Markt" (Das Treffen von Angebot und Nachfrage) sind Begriffe für emergente Vorgänge in der Natur, die von Menschen (vor)gefunden wurden. Was Menschen für einen "Sinn" hineininterpretiert sehen wollen, - ist was anderes. Unbestritten machen jedoch mehr oder weniger bewusst 'gelenkte ("sinnvolle") Eingriffe' in unserer Gesellschaft letztlich das aus, was wir "Kultur" nennen. (Ohne auch hier eine Wertung abgeben zu wollen!). Außer Frage dürfte jedoch stehen, dass wir uns niemals 'zu weit' aus der Natur hinausregulierfen können, ohne uns selber und unsere Kultur in Frage zu stellen!? - Es sei denn wir beabsichtigen in voller Konsequenz 'Gott zu spielen'. Aber acuh hier wieder: Können wir die dazu nötigen vollständigen Informationen erlangen?)

Demgegenüber:
Gesteuerte Evolution = Züchtung, gezielter Eingriff in das Verhältnis zwischen natürlichen Geschlechtspartner (mit Vor - und Nachteilen für Mensch, Natur und Gesellschaft)
Regulierter Markt = gezielter Eingriff in das Verhältnis von natürlichen Vertragspartnern (mit Vor- und Nachteilen für Mensch, Gesellschaft und Natur)

NATÜRLICH hat auch eine "nicht gesteuerte Evolution" / ein "nicht regulierter Markt" genauso '(subjektive!) Vor- und Nachteile für Mensch, Natur und Gesellschaft'. Nur ein Narr würde was anderes behaupten. die Frage ist nur: Wie kann ich das wie erkennen, was (immer subjektiv!) schlimmer/besser ist: Eine Steuerung oder eine Aufhebung dieser?

Lösung: Ich kann das NICHT! - Da ich niemals - schon gar nicht theoretisch - vollständige Information über das Universum erlangen kann, muss sich das "Produkt" immer wieder der Wirklichkeit aussetzen. (= der universelle Quantencomputer). Dabei ist es durchaus möglich, das es über lange Zeiträume Entwicklungen gibt, die sich im 'Nachhinein' als evolutionäre Sackgassen herausstellen.

ABER: Es gibt Ausnahmen. Ich kann z.B. Wissen, dass das Universum, die Zeit und die Lichtgeschwindigkeit (Übertragungsgeschwindigkeit der Informationssignale) endlich sind. (was die Möglichkeit einer digitalen Berechnung der Wirklichkeit einschränkt, bzw. verunmöglicht) Demgegenüber stehen mathematische Funktionen die ohne weiteres "unendliches" implizieren. - Diese kommen in Wirklichkeit aber nicht vor , da sie stets in die Katastrophe führen würden. Da das Universum jedoch stabil ist, ist davon auszugehen, das diese "Unendlichkeiten" durch Selbstregulation "normiert" werden (wie z.B. die Kernexplosion in der Sonne) Die Natur hatte also in den vergangen Äonen stets die richtige Antwort darauf: Da Blasen immer platzen und dies durch nichts zu verhindern ist, kann sich die Natur / das Individuum nur 'möglichst optimal' darauf einzustellen versuchen. Diversifikation eben. Und die ist nur möglich, wenn man sie lässt.

Zappa hat geschrieben:
Gandalf hat geschrieben:Die Selbstregulationskräfte des Marktes hatten schon immer unter (Sozial-)Politikern zu leiden, die mit Subventionen Stimmen gekauft haben.


Und nachdem sich nun die Banker erfolgreich die Politiker gekauft haben, haben deine tollen Selbstregulationskräfte ja gezeigt, was sie so zu leisten im Stande sind.

Klar - weil wir ja (lt Mises, Hayek, siehe oben) kein (selbstregulierendes, werthaltiges) "freies Marktgeld" haben, sondern 'ungedecktes staatliches Zwangs(papier-)geld', das einer künstlichen Regulierung (Aufsicht) bedarf, um zu funktionieren. Schafft man die Aufsicht ab und verbietet gleichzeitig Insolvenzen, fliegt einem die 'deregulierte Exponentialfunktion' um die Ohren.
Zappa hat geschrieben:Du willst jetzt nicht die Herstellung der Droge "ständiges Wirtschaftswachstum" und deren Unvereinbarkeit mit der Kenntnis von Exponentialfunktionen und dem gesunden Menschenverstand ernsthaft den (Sozial)Politikern unterstellen, oder? Da guck mal lieber bei den Wirtschaftswissenschaftlern nach!

