von Nanna » Mi 1. Okt 2014, 08:53
Liebe Benutzer des Brights-Forums, liebe Leser,
vom 10. September 2006 bis zum 30. September 2014 hatte das deutsche Brights-Forum Bestand. Alle wesentlichen Debatten der kleinen und sowohl intern wie auch von außen kontrovers diskutierten Brights-Bewegung haben sich hier abgespielt. Man kann nach acht Jahren sicherlich einiges über das Forum sagen, aber sicherlich nicht, dass es besonders oft langweilig wurde. Wie in einer guten Philosophenkneipe sind wir zusammengesessen, haben von Grundsatzfragen über Erkenntnistheorie, Willensfreiheit, Moralphilosophie bis hin zu tagespolitischen, ökonomischen und psychologischen Fragestellungen so ziemlich sämtliche Klassiker durchgekaut, haben uns verbal geprügelt und dann wieder einen gemeinsamen Nenner gefunden (gut, der ein oder andere wurde irgendwann freundlich aber bestimmt vor die Tür gesetzt), Niederlagen eingesteckt, Erfolge gefeiert und, das gilt für fast alle, denke ich, viel an grundsätzlichen Erkenntnissen über unsere menschliche Existenz gelernt. Nicht wenige sind durch einen, manchmal sicherlich frustrierenden und anfangs verwirrenden, Prozess der Dekonstruktion liebgewonnener persönlicher Mythen gegangen, aber am Ende hat sich bei jedem auf individuelle Weise die ein oder andere Erkenntnis über die Welt durchgesetzt. Neben der Langeweile ist Mutlosigkeit sicherlich das zweite, was man unserer Community nie vorwerfen konnte. Wir sind in unseren Diskussionen an die Schmerzgrenzen gegangen, und haben weder uns noch den diskutierten Gegenstand geschont, und trotzdem ist die Debatte meist zielorientiert, konstruktiv und auf hohem intellektuellen wie verbalen Niveau geblieben. Bei allen Nerven, die mir hier strapaziert wurden, möchte ich deshalb einfach noch mal ganz herzlich DANKE sagen! Ihr wart eine klasse Gemeinschaft und ich werde euch vermissen! Hoffentlich laufen wir uns an anderer Stelle noch mal über den Weg!
Nun müssen aber auch der Brights-Bewegung noch ein paar Worte gewidmet werden: Die Brights-Idee, sich auf positive und konstruktive Weise einer naturalistischen Identität zu nähern und sie stark und stolz zu präsentieren, hat einfach nicht verfangen. Da, wo ein Gemeinschaftsgefühl aufkam, war es fast immer als Gegensatz, der sich über seine Gegnerschaft zur Religion definierte; die endlosen Diskussionen, ob ein A-Theismus ohne Theismus überhaupt definierbar ist, zeugen davon. Obwohl in dem von mir hochverehrten Brights-Prinzip Nr. 8 - meines Erachtens die Quintessenz dessen, worauf es beim Bright-Sein immer wirklich ankommen hätte sollen - ganz explizit ausformuliert, hat der Anspruch der Bewegung, sich nicht auf letztlich destruktive Weise durch Gegnerschaft, sondern über einen positiven Beitrag zur Gesellschaft zu definieren, bei den Wenigsten gezündet. Vermutlich beschäftigen diejenigen, die ihre naturalistische Weltanschauung nicht als etwas besonderes wahrnehmen, sich einfach zu wenig damit, um sich einer Bewegung wie den Brights anzuschließen, wodurch am Ende vor allem diejenigen zusammen finden, die sich aus verschiedensten Gründen immer wieder aufs Neue an der Religion abarbeiten müssen.
Ich wünsche es allen, die laufend in diese Falle tappen und sich auf diese Weise erst recht an die Religion ketten, dass sie im Laufe der Zeit die freiheitlichen und toleranten Bestrebungen der Brights-Prinzipien zu schätzen lernen, denn es gibt meines Erachtens für unsere Gesellschaft keinen anderen Weg, der nicht mit Ungerechtigkeit, Willkür und Unfrieden einhergeht, als den der gegenseitigen Anerkennung - auch und gerade gegenüber denjenigen, mit deren Lebensentscheidungen wir nicht einverstanden sind. Damit ist keine Verharmlosung gemeint, keine Rechtfertigung von Aggressionen Andersdenkender und keine Bagatellisierung rückwärtsgewandter, erstarrter Traditionalismen. Dennoch dürfen wir nicht den Fehler begehen, spalterische, polemisch vereinfachende und freiheitsfeindliche Signale aus anderen Gesellschaftsgruppen auf demselben Niveau zu beantworten. Mir ist wiederholt vorgeworfen worden, die Gefährlichkeit der Religion herunterzuspielen und daher möchte ich an dieser Stelle noch einmal klar sagen: Religion ist wegen ihres Mobilisierungs- und Emotionalisierungspotentials eines der wirkmächtigsten Denksysteme - die Kernspaltung der Weltanschauungen, wenn man so will: Stark und energievoll, aber mit einem manchmal schmalen Grat zwischen friedlicher und aggressiver Nutzung. Gerade deshalb aber dürfen wir das dramatisierende Spiel des Spaltens und Teilens der Welt in ein absolutes Gut und Böse, Richtig und Falsch nicht mitspielen. Es kann keine offene Debatte zwischen Weltanschauungsgruppen geben, die sich gegenseitig permanent mit Auslöschungsfantasien bedrohen. Die Verfasser der Brights-Prinzipien haben das verstanden und einen wirklich zivilgesellschaftlichen, pluralistischen Ansatz verfochten, der leider (noch) nicht von jedem geteilt wird.
Auch wenn das Brightsforum nun geschlossen ist: Es lohnt sich, weiterhin für das Ziel einer toleranten Gesellschaft einzustehen, in der sich niemand dafür rechtfertigen muss, naturalistisch oder supernaturalistisch zu denken und zwischenmenschlicher Respekt all diese Grenzziehungen transzendiert.
Ich wünsche euch ein gutes Leben! Danke für alles!
Nanna