... ? Wo ist da die Logik? Wo siehst Du Selbstregulierung am Werk, wenn Poliker von Bänkern anstatt von Lobbyisten des Sozialsystems gekauft oder vereinnahmt werden? Ich habe bereits an anderer Stelle darauf hingewiesen, das zwischen Bänker (des Scheingeldsystems) und Sozialpolitikern oftmals eine 'natürliche Allianz' besteht: Nur durch Vermehrung der Schulden entsteht in einem Schuldgeldsystem (noch mehr) Geld, das sich prima umverteilen und an dem sich prima verdienen lässt. (Nimmt man den Adel und seine 'connections' hinzu, dann erhält man genau die Interessengruppe, die sich regelmäßig auf den "Bilderberger-Konferenzen" trifft)

Zappa hat geschrieben:Beim "Wer" werden wir uns sicher schnell einig, beim "Warum" aber nicht. Du behauptest, dass die Politiker Schuld an all dem hätten, weil ein unregulierter Markt - deiner Weltanschauung gemäß - ja gefälligst perfekt zu funktionieren habe und deshalb jede Inperfektion qua Definitionen nicht dem Markt zugerechnet werden darf. Ich behaupte, diese Sicht auf die Dinge ist naiv und ideologisch verblendet.


Hier verwechseltst Du ganz offen wieder 'selbstreguliert' mit 'unreguliert' (und auf Deine penetranten Unterstellungen einer Ideologie gehe ich nicht mehr ein, da nun offensichtlich ist das aus Sicht 'Deiner ' Ideologie (eines philosophischen konstruktivistischen Rationalismus) im Universum 'per Ideologie' entstanden 'sein muss', da diese Ideologie nur durch sich selbst Bestand haben kann)

Ich behaupte nur, das ein 'selbstregulierender Markt' einen durch ideologisch begründete Interventionen regulierten Markt in seiner Effizienz überlegen ist. Jede weitere Intervention, die die Probleme einer anderen Intervention beheben soll, erhöht nur die Ineffizienz. Ich sage nichts anderes, als das es sinnvoller ist, die Ursache der Ineffizienz anzugehen, anstatt gegen (regelmäßig ideologisch begründete) ineffiziente Interventionen zu intervenieren (und diese Intervention gegen die Intervention als "Markthilfe" gegen einen ineffizienten zu verkaufen). "Meine Ideologie" ist es also die Ideologie (möglichst) rauszuhalten!

Zappa hat geschrieben:Blasen entstehen in deregulierten, d.i. freien Märkten von ganz alleine.

(Wieder wechselst Du begrifflich, zwischen dereguliert und selbstreguliert, - so wie es Dir gerade in den Kram zu passen scheint.)
Das streitet doch niemand ab!? Klar würde eine "Diamantenblase" enstehen, wenn es plötzlich Diamanten vom Himmel regnen würde. Entscheidend ist doch, - wie die Wirtschaftssubjekte darauf reagieren (können)! Lässt man - gemäß der natürlichen Regulation die 'Blase umgehend platzen' -werden Diamanten schlagartig billiger und Schmuckgeschäfte und - Händler können pleite gehen, - oder man man versucht interventionistisch die Diamanten vom Markt zu kaufen, um die "Arbeitsplätze und Gewinne der Diamenthändler" zu retten (Dank fleissiger Lobbyarbeit der selbigen) Die Blase würde also dann nicht mehr im Markt sein, sondern bei demjenigen der interveniert (und notwendige Anpassung der Arbeitplätze und Produktivität würden fehlgeleitet, da der Diamanthändler weiterhin Azubis ausbildet, anstatt dass z.B. Arbeitsplätze bei den Raumausstattern entstehen (die Diamanten z.B. an die Wand tapezieren)
Welche Blase wäre aber für die Volkswirtschaft insgesamt und auf Dauer das größere/kleinere Übel? Zur Erinnerung: Die Bundesrepublik hätte sich ohne weiteres ein 'Spaceshuttle-Programm' leisten können, mit dem Geld und den Ressourcen, das jahrzehntelang ind en Ruhrpott geflossen sind (und in dem u.a. auch die Ursache im Bedarf nach "türkischen Gastarbeitern" gelegen hat)

Zappa hat geschrieben:Nur eine Regulierung kann eine Überhitzung und Blasenbildung auf Dauer verhindern, das lernen wir grade.


So ein Unfug! Eine Blase lässt sich NIE verhindern. Blasenbildungen sind ein Teil der Natur, genauso wie Regen Überschwemmungen, - Leben und Tod. Blasenbildung per Intervention von vorne herein zu verhindern, entspricht dem Beschluss, per Dekret den Tod verbieten zu wollen. Das einzige was man lernen wird, das sich das nicht verbieten lässt! - Schuld daran ist dann aber nicht der Tod, sondern unfähige Experten, die den Menschen an so einen Unsinn glauben machen wollen: Die Lobby der Nichtleister, Bänker und Sozialpolitiker - Voodoo - Priester eben.

Zappa hat geschrieben:Das aktuelle Problem ist: Wie lassen wir aus der riesigen Schulden-Vermögen-Blase so elegant die Luft raus, dass die Kollateralschäden für Oma-ihr-klein-Häuschen möglich gering sind. Man kann alternativ natürlich auch marktradikalen Ideen anhängen und sich über einen hübschen Crash mit den entsprechenden menschlichen Kollateralschäden intensiv freuen ("wenigstens hab ich Recht gehabt").

Ja das ist die große Frage: Gelingt dieser Plan? Kann man einen Frosch kochen, ohne das er es merkt? Kann man den Tod überlisten? Regelmäßig endeten diese Experimente in Totalitarismus und Krieg, - denn 'keiner' dieser Experimentatoren gab je zu und wird je zugeben, dass sein Plan schlecht war, sondern immer die Schuld bei den Menschen finden, die seinen "perfekten Plan" schlecht umgesetzt haben. Sozialismus eben: Wenn der Patient stirbt, liegt es also nicht am Plan des allwissenden Politbüros, sondern am unwilligen und unfähigen Pflegepersonal, das mit der Umsetzung betraut war. Hängt sie auf!

Zappa hat geschrieben:Noch einmal: Es gibt keinen selbstregulierenden Markt, vor allem keinen Finanzmarkt. Oligopol- und Monopolbildung, Intransparenz, die Asymmetrie von Informationen (Insidergeschäfte) und die erdrückende Einflussnahme der Finanzoligarchie (Schulden - Produktivitätszuwachs = Vermögen!!!!) auf die Politiker (Bestechung, Beratung, Einkaufen, Finanzierung des amerikanischen Wahlkampfes und damit des Präsidentenamtes, etc. ... ), führt zwangsläufig zu wiederkehrenden Krisen im System. Wenn man das Ganze noch hübsch hebelt, werden die Krisen häufiger und dramatischer.


Noch einmal: Es gibt in der Natur (erfolgreiche) selbstreflexive Systeme, genauso wie es in der Natur Katastrophen, Krisen, Unfälle und Schicksalsschläge gibt. Das 'per Plan' aus der Welt schaffen zu wollen schafft erst die großen (monokulturellen) Katastrophen, die in einem selbstreflexiven diversifierenden Regelkreis niemals hätten so groß werden können!
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Re: (Geld-)Systemkrise

Beitragvon Zappa » So 16. Okt 2011, 18:23

Ich mag keine Zitierkriege, deswegen mal diese Antwort:

1. Du behauptest, dass es einen selbstregulierenden Markt gibt bzw. geben könne (den ich für begrifflich identisch mit einem unregulierten Markt halte, aber wir können uns gerne auf deine Terminologie festlegen).
2. Ich bestreite das. Ideale, selbstregulierende Märkte kann es nur unter genau definierten Bedingungen (die von außen gesichert werden müssen, d.h. selbst hier muss regulatorisch eingegriffen werden) in Teilbereichen der Wirtschaft geben. Dort sind Sie theoretisch effektiv und sollten angestrebt werden. Voraussetzungen sind u.a.: Vollkommene Markttransparenz, d.h. u.a. vollkommene Information für alle Marktteilnehmer (kein Ideenschutz, keine Absprachen, keine Werbung, kein Datenschutz, offene Bilanzen, Internetzugriff für alle, kein Einfluss von Produzenten auf Medien, keine Militärgeheimnisse), vollkommene Gewerbefreiheit (keine Patente, keine Qualitätskriterien, keine Vorschriften, keine Mindestqualifikationen, keine Oligopole oder Monopole), Konsumfreiheit (da fallen dann schon mal die Grundbedürfnisse raus), alle wesentlichen Interessenvertreter müssen Markteilnehmer sein (da fallen u.a. Gesundheitswesen und alle Aspekte, die Umwelt, künftige Generationen, Behinderte, Arme betreffen. raus), Kreditfreiheit (jeder Marktteilnehmer kann unbegrenzt Kredit aufnehmen)* u.v.m. Wo gelten denn bitte schön diese Bedingungen? Wie willst Du - um nur mal ein einfaches Beispiel zu wählen - z.B. ohne Regeln Absprachen verhindern? Was hast Du für eine Menschenbild, wenn Du glaubst Menschen würden nicht versuchen durch Tricksereien Informationsdysbalanzen zu produzieren um davon zu profitieren? So sind wir Menschen halt, d.h. Du benötigst noch den idealen Menschen!
3. Du würdest dieser Idee in Krisensituationen reale Vermögen und Schicksale opfern**, indem Du alle alle Blasen ohne Rücksicht auf Verluste platzen ließest.
4. Ich halte das für unsozial und auch falsch (weil ich ja an die Idee nicht glaube).

Deine Vergleich mit der Natur hinken etwas, weil eine Problem an den Märkten (insbesondere den Finanzmärkten) ist, dass Erwartungen und daraus abgeleitetes Handeln der Marktteilnehmer den Markt selber beeinflussen (Soros nennt dies Reflexivität). Dadurch kommt es in unregulierten (Pardon selbstregulierten :applaus: ) Märkten immer wieder zu Schwankungen, die sich zu katastrophalen Blasen aufschaukeln.

Außerdem kann ich aus deiner Position für die derzeitige Situation keine Lösungsansatz sehen. Dur argumentierst, dass Du die Wahrheit über die Natur des Marktes kennst und wenn alle schon vorher auf dich und deine Glaubensgenossen gehört hätten, wir nicht in dieser Situation wären. Nun sind wir aber in der Situation. Hier geht es nicht mehr um die Frage Regulierung ja oder nein, sondern darum welche Regulierungsmaßnahmen wir ergreifen sollen. Oder siehst Du das anders?

Du willst Recht haben, ich Lösungsansätze für die derzeitige Krise entwickeln. Ich denke das ist unser Grunddissens. Alles andere leitet sich daraus ab.

*Die Theorie hat auch noch ein paar absurde geldpolitische Bedingungen, davon verstehe ich aber noch nicht genug.
** Denn selbst in einem selbstreguliertem Markt gibt es ja Krisen und Blasen, fragt sich nur in welchem Ausmass.
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Re: (Geld-)Systemkrise

Beitragvon Gandalf » Mo 17. Okt 2011, 19:03

Zappa hat geschrieben:Außerdem kann ich aus deiner Position für die derzeitige Situation keine Lösungsansatz sehen. Dur argumentierst, dass Du die Wahrheit über die Natur des Marktes kennst und wenn alle schon vorher auf dich und deine Glaubensgenossen gehört hätten, wir nicht in dieser Situation wären. Nun sind wir aber in der Situation. Hier geht es nicht mehr um die Frage Regulierung ja oder nein, sondern darum welche Regulierungsmaßnahmen wir ergreifen sollen. Oder siehst Du das anders?


Ich kenne die Wahrheiten über niemandem. Ich (er)kenne nur Muster, die sich (imho) mit 'hoher Wahrscheinlichkeit' wiederholen, - nicht weil es mir passt, oder ich "Recht haben will", sondern weil diese Muster (imho) die gleichen sind, die über Jahrmilliarden das Universum erfolgreich (= stabil) bestimmt und gestaltet (= diversifiziert) haben. Ich gehe daher einfach davon aus, dass ein Verhalten analog und "entlang" dieser Muster wesentlich erfolgreicher ist, als sich gegen diese aufzulehnen. Um so mehr, da es uns (grundsätzlich) unmöglich ist alles wissen zu können und unsere Existenz von einer inständigen Unischerheit geprägt ist (und das ist auch gut so). Hier ein Beitrag von jemandem der sehr viel über unser Geldsystem weis und eigentlich alles so den Punkt gebracht hat, wie man es kaum besser zusammenfassen kann: http://www.dasgelbeforum.de.org/30434/m ... /67112.htm

Zur Frage nach den "Lösungsansätzen", die Du (angeblich) hast: Sorry, ich sehe nur Negierungen und Wunschvorstellungen bei Dir.
Es ist wie bei einem Skifahrer der einen Abhang hinunterbraust. Schnurstracks auf einen (tödlichen) Abgrund zu. Die einzige Chance, die ich sehe: Sich in den Schnee werfen, mit der hohen Wahrscheinlichkeit, sich die Knochen zu brechen. Du sagst: Das ist unverantwortlich (und unsozial) - denn, Du fährst ja immer noch weiter, ohne dass Dir was passiert und machst Dir keine Gedanken, was passieren könnte ... (und angesichts dieses 'schlagenden Erfolgs-Beweises' können Dir alle nur Recht geben)

Demgegenüber: 'Noch' funktioniert die Logisitk bei uns (die Fusionen und Konzentrationen auf wenige "Wissende" sind noch nicht abgeschlossen). Noch sind die Produktionsmittel vorhanden (und nicht demontiert, wie in weiten Teilen der USA). Nach einer Pleite könnte es mit einem neuen Besitzer ohne weiteres weitergehen. Die Realwirtschaft, bzw. das "know-how" wäre noch da. Machen wir aber weiter so, wird lange bevor der "letzte Stein der Pyramide" gesetzt wird, der letzte Steinbruch schon geschlossen sein.

Also: "Weiter so!" - oder eine 'Notbremse' (so lange noch Zeit ist)?


Hier auch etwas, was unsere 'grundsätzliche Anschauungsverschiedenheit' philosophisch fasst:
http://www.uni-tuebingen.de/uni/wwa/dow ... _11_07.pdf
„Konstruktivistischer Rationalismus” versus “Kritischer Ratonalismus”
Das Tableau bestärkte die Physiokraten in der Annahme, dass der volkswirtschaftliche
Ablauf genau geplant werden könnte und auch müsste, wenn so ein gesellschaftliches
Optimum erreicht werden könnte. F.A. von Hayek nennt diese auf die cartesianische
Tradition gehende Auffassung „Konstruktivistischen Rationalismus“. Danach können
Institutionen jeweils nach Vernunftsprinzipien geformt werden, da sie unter voller
politischer Kontrolle stehen.
Der „Kritische Rationalismus“ der Klassiker entspringt dem Bewusstsein von den
Grenzen und der Fehlbarkeit der menschlichen Vernunft. Die gesellschaftliche Ordnung
wird als Ergebnis der spontanen Handlungen der Individuen betrachtet, nicht als ein
bewusst gewolltes Objekt.
Die Institutionen sind sicherlich verbesserungsfähig, aber nicht nach Belieben
umzugestalten.
Es ist also der Freiheitsbegriff selbst, der in den beiden Schulen verschieden ist: Freiheit
als vernunftgemäße Selbstbestimmung, die sich in den Gesetzen verwirklicht; im
anderen Falle Freiheit als Schutz gegen legislative Übergriffe.

Aus der Perspektive des „Konstruktivistischen Rationalismus“ ist es das Verdienst
der „neuen Wissenschaft“, den Volkswirtschaftlern (und der zweckmäßig beratenen
Regierung) zu erlauben, jegliches kleinste Detail des an sich so komplexen Vorganges
der Produktion und der Verteilung der Waren unter Kontrolle zu halten.
Die Perspektive des „Kritischen Rationalismus“ besagt, dass das Wirtschaftsleben
unendlich vielgestaltig ist und dass in der Praxis derartig verschiedene Probleme
auftreten, dass nur das unpersönliche Wirken der Marktkräfte („die unsichtbare Hand“)
imstande sei, sie zu lösen.
Die Opposition zum Dirigismus ist in diesem Falle unbeugsam: Noch so gut beraten,
kann der Regierungseingriff nichts anderes als Schaden anrichten.


(Ich denke, dabei sollten wir es belassen)
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Re: (Geld-)Systemkrise

Beitragvon Zappa » Mo 17. Okt 2011, 20:07

Gandalf hat geschrieben:(Ich denke, dabei sollten wir es belassen)


Du willst doch nur kneifen.

Ich stelle Dir einfach mal eine schlichte Frage: Wo gibt es denn deinen selbstregulierten Markt, bzw. wann und wo hat es ihn je gegeben?
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Re: (Geld-)Systemkrise

Beitragvon Nanna » Mo 17. Okt 2011, 21:06

Gandalf hat geschrieben:Hier auch etwas, was unsere 'grundsätzliche Anschauungsverschiedenheit' philosophisch fasst:
http://www.uni-tuebingen.de/uni/wwa/dow ... _11_07.pdf
Die Perspektive des „Kritischen Rationalismus“ besagt, dass das Wirtschaftsleben
unendlich vielgestaltig ist und dass in der Praxis derartig verschiedene Probleme
auftreten, dass nur das unpersönliche Wirken der Marktkräfte („die unsichtbare Hand“)
imstande sei, sie zu lösen.
Die Opposition zum Dirigismus ist in diesem Falle unbeugsam: Noch so gut beraten,
kann der Regierungseingriff nichts anderes als Schaden anrichten.

Aber was ist in diesem Zusammenhang die "Lösung" eines "Problems"? Was ist überhaupt das "Problem"? Ist es ein ökonomisches Problem, wenn genug zu essen für zehn Leute da wäre, die beiden Reichsten aber 30% vom Kuchen haben wollen und deshalb der Ärmste hungert? Die ökonomische, evolutionistische Lösung des Problems ist nicht weniger, als dem Ärmsten nichts zu essen zu geben. Spätestens durch seinen Tod löst sich das Verteilungsproblem insofern, als dass der Ärmste aus dem Markt gedrängt wurde. Nur, ob das Problem zu unserer moralischen Zufriedenheit gelöst wurde, wird dadurch kein bisschen beantwortet. Die "unsichtbare Hand" hat, das ist ihr großes Problem, keinen Sinn für Fairness. Genau deshalb ist die positive Freiheit des "konstruktiven Rationalismus", wie er hier genannt wird, also die Freiheit zur Verantwortung, durchaus wichtig, selbst wenn sie ein weniger effizientes System nach sich zieht. Mag sein, dass es dazu beiträgt, das manche Klientel relativ ungestraft "rent-seeking in the shadow of the state" (kenne keine adäquate Übersetzung) betreiben kann, aber das ist immer noch besser, als durch die Entledigung der, je nach Ansicht, "Gängelung" oder "Inpflichtnahme" durch Regeln und Gesetze (sogenannte "negative Freiheit") auch die Freiheit von Verantwortung zu betreiben.

Der selbstregulierende Markt mag denkbar sein, er mag vor allem effizient sein, aber der selbstregulierende moralische Markt muss erst noch entdeckt werden.
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Re: (Geld-)Systemkrise

Beitragvon Zappa » Di 18. Okt 2011, 15:43

Nanna hat geschrieben:Der selbstregulierende Markt mag denkbar sein, er mag vor allem effizient sein, aber der selbstregulierende moralische Markt muss erst noch entdeckt werden.


So sehe ich das auch: Es ist ein theoretisches Konstrukt mit tlw. merkwürdigen und vor allem unvollständigen Vorausbedingungen, sowie fragwürdigen Folgerungen und musste sich noch nie in der Praxis bewähren.

Vor dem Hintergrund ist es natürlich leicht über die tatsächlichen Probleme der aktuellen Marktordnung herzuziehen. (Womit ich nicht bestreiten möchte, dass die Theorien des Liberalismus nicht wichtig für eine Kritik an den Theorien des Sozialismus und der Marktwirtschaft wären. Der Praxisbezug hält sich halt nur sehr in Grenzen).
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Re: (Geld-)Systemkrise

Beitragvon Gandalf » Fr 21. Okt 2011, 21:48

Zappa hat geschrieben:Ich stelle Dir einfach mal eine schlichte Frage: Wo gibt es denn deinen selbstregulierten Markt, bzw. wann und wo hat es ihn je gegeben?


Die schlichte Antwort dazu:
Ein selbstregulierender Markt liegt vor, wenn es zu Angebot und Nachfrage aufeinander treffen und frei vereinbart werden kann wie getauscht wird.
Er ist dann gegeben, wenn ich z.B. einen Sack Kartoffel verkaufe und ich mit mit dem Maurermeister frei vereinbaren kann ob er mir Euros dafür gibt, oder mir stattdessen hilft meine Werkstatt mit umzubauen oder oder oder
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Re: (Geld-)Systemkrise

Beitragvon Gandalf » Fr 21. Okt 2011, 22:13

Nanna hat geschrieben:Der selbstregulierende Markt mag denkbar sein, er mag vor allem effizient sein, aber der selbstregulierende moralische Markt muss erst noch entdeckt werden.

...hmmm
- was für eine Moral? Die heutige? Die gestrige? in welcher Gesellschaft? ...?
- ist Evolution moralisch , bzw. sollte Züchtung (Genmanipulation) moralisch sein?

Das Zusammentreffen (die Regulierung) von Angebot und Nachfrage kann doch niemals moralisch sein, - sondern immer nur die 'aktuellen Vorstellungen' der Martkteilnehmer!? Eine Selbstregulierung findet immer 'unterhalb der moralischen Ebene' statt. Auch "unmoralische" Angebote werden nachgefragt. (oder abgelehnt). Ein Markt selbst kann stets nur rational sein.

Daher verstehe ich auch Deine Intention dazu nicht: Gehst Du etwa davon aus, dass das Universum eine Moral hat?

Es ist ja auch zudem falsch, wenn Du sagst, dass es die "evolutionistische Lösung" wäre, die Armen verhungern zu lassen. Denn das ist es ja offenbar nicht. Die (Für-)Sorge für Kranke und Schwache hat der Menschheit (zumindest bis jetzt) einen evolutionären Vorteil gebracht. Für eine Sippe ist es regelmäßig effizienter, Hungernde und Kranke mit zu versorgen, als ständig neue Nachkommen zu zeugen, das Risiko der Schangerschaft einzugehen und Stammmitlglieder, die Jahre brauchen, um sich nutzbringend in den Stamm einzubringen. Gerade "Hungrige" haben regelmäßig ein verstärktes Interesse die Lösung dieses Problems voranzutreiben und sind daher "nötig", um die Evolution anzutreiben. Bedarf anzumelden oder Angebote zu machen. Überflüssig für einen Markt (und die Evolution) sind die "Satten", - die es in Deinem Beispiel nicht nötig haben zu tauschen!

Zur "unsichtbaren Hand"
Grundsätzlich muss zunächst der Effizienzbegriff (= Ertrag/Aufwand) der aktuellen herrschenden volkswirtschaftlichen Lehre in Frage gestellt werden. Er basiert auf Annahmen, die in der Wirklichkeit nicht gegeben sind. .zB. "vollständige Transparenz" und der 'Gleichgewichtspreis' bei dem Angebot und Nachfrage "optimal" geräumt werden. Genauso wie es den "gesunden Menschen" nur in Medizinbüchern gibt, gibt es vollständige Transparenz, Information und einen "Gleichgewichtspreis", etc. nur in volkswirtschaftlichen (Lehr-)Büchern. Nicht aber beim Bauern, Wirt, Händler oder Unternehmer. Diese müssen immer 'zukünftige' Erfordernisse und unterschiedliche eigene Absichten, sowie 'unplanbare Unwägbarkeiten' stets mit berücksichtigen, wenn sie ein Angebot machen. In einem selbstregulierenden Markt kann sich daher gar kein Preis bilden, der für alle gleichartigen Handelsgeschäfte zum gleichen Zeitpunkt gilt. Der Preis gilt immer nur für den aktuellen Vertragsabschluss, unter den aktuell gegeben Umständen. (Damit entpuppt sich auch der Wunsch nach einer "Preisstabilität" als politische Forderung, um Eingriffe für verschiedene Lobbygruppen zu rechtfertigen). D.h. es kann aufgrund von nicht vollständig erfassbaren Absichten der Marktteilnehmer durchaus dazu kommen, dass unterschiedliche hohe Preise bei verschiedenen Händlern auf dem gleichen Markt für den gleichen Sack Kartoffeln akzeptiert werden. Weil z.B. der Nachfragende die Zuverlässigkeit, die Herkunft, Leistungsfähigkeit, Service und Qualität des einen Händlers unterschiedlich einschätzt. D.h. es gibt nicht 'das' Optimum, weil sich z.B. Herkunft und Zuverlässigkeit nicht immer 'am Besten', sondern nur 'best möglich' in Relation zu einem Gleichgewichtspreis zueinander vereinbaren lassen. Diese 'Gruppe' rund 'um' einen (fiktiven) Idealzustand nennt man "Pareto-Optimum". Ein freier Markt führt also nicht zu der maximaler Effizienz der Volkswirtschaftler (die es in der Wirklichkeit nicht geben kann und wohl zu einem instabilen Monopol führen würde), sondern zu eine 'Vielfalt von optimalen Lösungsmöglichkeiten'!

Die "unsichtbare Hand" ist daher nichts anderes als die (scheinbar stringende) Rückschau auf ein "optimales Wahlergebnis" das aber tatsächlich aus einer Vielzahl von optimalen Möglichkeiten bestand.

Man könnte durchaus etwas "hochschschweifend" sagen: 'Ver_antwortung' des Marktes ergibt sich daraus, das es einfach 'vielfältige Antworten' zur Lösung von Problemen gibt und das es diese Lösungen nur geben kann, wenn man dem Markt und den Menschen die Freiheit dazu lässt!

Beschneidet man die Auswahlmöglichkeiten, in dem man Zwänge einführt, Informationen zurückhält oder gar die Marktteilnehmer desinformiert (z.B. durch Subventionen) vermindert man die Freiheitsgrade der Gruppe rund um dieses Optimum, schränkt damit die Möglichkeit ein, auf Störungen des Systems (die es immer gibt) selbstreflexiv zu reagieren. Selbstreflexiv heisst dabei: Auf Grund der Freiheitsgrade des Systems, gibt es mit hoher Wahrscheinlichkeit auch eine Gruppe innerhalb des Systems, die mit den veränderten Variablen ("Störungen") besser klar kommen, als die vormals "optimalste" Gruppe ohne Störung. Redundanzen, die in einem effizienten System höchst unerwünscht sind, sind für ein stabiles selbstreflexives System überlebensnotwendig!

Es führt also nicht der freie Markt von sich aus zu Oligopolen und Monopolen, sondern eine von außen auf das System einwirkende Einschränkung der Freiheits(grade)!


Nochmal: Nicht die Effizienzbestrebungen innerhalb des Marktes führen das System "gegen die Wand", sondern die 'von außen' kommende Definition dessen, was Effizienz sei! (Denke dabei z.B. auch an den Amazonas-Dschungel und seine Artenvielfalt auf einem Boden der nahe null Nährwert hat, - im Gegensatz zur monokulturellen Landwirtschaft (Planwirtschaft), die nur wenige Parameter bervorzugt und diese als effizient definiert.). Es ist also genau umgekehrt wie derzeit behauptet wird: Nicht der Markt hat versagt, sondern wir, die wir zugelassen haben, das zu viele "Gestalter" die Freiheiten immer weiter einschränken: Nicht nur Freiheiten des Marktes, sondern immer detulicher auch die Rechte und Freiheiten des Individuums.

Und das Fatale dabei ist: Da "der Markt" zusehends extremer auf die zunehmenden Eingriffe reagiert (die "Spekulantenangriffe" sind ja nichts anderes als ein Versuch der Marktregulierung innerhalb des euphemistisch verbrämten Irrsinns im Plan der konstruktivistischen Retter), rechtfertigt er in der gegenwärtigen "Rettungslogik" weitere Eingriffe durch eben diese gutmenschlichen Retter. Und wenn alle Quacksalberei gegen das Fieber nicht hilft, dann verbietet man halt kurzerhand das Fieberthermometer: http://www.faz.net/aktuell/finanzen/rat ... 99406.html
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